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Das 1967 vollendete Gebäude ist der letzte Bau des legendären Architekten und sein einziger aus Stahl und Glas.

© ZHdK

Architekturdenkmal in Zürich: Pavillon Le Corbusier wieder für Besucher offen

Nach der Generalüberholung erstrahlt der Pavillon Le Corbusier in neuem Glanz. Die Stadt Zürich setzt auf ein neues Ausstellungskonzept.

Zwei Jahre lang konnten Touristen in Zürich den Pavillon Le Corbusier nur von außen betrachten. Umgeben von akkurat gestutztem Rasen und in Sichtweite des Zürichsees an der Blatterwiese und nahe des Zürichhorns gelegen, fällt der zweigeschossige Bau mit seiner rot-gelb-grünen Fassade und den ausladenden Dachsegeln sofort ins Auge. Das bunte Gebäude hebt sich von den Villen in der Umgebung ab und wirkt wie ein Prototyp des modernen Bauens.

„Dieses Haus wird das kühnste, das ich je gebaut habe“, schrieb Le Corbusier in einem Brief im Jahr 1961. Die Baupläne unterzeichnete Le Corbusier, der in der Schweiz geboren wurde, später jedoch die französische Staatsbürgerschaft annahm, noch persönlich, die Fertigstellung des Gebäudes im Jahr 1967 erlebte der Architekturvisionär jedoch nicht mehr mit. Le Corbusier starb überraschend 1965. Das Gebäude am Seeufer ist der letzte Bau des legendären Architekten.

Le Corbusier (r.) mit der Vase auf dem Kopf, zusammen mit Albert Jeanneret und Amédée Ozenfant in der Maison Blanche im August 1919.
Le Corbusier (r.) mit der Vase auf dem Kopf, zusammen mit Albert Jeanneret und Amédée Ozenfant in der Maison Blanche im August 1919.

© dpa

Zürich verdankt das einzige Le-Corbusier-Haus in der deutschsprachigen Schweiz der Zürcher Mäzenin und Kunstsammlerin Heidi Weber. Sie beschaffte einst mit viel Engagement die nötigen Mittel und Genehmigungen und betrieb es als Museum und Galerie jahrzehntelang unter ihrem Namen. Sie zeigte darin nicht nur Möbel, sondern auch Kunst und Fotos von Le Corbusier und ließ die Besucher das Gebäude vor allem als Gesamtkunstwerk erlebbar machen.

Entworfen hatte Le Corbusier den Pavillon im Maßstab eines Wohnhauses als „maison d'homme“, ein Demonstrationsobjekt für das von ihm entwickelte Maßsystem „Modulor“. Mit „Modulor“ versuchte er eine mathematische Ordnung zu entwickeln, mit der sich die Architektur am Maß des Menschen orientiert. Darüber hinaus arbeitete er im Pavillon Le Corbusier mit vorgefertigten Teilen, eine Bauart, die in den folgenden Jahrzehnten zunehmend an Relevanz gewinnen sollte.

Eine Generalüberholung war nötig

Vertragsgemäß ging das heutige Architekturdenkmal 2014 an die Stadt Zürich über. Mit Heidi Weber hat sich die Stadt überworfen. Sie befindet sich in einem Rechtsstreit, bei dem es sowohl um den Wert des Gebäudes als auch um seinen Namen geht. Nach einer kurzen Phase der Zwischennutzung mit wechselnden Ausstellungen stand 2017 fest: Das Gebäude braucht eine Generalüberholung. Der einzige Stahl-Glas-Bau Le Corbusiers setzte Rost an, Bodenleuchten, die den Pavillon bei Nacht in Szene setzen, standen unter Wasser, die Fassade war undicht, die Dachsegel schadstoffbelastet und die Heizung funktionierte schon seit den Achtzigern nicht mehr.

Als ausgewiesene Le-Corbusier-Kenner standen schnell die Architekten Arthur Rüegg und Silvio Schmed als die Richtigen für diesen Job fest. Das Team übernahm bereits mehrfach Restaurationen und gestaltete Ausstellungen zu Le Corbusier. Während der emeritierte Architekturprofessor Rüegg zahlreiche Bücher über Le Corbusier geschrieben hat und Le Corbusiers Werk und Theorien wie kaum ein anderer kennt, ist Schmed eher der Forscher, der mit viel Akribie Original-Baustoffe aufspürte.

So fand er beispielsweise bei einem Anbieter für Tierhaltung in den Niederlanden Ersatz für den im Pavillon verlegten Pirelli-Boden, der heute nicht mehr hergestellt wird. Der Besucher bemerkt heute keinen Unterschied mehr zum Original.

In Zukunft sollen im Pavillon auch Konzerte stattfinden – die Akustik ist gut.
In Zukunft sollen im Pavillon auch Konzerte stattfinden – die Akustik ist gut.

© ZHdK

Auch die 500 Steinplatten im Kellergeschoss wurden Stück für Stück entfernt und akribisch markiert, damit sie nach dem Einsetzen der Fußbodenheizung wieder genau an ihrem Platz landen konnten. Selbst der Sand in den Fugen wurde per Hand wieder eingesetzt. Doch es gab auch Grenzen: Um die Heizung in den oberen Geschossen zu restaurieren, wären massive Eingriffe in den Bau notwendig gewesen. So stehen die roten Metallheizkörper heute als reine Dekoration vor den bodentiefen Fenstern. In den Wintermonaten bleibt das Haus geschlossen.

Knapp fünf Millionen Franken (etwa 4,4 Millionen Euro) kostete die Restaurierung des Pavillon Le Corbusier, die die Stadt und der Kanton Zürich jeweils zu gleichen Teilen aufbrachten, und blieb damit unter den Erwartungen – wohl auch aufgrund der Expertise der Architekten. „Wir haben eine ausführliche Machbarkeitsstudie durchgeführt“, erklärt Arthur Rüegg am Rande der Pressekonferenz zur Eröffnung des Pavillon Le Corbusier. „Dennoch gab es Überraschungen, als wir mit der Arbeit begannen. So entdeckten wir noch währenddessen Weißrost auf verzinkten Oberflächen, den wir vorher nicht bemerkt hatten.“

Der Bau gilt als architektonisches Juwel.
Der Bau gilt als architektonisches Juwel.

© dpa

Die Stadt wagt mehr Offenheit

Doch nicht nur der Bau, auch das Konzept verdiente eine Frischzellenkur. In der Vergangenheit standen Besucher oft vor verschlossenen Türen, wenn sie das Gebäude besichtigen wollten, weil der Pavillon nur selten geöffnet hatte. Ab jetzt soll er zwischen März und November jeweils von Dienstag bis Sonntag geöffnet sein. Bei der Ausschreibung für das Ausstellungskonzept setzte sich das Zürcher Museum für Gestaltung durch, das den Pavillon Le Corbusier jetzt als dritten Standort in der Stadt betreibt.

Aus seiner Sammlung stammen auch einige der Exponate, die nicht Teil einer sterilen Ausstellung sind, sondern zum Ausprobieren einladen sollen. So ist es durchaus erwünscht, dass Besucher in einem LC2-Sessel Platz nehmen oder eigene Skizzen an den langen Holztischen anfertigen. Die Gäste sollen sich „wie zu Hause fühlen“, sagt Museumsdirektor Christian Brändle. Von dem Leben und Schaffen Le Corbusiers zeugen die Schwarz-Weiß-Fotos seines „Hofdokumentars“ Renée Burri.

Der Loungebereich im ersten Stock mit den Möbeln LC 1-4.
Der Loungebereich im ersten Stock mit den Möbeln LC 1-4.

© dpa

Bis zum 17. November 2019 gibt die Ausstellung „Mon univers“ zudem einen Einblick in die Sammelleidenschaft des Architekten. Ob Naturmaterialien, Souvenirs aus fernen Ländern oder Gebrauchsgegenstände aus der Industrie – Le Corbusiers Werkstätten glichen Wunderkammern, die ihn in seiner Arbeit inspirierten. Zu unterschiedlichen Themen haben die Kuratoren im Untergeschoss Vitrinen zusammengestellt. Mit ihnen treten im Haus verteilt auch künstlerische Arbeiten in einen Dialog. In Zukunft sollen aber auch Performances und Konzerte stattfinden, denn – ob von Le Corbusier intendiert oder nicht – das Haus verfügt laut Christian Brändle über eine ausgezeichnete Akustik.

Die erste Wechselausstellung zeigt unter dem Titel „Mon univers“ die Sammelleidenschaft Le Corbusiers (1887-1965) und gibt damit einen Einblick in seinen gestalterischen Kosmos.

Der Ausstellungspavillon ist nur in den Sommermonaten geöffnet. Saison 2019: 11. Mai bis 17. November. Dienstags bis sonntags von 12 bis 18 Uhr, donnerstags von 10 bis 20 Uhr.

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