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Herbert Diess kam 2015 von BMW zu VW und leitet seit April 2018 den Vorstand.

© dpa

Führungskrise bei VW: Herbert Diess muss sich entschuldigen

In zwei Jahren hat der VW-Chef die Beziehung zu Arbeitnehmern und Aktionären schwer beschädigt.

Ob das Herbert Diess retten wird? Der VW-Konzern sah sich am Dienstag veranlasst, Interna aus der Aufsichtsratssitzung vom Montag zu verbreiten. Der Vorstandsvorsitzende habe sich in dem Gremium für Äußerungen gegenüber Führungskräften entschuldigt, mit denen er Aufsichtsräten den Verstoß gegen die Vertraulichkeit und mithin sogar Straftaten vorgeworfen hatte. „Dr. Diess hat sich in aller Form bei den Mitgliedern des Aufsichtsrats für die Äußerungen entschuldigt und erklärt, dass diese unangemessen und falsch waren“, teilte VW nun mit. Der Aufsichtsrat habe die Entschuldigung angenommen und werde Diess „auch künftig bei seiner Arbeit unterstützen“. Aber wie lange noch?

Piech hatte Diess geholt

Der Vertrag des Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen AG, den Ferdinand Piëch 2015 von BMW zu VW geholt hatte und der vor gut zwei Jahren den entscheidungsschwachen Matthias Müller an der Spitze des Konzerns mit670 000 Beschäftigten ablöste, läuft noch drei Jahre. Aber in Wolfsburg wettet niemand einen Kasten Bier darauf, dass Diess auch 2023 noch im VW-Hochhaus am Mittellandkanal sitz. Es ist zu viel passiert in den letzten Monaten.

Mit den Arbeitnehmervertretern und dem mächtigen Betriebsratschef Bernd Osterloh war es schon immer schwierig. Doch dann verlor der Vorstandschef zunehmend Vertrauen unter den eigenen Führungskräften, die sich sogar beim Betriebsrat über ihn beschwerten. Und nun auch noch der Aufsichtsrat, an dessen Spitze der langjährige VW-Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch sitzt, flankiert von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, dem IG Metall-Vorsitzenden Jörg Hofmann und Großaktionär Wolfgang Porsche.

Teilentmachtung bei der Marke VW

Am Montag hatte der Aufsichtsrat eine Teilentmachtung beschlossen: Konzernchef Diess musste die Verantwortung für die Führung der Kernmarke VW Pkw an den bisherigen Chief Operating Officer Ralf Brandstätter abgeben. Diess „erhält damit mehr Freiraum für seine Aufgaben als Konzernchef“, lautete die offizielle Begründung. Faktisch ist die Autorität des Chefs dahin - und der Abgang wohl nur eine Frage der Zeit. Mit Porsche-Chef Oliver Blume, gerade 52 Jahre alt geworden, steht ein Nachfolger bereit. Manche hatten im ersten Schritt Blumes Bestellung zum VW-Markenchef erwartet. Doch Blume soll Porsche noch durch die Coronazeit steuern, und sich auch nicht mit Diess in der Wolfsburger Zentrale aufreiben. Eine ewige Hängepartie werde es mit Diess aber auch nicht geben, da ist man sich sicher im Konzern.

Arbeitnehmer schreiben an die Führung

Der forsche Auftritt und Nachlässigkeiten sowie falsche Prioritäten haben Diess scheitern lassen. Zwar wird allenthalben gewürdigt, wie er den Riesenkonzern mit seinen vielen Marken auf rein batterieelektrische Fahrzeuge hin orientiert. Die Strategie ist klar. Doch die Tücken im Alltagsgeschäft unterschätzte der 62-Jährige. Und hat dadurch zunehmend die eigenen Leute gegen sich aufgebracht.
Ende Februar schrieben die Betriebsräte an die Konzernspitze und artikulierten ihre Sorge über bestimmte Projekte und Prozesse. Ende Mai legten die so genannten Vertrauenskörperleitungen der elf deutschen VW-Werke nach: „Sehr geehrter Vorstandsvorsitzender Dr. Diess, Sie tragen die Verantwortung für diese aktuelle Situation, die uns nicht mehr ruhig schlafen lässt.“

Der neue Golf kommt später

Konkret geht es seit Monaten um zwei Kernprojekte: Die Markteinführungen des Golf VIII und der neuen Elektroautos unter dem Label ID, mit denen VW eine neue Markenfamilie aufbauen will. Es hakt an allen Ecken und Enden, vor allem Softwareprobleme bekommen die Wolfsburger kaum bewältigt. Schon in der Vergangenheit, etwa bei der Vorbereitung auf die neuen Abgastests (WLTP), „hat es das Management nicht rechtzeitig in den Griff bekommen, die Produkten an den Start zu bringen - und der Vorstand zuckte nur mit den Schultern“, schreiben die Vertrauensleute aus den Fabriken an die „Damen und Herren im Aufsichtsrat und Vorstand“.

Der Vorstandschef wird direkt angegangen, unter anderem wegen Rassismusvorwürfen aufgrund eines Werbeclips und mit Verweis auf eine Formulierung von Diess zur Bedeutung des Gewinns/Ebits und der Behauptung, er wissen nichts von Repressionen gegen Uiguren im Umfeld einer chinesischen VW-Fabrik. „Kommunikationspannen um die Schlagworte ,Ebit macht frei’, Uiguren und den Golf-Anlauf und seine Werbung gefährden Unternehmenswohl und Arbeitsplätze.“ Die Arbeitnehmvertreter konstatieren verloren gegangenes Vertrauen gegenüber Belegschaft und Kunden. Das gab es vor knapp 15 Jahre schon einmal in Wolfsburg; kurz darauf wurde der damalige Vorstandsvorsitzende Bernd Pischetsrieder durch Audi-Chef Martin Winterkorn ersetzt.

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