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Zukunft wünschen sich nicht nur die Airbus-Mitarbeiter in Hamburg. Vor allem in der Autoindustrie ist die Angst um den Arbeitsplatz weit verbreitet.

© dpa

IG Metall hat die Zukunft im Blick: Beschäftigte vermissen Sicherheit im Wandel

Die Gewerkschaft fordert eine Vier-Tage-Woche und Zukunftstarifverträge zur Beschäftigungssicherung

Die IG Metall hat sich von ihrer Basis ein Mandat für die anstehende Tarifrunde geholt. 250 000 Beschäftigte aus 6700 Betrieben brachten in einer Umfrage ihre Zukunftssorgen zum Ausdruck. Wie ihr Arbeitgeber die Transformation bestehen wolle, die unter den Stichworten Digitalisierung und Dekarbonisierung Wirtschaft und Gesellschaft verändere, sei vielen Arbeitnehmern noch immer nicht klar, sagte Gewerkschaftschef Jörg Hofmann am Donnerstag bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse. „Das hat mich betroffen gemacht.“ Entweder hätten viele Unternehmen keine Strategie, und wenn doch, könnten sie diese der Belegschaft nicht vermitteln.

Die Zukunftsängste der Metaller will die IG Metall nun mit Zukunftstarifverträgen bekämpfen. „Wir möchten, dass die Arbeitgeber über die Perspektive bestimmter Standorte verhandeln“, sagte Hofmann. Das betreffe Investitionen, Produkte, Qualifizierungsinhalte und Arbeitszeitmodelle.

Vier Prozent als Verteilungsmasse

Die IG Metall geht mit einer Forderung von vier Prozent in die Tarifrunde. Das bedeutet aber nicht vier Prozent höhere Einkommen, wie das in herkömmlichen Tarifauseinandersetzungen der Fall wäre, sondern einen Verteilungsspielraum von vier Prozent für drei Themen: Neben den erwähnten Zukunftstarifverträgen möchte die Gewerkschaft eine Vier-Tage-Woche mit Teillohnausgleich sowie eine Entgeltsteigerung durchsetzten, um die reale Kaufkraft der Beschäftigten zu sichern. Angesichts der geringen Inflationsrate lässt sich der dritte Punkt vermutlich relativ schnell abhaken. „Ohne stabile Kaufkraft kommen wir nicht aus dem Krisental“, meinte Gewerkschaftschef Hofmann.

Arbeitgeber: Es gibt nichts zu verteilen

Allerdings haben die Arbeitgeber bislang jeden Verteilungsspielraum dementiert. Die Metall- und Elektroindustrie leide noch immer stark unter der Pandemie, und trotz der Erholung in China sei eine Rückkehr der Kernbranchen Fahrzeug- und Maschinenbau auf das Vorkrisenniveau erst Mitte des Jahrzehnts zu erwarten, argumentiert Gesamtmetall. „Über eine Million Beschäftigte der Branche sind aktuell in Kurzarbeit. In dieser Lage irgendeinen Verteilungsspielraum zu erkennen, ist beim besten Willen nicht nachvollziehbar“, kommentierte Gesamtmetall die Forderung.

Bei der Suche nach Wegen aus der Krise beweise die IG Metall weniger Kreativität wie bei der Aufstellung eines Verteilungsspielraums. „2018 wollte die IG Metall die Arbeitszeit verkürzen, weil es zu viel zu tun gab. Gibt es zu wenig zu tun, fällt ihr wieder nur die gleiche Lösung ein.“ Tatsächlich vereinbarten Gewerkschaft und Arbeitgeber 2018 ein Wahlrecht: Schichtarbeiter und Beschäftigte mit Kindern konnten sich zwischen zusätzlichen freien Tagen und einer Gehaltserhöhung entscheiden. Der ganz überwiegende Teil der Arbeitnehmer entschied sich für die Zeit.

Zeit statt Geld

Der zunehmende Wunsch nach mehr Freizeit gehört auch zu den Ergebnissen der Beschäftigtenumfrage. So freuten sich mehr als 70 Prozent der Kurzarbeiter über die freie Zeit, was wiederum die IG Metall in der Absicht bestärkt, das Mittel der Arbeitszeitverkürzung zum Zwecke der Beschäftigungssicherung auch in den neuen Tarifvertrag aufnehmen zu wollen. Zwei Drittel der 250 000 Befragten finden die Einführung einer Vier-Tage-Woche wichtig oder sogar sehr wichtig. Dazu dürften die 28 Prozent gehören, die Angst um ihren Arbeitsplatz haben. „Die Coronakrise greift tief in die Lebens- und Arbeitswelt der Beschäftigten ein“, sagte Hofmann.

Dazu wirke die Pandemie „als Brandbeschleuniger für unsere Branchen, die ohnehin in einem tiefgehenden Strukturwandel stecken“. Das betrifft vor allem die Autoindustrie. Bei den direkt in der Fahrzeugproduktion beschäftigten Metallern fürchten 42 Prozent um ihren Job. „Mit verunsicherten Belegschaften kann die Transformation kein Erfolg werden“, sagte Hofmann. „Wandel braucht Sicherheit.“ Dazu soll der neue Tarifvertrag beitragen; die erste Verhandlungsrunde ist in der kommenden Woche.

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