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Stromfresser. Ein Festival wie das Melt, auf dem in der Baggerstadt Ferropolis bei Gräfenhainichen Elektro- und Rockbands spielen, hat die CO2-Bilanz einer Kleinstadt.

© ddp

Green Music Initiative: Umweltfreundliche Popmusik: Laut und grün

CD-Hüllen aus Plastik schaden der Umwelt, Downloads aber leider auch. Eine Berliner Initiative will die Popmusik umweltfreundlicher machen – ohne dass der Spaß leidet.

Berlin - Ein Festivalbesuch verursacht 40 Kilogramm CO2 pro Kopf und pro Tag, eine CD schlägt mit immer noch einem Kilogramm zu Buche: Als Musikliebhaber hinterlässt man im Laufe seines Lebens einen beachtlichen Kohlendioxid-Fußabdruck. Den wenigsten ist das bewusst.

Das will Jacob Bilabel, Gründer der Green Music Initiative, ändern. Die Initiative hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Nachhaltigkeit in der Musik- und Entertainmentbranche zu verbessern. Gemeinsam mit seinen Kollegen und im Dialog mit Umweltverbänden und Musikindustrie hat er ein Nachhaltigkeitskonzept für die Berlin Music Week, zu der auch die Popkomm gehört, entwickelt. Danach soll der Strom, der bei der Musikmesse verbraucht wird, im Jahr 2020 zur Hälfte aus Ökostrom bestehen. Zudem soll der Energieverbrauch insgesamt um 30 Prozent sinken.

Einige Vorschläge der Initiative konnten schon in diesem Jahr ungesetzt werden. So haben die Veranstalter versucht, die im Messebau üblichen Müllberge zu vermeiden. Die Messestände sind allesamt wiederverwendbar, und werden nicht, wie sonst üblich, nach dem Ende der Veranstaltung entsorgt. Die Banner mit dem Messe-Logo sollen als Material für die Taschen dienen, die im nächsten Jahr an die Messebesucher verteilt werden.

Für Daniel Barkowski, Direktor der Popkomm, ist die Messe eine „ideale Plattform“, um den Gedanken der Nachhaltigkeit zu kommunizieren. Von den Ideen der Green Music Initiative zeigt sich Barkowski begeistert. Man habe bewusst keine großen Parkmöglichkeiten geschaffen, jeder, der ein Popkomm-Ticket habe, könne auch die BVG benutzen. Bei der Eröffnungsfeier der Popkomm wurden der versammelten Prominenz vegetarische und regionale Speisen serviert.

Finja Götz, Event-Managerin des Berlin Festivals, das ebenfalls zur Messe gehört, fühlte sich von dem Thema zunächst einmal überfordert: „Da gibt es so viel Potential und vieles ist zunächst so undurchsichtig“. Sie habe jedoch im Gespräch mit den verschiedenen Projektteilnehmern das Gefühl bekommen, man könne „viel voneinander lernen“.

Bilabel und seine Kollegen haben auch schon andere Veranstaltungen beraten, zum Beispiel das Melt-Festival, das jeden Sommer in Sachsen-Anhalt stattfindet. Eine solche Veranstaltung sei eine besondere Herausforderung für das Klima, sagt Bilabel: „Ein Festival hat den CO2-Fußabdruck einer Kleinstadt“.

Auf Anraten der Green Music Initiative wurde auch die Bühne des Berlin Festivals zu 90 Prozent mit LED-Leuchten ausgestattet, was laut Bilabel mindestens 35 Prozent der Energie einer gewöhnlichen Lichtanlage einspart. Für ihn ist es wichtig zu zeigen, dass Klimaverträglichkeit „hell, laut und lustig“ sein kann. „Der Künstler muss genauso viel glühen, verbrennen, verfeuern können, wir müssen nur Innovationen generieren, um dies möglich zu machen.“

Für eine Branche, die, in Bilabels Worten „mit brutalen Umsatzrückgängen zu kämpfen hat“, sei es besonders wichtig, beim Klimaschutz eine Vorreiterrolle einzunehmen. Der ehemalige Manager der Plattenfirma Universal macht sich Sorgen, dass die Musikindustrie auf das Thema Klimaschutz genauso verspätet reagieren könnten wie auf das Thema Digitalisierung. „Klimaverträglichkeit bedeutet nicht nur Verantwortung für die Umwelt zu übernehmen, sondern auch Verantwortung für sein Geschäft.“ Trotz der Konkurrenz durch Downloads wurden im Jahr 2008 immerhin 169 Millionen CDs in Deutschland verkauft. Besonders schädlich für die Umwelt sind die in der Branche als Jewel Cases bekannten Plastikverpackungen der Tonträger. Aber auch wer seine Musik aus dem Internet herunterlädt, verbraucht viel Energie, weil die Computer ohne Strom nicht laufen.

Bei den Clubs sieht Bilabel ebenfalls Handlungsbedarf. So verbraucht ein Club der Größe des Berliner Tresors jährlich etwa 150 000 Kilowattstunden Strom. Zum Vergleich: bei einem Zwei-Personen-Haushalt sind es etwa dreieinhalbtausend.

Bilabel ist dennoch überzeugt, dass gerade die Musikindustrie etwas verändern kann. Wie keine andere Branche sei sie in der Lage, „Träume, Utopien und Rollenmodelle“ zu prägen.

Stephanie Kirchner

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