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Das türkische Bohrschiff "Yavuz" steht im Hafen von Dilovasi, bevor es ins Mittelmeer entsandt wird um nach Gas zu bohren.

© Lefteris Pitarakis/AP/dpa

Konflikt um Energiereserven: Im östlichen Mittelmeer droht ein Kampf ums Gas

Die Türkei sucht vor der Küste Zyperns nach Erdgas. 3,5 Billionen Kubikmeter lagern unter dem Meeresboden. Das führt zu Spannungen mit der EU.

Als der türkische Energieminister Fatih Dönmez kürzlich das Bohrschiff „Yavuz“ auf die Reise schickte, horchten Regierungen in der Region auf. Unter dem Schutz einer türkischen Fregatte soll die „Yavuz“ vor der Küste Zyperns nach Erdgas suchen. Das Schiff fuhr damit geradewegs hinein in einen Konflikt um Bodenschätze, Energietransporte und politischen Einfluss im östlichen Mittelmeer.

Gewaltige Energiereserven schlummern unter dem Mittelmeer zwischen Zypern, Ägypten, Israel und Libanon. Nach US-Schätzungen lagern dort rund 3,5 Billionen Kubikmeter Erdgas. Damit könnte Deutschland fast 40 Jahre lang versorgt werden. Außerdem liegen dort 1,7 Milliarden Barrel Erdöl.

Die neuen Gasbarone der Levante

Mehrere Staaten haben sich zusammengetan, um die Bodenschätze auszubeuten und nach Europa zu bringen, doch die Türkei ist nicht dabei. Mit Ägypten, Griechenland, Israel, Italien, Jordanien, Palästina und Zypern gründeten sieben Akteure, die sich sonst nicht immer grün sind, im Januar ein gemeinsames „Gasforum Ost-Mittelmeer“ mit Sitz in Kairo. Die Erdgasfunde wurden deshalb zeitweise als Mittel zur Überwindung einiger politischer Konfliktlinien im Nahen Osten gefeiert. Mittelfristig könnte das Gas aus der Levante zudem die Abhängigkeit Europas von Energie aus Russland mindern. Eine 2000 Kilometer lange Pipeline soll das Gas über Zypern und Kreta zum europäischen Festland bringen.

Doch die Pläne, das Gas zu fördern, sorgen auch für erhebliche politische Spannungen in der Region: Die Türkei sieht ihre Interessen gefährdet. Das Land betrachtet sich mit seinen Öl- und Gaspipelines aus Irak, Zentralasien und Russland als Drehscheibe für Energietransporte in den Westen und als Regionalmacht. Vom Bündnis der neuen Gasbarone in der Levante wurde Ankara jedoch ausgeschlossen. Einige der Mitglieder des „Gasforums“ wie Ägypten und Israel zählen zu den Kontrahenten der Türkei im Nahen Osten.

Journalisten und Beamte verlassen nach einer Besichtigungstour das Bohrschiff "Yavuz".
Journalisten und Beamte verlassen nach einer Besichtigungstour das Bohrschiff "Yavuz".

© Lefteris Pitarakis/AP/dpa

Auch mit Athen und Nikosia hat Ankara viele Probleme. Der Streit um das Gas verschärft deshalb den Konflikt um das seit 1974 geteilte Zypern. Andere Staaten versuchten, die Türkei und den türkischen Teil Zyperns von der „Energie-Gleichung im östlichen Mittelmeer fernzuhalten“, sagt der Präsident des türkischen Sektors auf Zypern, Mustafa Akinci.

Die Türkei zeigt deshalb Flagge. Die „Yavuz“ ist das zweite türkische Schiff, das in der Umgebung von Zypern nach Bodenschätzen sucht. Die „Fatih“ ist bereits im Einsatz. Die Namen der Schiffe schicken eindeutige Botschaften: Der Herrscher Yavuz Sultan Selim nahm im 15. Jahrhundert weite Teile des Nahen Ostens für die Osmanen ein; „Fatih“ bedeutet „Eroberer“.

Ankaras Sorge um türkische Zyprer

Mit der Suche nach Gas und Öl bei Zypern beginnt die Türkei nicht zufällig gerade jetzt. Die Regierung der international anerkannten griechischen Republik auf der geteilten Mittelmeerinsel hat ihre Zusammenarbeit mit Energiekonzernen wie Total aus Frankreich, Eni aus Italien und ExxonMobil aus den USA an der Erschließung von Erdgasfeldern vor der Küste Zyperns verstärkt. Die Türkei beansprucht einige dieser Seegebiete als Teile des eigenen Kontinentalsockels und wirft den griechischen Zyprern vor, den türkischen Teil der Insel von den erwarteten Gewinnen ausschließen zu wollen.

Für Zypern rücke der erste Export von eigenem Gas über Ägypten in greifbare Nähe, sagt Tareq Baconi von der Denkfabrik International Crisis Group. Diese Entwicklung verstärke die Sorge in Ankara, dass die Türkei und die türkischen Zyprer an den Rand gedrängt werden könnten. Der Streit kann nun rasch eskalieren. Im vergangenen Jahr bereits vertrieben türkische Kriegsschiffe ein Eni-Erkundungsschiff aus einem umstrittenen Gewässer in der Nähe der Insel.

Druckmittel Flüchtlingspolitik

Das EU-Mitglied Zypern wiederum reagiert auf die aktuelle türkische Gas-Suche mit rechtlichen Schritten. Das Land hat Haftbefehle gegen die Besatzung der „Fatih“ erlassen und droht der Crew der „Yavuz“ dasselbe an. Vor wenigen Tagen leitete Zypern zudem Verfahren gegen drei nicht-türkische Firmen ein, die an der Gas-Suche Ankaras beteiligt sind. Die Regierung in Nikosia weiß die EU hinter sich. Brüssel drohte der Türkei kürzlich mit Sanktionen, und auch die US-Regierung rief die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan auf, die Probebohrungen vor Zypern noch einmal zu überdenken.

Erdogan zeigt sich unbeeindruckt. Sein Land handele im Rahmen des Rechts und werde das auch weiter tun, sagte er am Donnerstag. Den wahrscheinlichen Grund für Erdogans Gelassenheit gegenüber der EU benennt die dem Präsidenten nahestehende Zeitung „Daily Sabah“. Sie schreibt, mehr als drohen werde die EU im Streit um das Gas wohl nicht, weil sie die Mitarbeit der Türkei in der Flüchtlingskrise brauche. Und im Falle einer ernsthaften Eskalation könne sich die Türkei auf ihre starken Streitkräfte verlassen.

Bisher haben die „Fatih“ und die „Yavuz“ bei ihren Sondierungen keine Gasvorräte geortet, die von der Türkei reklamiert werden könnten. Aber das kann sich rasch ändern.

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