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Abgeblockt. Die EU-Kommission steht nicht geschlossen hinter dem Vorschlag ihrer Kollegin Viviane Reding.

© dpa

Gleichstellung: Kommt die Frauenquote light?

Erst Ideologieschlacht, dann Friedensangebot: EU-Kommissarin Viviane Reding schwächt den Gesetzentwurf zur Frauenquote in Unternehmen ab.

Einen so tiefen Einblick in ihre eigene Zerrissenheit gewährt die Europäische Kommission selten. Als das Gremium am Dienstagnachmittag über eine europaweit verbindliche Frauenquote in Aufsichtsräten debattiert, prallen die Ansichten frontal aufeinander. Kommissare wie Olli Rehn, Michel Barnier oder Dacian Ciolos unterstützen den Gesetzesvorschlag der Luxemburger Kollegin Viviane Reding offensiv. Der Pole Janusz Lewandowski und die Niederländerin Neelie Kroes positionieren sich klar dagegen; viele andere äußerten sich zumindest skeptisch. „Ideologiekampf“, lautet eine Handy-Kurznachricht aus dem Sitzungssaal der Kommission im Winston-Churchill-Gebäude des Straßburger Europaparlament.

Am Ende steht eine Vertagung, die freilich mehr einem Scheitern ähnelt. Redings bereits seit mehreren Wochen bekannter Vorschlag für eine vom Jahr 2020 an verbindliche Quote von 40 Prozent, die das „jeweils unterrepräsentierte Geschlecht“ erreichen muss, ist im Gremium nicht mehrheitsfähig.

Die Bedenken richten sich, wie Teilnehmer der Sitzung anschließend berichten, vor allem gegen die feste Zahl und die Tatsache, dass nicht wenige EU-Staaten die Unterscheidung zwischen Aufsichtsrat und Vorstand gar nicht kennen. Eine Gesetzesregelung beträfe daher auch das operative Geschäft, in das Reding gar nicht eingreifen wollte.

Indirekt greifen die kommissionsinternen Gegner auch die Kritik von neun EU-Staaten auf, die sich in einem Brief an Redings Chef José Manuel Barroso klar gegen eine EU-Regelung zur Frauenförderung ausgesprochen hatten. „Jede zielgerichtete Maßnahme in diesem Bereich muss auf nationaler Ebene beschlossen und umgesetzt werden“, hatten die Minister aus Großbritannien, Dänemark, Bulgarien, Tschechien, Estland, Ungarn, Litauen, Lettland und Malta gefordert. Die Bundesregierung unterzeichnete das Schreiben nicht.

„Es besteht Konsens, dass wir etwas Starkes brauchen, um den Anteil von Frauen in Aufsichtsräten zu steigern“, so Reding nach der Sitzung: „Worüber diskutiert wurde, war die Frage, welchen Weg beschreiten, um dahin zu kommen.“ Die EU-Grundrechtekommissarin tritt damit nicht den vollständigen Rückzug an, wohl aber hat sie den Kollegen ein Friedensangebot gemacht. „Ich habe einen Kompromissvorschlag unterbreitet, der nun geprüft wird.“ Ein Grund für die Vertagung soll zudem gewesen sein, dass in der Sitzung nur 20 von 27 Kommissaren anwesend waren. Noch vor Ende November werde definitiv abgestimmt, soll Barroso Teilnehmern zufolge in der Sitzung gesagt haben.

Das Kompromissangebot krempelt die bisherige Systematik radikal um. Statt der festen Zielvorgabe, im Jahr 2020 bei 40 Prozent landen zu müssen, werden die Unternehmen, die diese Quote nicht erreichen, auf bestimmte Kriterien bei der Personalsuche verpflichtet. „Herzstück ist das Auswahlverfahren“, heißt es in der EU-Kommission - also nicht mehr die Quote selbst – „und Vorrang hat die Qualifikation“. Eine Frau muss demnach nur dann eingestellt werden, wenn sie ebenso befähigt ist wie männliche Konkurrenten. Einen skeptischen Kommissar hat Viviane Reding nach Angaben aus Diplomatenkreisen schon überzeugen können: Günther Oettinger. „Es wäre schade“, sagt dagegen die SPD-Europaabgeordnete Kerstin Westphal, „wenn Mitte November eine ‚Frauenquote light’ präsentiert würde“. Doch danach sieht es aus.

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