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„Wir stellen ein“. Es geht vorsichtig aufwärts mit der Konjunktur.

© Robert Michael/dpa-Zentralbild

Ifo-Index steigt deutlich: Die Wirtschaft schwankt zwischen Zuversicht und Sorge

Auch wenn jüngste Indikatoren sich positiv entwickeln, warnen Experten. Und es zeigt sich: Die Folgen des Shutdowns sind noch nicht komplett abzusehen.

Die Wirtschaft bestreitet derzeit einen Spagat. Auf der einen Seite zeichnet sich ein Erholungskurs nach dem Lockdown ab, auf der anderen werden immer mehr die Ausmaße des Wirtschaftseinbruchs im Frühjahr deutlich. Wer sich lieber der positiven Lesart anschließen wollte, musste sich am Montag den Ifo-Geschäftsklimaindex anschauen.

Das vom Münchner Ifo-Institut ermittelte Stimmungsbarometer verbesserte sich zum dritten Mal in Folge, was Experten als konjunkturelle Trendwende werten. „Die deutsche Wirtschaft erholt sich schrittweise“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest zu dem Index, für den das Institut monatlich 9000 Unternehmer und Manager befragt und der im Juli auf 90,5 Zähler von 86,3 Punkten im Juni kletterte.

Die Forscher erwarten zudem für das dritte Quartal ein BIP-Wachstum von 6,9 Prozent. Auch die für die deutsche Industrie so wichtige Nachfrage aus dem Ausland ziehe wieder an. Trotz Corona-Pandemie gehe es in vielen Ländern aufwärts, sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe der Nachrichtenagentur Reuters. In Spanien und Italien sei die Industrieproduktion gestiegen, „China floriert ohne Ende“.

Am vergangenen Freitag hatten bereits die Einkaufsmanager-Umfragen des Instituts IHS Markit für Deutschland und für die Euro-Zone eine kräftige Erholung signalisiert. Die Euro-Zone verzeichnet demnach im Juli sogar das stärkste Wirtschaftswachstum seit zwei Jahren.

Bundesbank sieht dramatische Rezession

Auch die Bundesbank sieht die Konjunktur hierzulande im zweiten Halbjahr auf Erholungskurs. Ihr am Montag veröffentlichter Monatsbericht erinnert aber gleichzeitig daran, wie dramatisch der Absturz infolge des Shutdowns war. Für das zweite Quartal zeichne sich demnach „der stärkste Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts seit Beginn der vom Statistischen Bundesamt für den Zeitraum ab dem Jahr 1970 veröffentlichten vierteljährlichen Zeitreihe ab“.

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Schon in den ersten drei Monaten war das BIP mit 2,2 Prozent so stark eingebrochen wie seit der Finanzkrise 2009 nicht mehr – damals lag das Minus im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahr bei 7,9 Prozent. Von Reuters befragte Ökonomen gehen im Mittel davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt dieses Mal im zweiten Quartal um 9,0 Prozent geschrumpft ist. Damit könnte Corona Deutschland in die schwerste Rezession der Nachkriegszeit geworfen haben. Die genauen Konjunkturdaten wird das Statistische Bundesamt am Donnerstag dieser Woche im Rahmen einer Schnellschätzung veröffentlichen.

Chef der Wirtschaftsweisen warnt vor zweiter Welle

Ob die Erholung Bestand hat, wird maßgeblich von der Entwicklung der Pandemie abhängen. „Die wirtschaftliche Erholung in Deutschland ist beträchtlich“, sagte der Chef der Wirtschaftsweisen Lars P. Feld dem „Handelsblatt“. Nach dem extrem tiefen Absturz der Wirtschaftsleistung im April und Mai sei der Weg aus der Rezession aber lang. „Wie die Erholung weitergehen wird, hängt maßgeblich vom Infektionsgeschehen ab.“ Wenn die Zahlen der Neuinfektionen stark steigen würden, könnten erneute Lockdowns die Erholung bremsen, warnte Feld.

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„Was mich nachdenklich stimmt, sind die härteren Maßnahmen etwa in der Schweiz, Österreich und Frankreich, wo die Öffnung teilweise zurückgenommen wird“, sagte der Ökonom weiter. Wirklich besorgniserregend sei aber die Entwicklung in den USA. „Sie könnte auf die Exportwirtschaft durchschlagen. „Ich rate deshalb weiter zur Vorsicht bei Konjunkturprognosen.“

Nach Einschätzung etwa der Bundesbank tragen die massiven Konjunkturhilfen des Bundes zur derzeitigen Erholung maßgeblich bei. Allerdings lösen sie viele Probleme nicht, sondern schieben sie nur auf. So rechnen Experten mit einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen im Herbst. Denn hier kommen mehrere Faktoren zusammen. So greift Ende September die Insolvenzantragspflicht wieder. Zudem ist die folgenlose Stundung von Mieten und Krediten schon jetzt nicht mehr möglich, was zu einer Doppelbelastung durch laufende Kosten und Nachzahlungen führen kann.

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