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Auch Aktivisten geht der Kohleausstieg nicht weit genug. Sie besetzten deswegen Anfang Februar Datteln 4.

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Exklusiv

Kein Datteln 4: Grüne wollen Kohleausstieg im Bundesrat noch verändern

Die Bundesländer mit grüner Regierungsbeteiligung wollen Donnerstagabend in der Länderkammer den Kohleausstieg korrigieren. Er ist ihnen nicht konsequent genug.

Die Grünen sind auf Bundesebene zwar nicht in Regierungsverantwortung, haben bei Gesetzesvorhaben aber trotzdem ein gewichtiges Wort mitzureden. Dank ihrer starken Präsenz in den Landesregierungen können sie über den Bundesrat Entwürfe blockieren und mitgestalten, wie sich beim Klimapaket im Dezember gezeigt hat. Im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag setzten die Grünen durch, dass der CO2-Einstiegspreis im Wärme- und Verkehrssektor ab 2021 von zehn auf 25 Euro je Tonne angehoben wurde. 

Ihren Einfluss wollen die Grünen nun wieder nutzen, um das Kohleausstiegsgesetz der Bundesregierung in entscheidenden Punkten zu korrigieren. Sie fordern, dass mit dem Gesetz die Empfehlungen der Kohlekommission eins zu eins umgesetzt werden und so unter anderem kein neues Steinkohlekraftwerk mehr ans Netz geht. Das zeigt ein gemeinsamer Antrag der zehn Länder mit grüner Regierungsbeteiligung, der am heutigen Donnerstag im Umweltausschuss des Bundesrates beraten wird und Tagesspiegel Background vorliegt. Der Kohlegesetzentwurf der Bundesregierung vom 29. Januar soll am Freitag den 13. März von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Am Vorabend treffen sich Bund und Länder zum Energie-Sondergipfel im Kanzleramt. 

Gerade in Bezug auf Klimaschutzwirkung und Emissionsminderungen folge der Entwurf nicht den Ergebnissen der Kommission, beklagen die zehn Länder. Insbesondere würden die Emissionen nicht stetig reduziert, was auch die Kommission-Mitglieder scharf kritisierten. Die Folge sei, dass mit Mehremissionen von rund 130 Millionen Tonnen CO2 zu rechnen sei. Die geplante Inbetriebnahme des Steinkohle-Kraftwerksblocks „Datteln 4“ von Uniper in Nordrhein-Westfalen lehnen die Länder strikt ab. „Es ist schwer vermittelbar, dass im Jahr 2020 ein neues Kohlekraftwerk in Betrieb genommen werden soll“, heißt es in ihrem Antrag. 

Steinkohle soll mehr Geld bekommen 

Außerdem dürfe es nicht zu einer systematischen Ungleichbehandlung von Braun- und Steinkohle kommen. Denn während die Betreiber der Braunkohlekraftwerke ihre Entschädigungen mit dem Bund bilateral aushandeln, werden die Stilllegungsprämien für Steinkohle-Anlagen in Ausschreibungen ermittelt – und das auch nur bis 2027. Ab dann werden die Kraftwerke entschädigungslos stillgelegt. Aus Sicht der grünen Länder sollten die Ausschreibungen bis 2030 verlängert werden. Stilllegungen per Gesetz in diesem Zeitraum seien zwingend zu entschädigen. Das hatte unter anderem der Stadtwerkeverband VKU gefordert. Für heute Abend hat das Bundeswirtschaftsministerium die Steinkohle-Betreiber zum Spitzentreffen eingeladen. 

Kritisch sehen die Grünen auch den geplanten Kohleersatzbonus von 180 Euro je Kilowatt installierter Leistung, mit dem die Umrüstung auf Gas angereizt werden soll. Dabei müsse regional differenziert geprüft werden, inwieweit die Höhe des Bonus' und die Dauer der Zahlung erforderlich seien, um die nötige Anreizwirkung zu entfalten. Zu beachten sei, dass der Brennstoffwechsel („Fuel Switch“) von Kohle zu Gas in einigen Fällen einen aufwändigen Ausbau der Gasinfrastruktur nach sich ziehe. Gerade in Süddeutschland zeichnen sich nach Branchenangaben Schwierigkeiten bei der Gasversorgung ab. 

Das Steinkohlekraftwerk Moorburg.
Das Steinkohlekraftwerk Moorburg.

© dpa

Weil die Kohlekraftwerke heute einen Großteil der deutschen Wärmeversorgung mit übernehmen, setzen sich die Kohlekommission und die Länder für eine stärkere Förderung moderner, flexibler Strom- Wärme-Systeme ein. Dazu zählen sie neben CO2-armen KWK-Anlagen auch Speicher, Fernwärmenetze, Wärmepumpen sowie Solar- und Geothermieanlagen.

Die Bundesregierung möge für KWK ein Ausbauziel für 2030 festlegen und den Förderdeckel von 1,5 Milliarden Euro im KWK-Gesetz streichen oder angemessen anheben. Für den Einsatz erneuerbarer Energien in der Fernwärmeversorgung solle sie ebenfalls ein Ausbauziel festlegen, fordern die grünen Bundesländer.   

EEG-Änderungen besonders eilbedürftig 

Parallel zum Ausstiegsplan für die Kohle solle das im Koalitionsvertrag formulierte Ziel, den Ökostromanteil bis 2030 auf 65 Prozent zu steigern, in dem Gesetz festgeschrieben werden. Daraus würden sich drei Änderungen am Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ergeben, die laut Antrag „weitestgehend ausdiskutiert sind und deren Umsetzung besonders eilbedürftig ist“. Dabei handelt es sich um die Aufhebung des Förderdeckels für PV-Dachanlagen, eine Neuregelung zur Privilegierung von Bürgerenergiegesellschaften sowie einen Vorschlag zur finanziellen Beteiligung von Kommunen an Windparks.   

Deutliche Kritik muss die Bundesregierung für die Art und Weise der Konsultation ihres Entwurfs einstecken, nicht nur von den Ländern, sondern auch vom Normenkontrollrat. Das unabhängige Beratergremium der Regierung kritisiert in seiner Stellungnahme die kurzen Fristen zur Beteiligung der anderen Ministerien, der Länder und Verbände von jeweils nur zwei Tagen. „Die Beteiligten sind im Rahmen dieser kurzen Fristen nicht in der Lage, den Regelungsentwurf ausreichend zu prüfen“, erklärt der Rat. 

Steven Hanke

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