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Ein E-Scooter liegt achtlos auf einem Grünstreifen an einer Straße.

© Imago/T. Seeliger/Bearbeitung Tagesspiegel

Fusionen, Pleiten, strengere Regeln: Steht das E-Scooter-Sharing vor dem Aus?

Viele ärgern sich über achtlos abgestellte Leih-Roller in Städten, Paris sprach gar ein Verbot aus. Insgesamt steht die Branche unter Druck. Drei Experten geben eine Einschätzung, wie es weitergeht.

Von
  • Kersten Heineke
  • Mark Hoelling
  • Helmut Dedy

Wegen eines harten Konkurrenzkampfes und immer schärferer Regulierungen in einigen europäischen Städten steht die E-Scooter-Branche unter Druck. Zuletzt gab etwa der Berliner Anbieter Tier bekannt, dass er mit dem niederländisch-französischen Wettbewerber Dott fusionieren werde.

Viele stehen den achtlos abgestellten elektrischen Leih-Tretrollern negativ gegenüber. Paris verbannte sie vergangenes Jahr komplett von seinen Straßen. Was wird aus den E-Scootern? Verschwinden sie bald aus dem Stadtbild? Drei Experten schätzen die Lage ein. Alle Folgen unserer Serie „3 auf 1“ finden Sie hier.


Deutsche Städte wollen kein Verbot

E-Scooter-Verleih ist ein Geschäftsmodell. Ob es ein funktionierendes Geschäftsmodell ist, entscheiden unterm Strich die Menschen in den Städten. Der Verkehrsmix der Zukunft in der Stadt wird bunter sein, vielfältiger. Es ist gut, neue Verkehrsangebote zu erproben. Ob E-Scooter aber einen echten Beitrag für eine klimaneutrale Mobilitätswende leisten? Bisher nicht.

Für die so genannte letzte Meile, also zum Beispiel die Strecke von der Haltestelle zur eigenen Haustür, zeigen Studien: E-Scooter ersetzen dort sogar oft den viel umweltfreundlicheren Fuß- und Radverkehr. Und sie sorgen nicht selten für Unmut: wenn sie achtlos abgestellt werden, wenn sich Nutzerinnen und Nutzer nicht an die Verkehrsregeln halten oder wenn Scooter parkende Autos beschädigen und niemand die Verantwortung dafür übernimmt.

Die Städte in Deutschland wollen kein Verbot wie in Paris. Klar muss aber sein: Die Verleiher betreiben ihr Geschäftsmodell im öffentlichen Raum. Dafür braucht es klare Spielregeln und mehr Entscheidungsspielraum für die Städte.


Eine bedeutendere Rolle spielen private E-Scooter

E-Scooter-Sharing steht nicht vor dem Aus, wird sich jedoch in Umfang und Ausgestaltung anpassen. Die fehlende Gesamtprofitabilität zeigt grundsätzliche Probleme im Geschäftsmodell wie auch beim Bedarf. Zusammen mit Pedelec-Sharing werden die Roller in kleineren Flotten bleiben, jedoch zunehmend reguliert werden – mit besseren Abstellflächen und absehbar mit nur zwei bis drei großen Anbietern.

Die letzte Meile und kurze Gelegenheitsfahrten sind die Stärke von Sharing, auch beim Lückenschluss in der Haltestellendichte des ÖPNV. Eine bedeutendere Rolle spielen schon heute private E-Scooter, von denen rund viermal so viele wie geteilte in Deutschland unterwegs sind. Die Privat-Fahrzeuge ersetzen pro Fahrt dreimal so viele Pkw-Fahrten wie die geteilten.

Bei den mehr als hundert erhältlichen Modellen haben sich längst Klassen etabliert. Die meisten Fahrzeuge haben Reichweiten, die sie vom Letzte-Meile- zum täglichen Vollstreckenfahrzeug gemacht haben. Daneben gibt es die Sport- und nicht zuletzt die Ultraleicht-Klasse, die besonders bequem in Bus und Bahn beim Pendeln mitgenommen werden kann.


Die aktuelle Konsolidierungsphase ist völlig normal

Das E-Scooter-Sharing befindet sich in der Konsolidierungsphase. Eine solche Phase ist – wie bei vielen neu entstehenden Branchen – völlig normal und war bei der sehr hohen Anzahl von Anbietern auch von vornherein abzusehen. Das aktuell schwierige Finanzierungsumfeld beschleunigt diese Konsolidierung noch einmal.

Wichtig ist: Unterm Strich leisten E-Scooter einen positiven Beitrag zur urbanen, emissionsfreien Mobilität. Je nach Stadt ersetzt bis zu jeder zweite Trip mit einem E-Scooter eine Autofahrt. In vielen Städten sind E-Scooter auch eine sehr gute Ergänzung für den öffentlichen Personennahverkehr.

E-Scooter werden also nicht verschwinden; aber die Landschaft wird sich verändern. Die Zahl der Unternehmen, die insgesamt und pro Stadt aktiv sind, wird kleiner werden. Auch die Rahmenbedingungen, unter denen Sharing-Dienste betrieben werden können, werden enger. Beides verbessert die Wirtschaftlichkeit für die Unternehmen und beschleunigt den Weg zur Profitabilität.

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