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Bungee-Jumping und Fallschirmspringen gehören mit zu den beliebtesten Erlebnisgutscheinen. Foto: Oliver Furrer/Mauritius

© Mauritius

Erlebnisgeschenke: Für das Kind im Manne

Auf dem Markt für Erlebnisgeschenke gibt es inzwischen ein paar tausend Events - vor allem Action für Männer.

Der Mann könnte bei Indiana Jones mitmachen. Glatter Schädel, schickes Bärtchen, ein Körper wie ein Stuntman. Jochen Schweizer war das auch vor 30 Jahren. Inzwischen macht der 59-Jährige Geschäfte mit den Stunts anderer. Schweizer hilft den Leuten, ihre Freizeit auf ungewöhnliche Weise zu gestalten. Unter dem Motto „Du bist, was du erlebst“ hat der Unternehmer mit seinem Firmenverbund inzwischen mehr als 2300 „Premium-Erlebnisse“ zum Verschenken im Programm. „Wir sind ständig auf der Suche nach neuen und spannenden Erlebnissen“, sagt der Market-Maker.

Im Geschäft mit den besonderen Erlebnissen müssen die Anbieter ständig nachladen, denn das Ungewöhnliche wird bald gewöhnlich. Also langweilig. Doch bislang kennt der Markt nur die Richtung nach oben. Schweizers Konkurrent Mydays, der für sich – ebenso wie Schweizer – die Marktführerschaft im Erlebnisgeschenkegeschäft reklamiert, sieht in Deutschland „einen starken Trend zum gemeinsamen Erleben“. Vor zehn Jahren gab es das kaum, 2016 setzen die Eventagenturen mehr als 500 Millionen Euro um. Und so richtig heben die Umsätze in diesen Wochen vor Weihnachten ab.

Erinnerungen als unvergängliches Geschenk

Die Mydays-Bestseller in diesem Jahr sind Koch-Events wie Krimidinner, „außergewöhnliche Übernachtungserlebnisse“ wie Romantikwochenenden und natürlich die Klassiker unter den kleinen Abenteuern für gelangweilte Wohlstandskinder: Fallschirmspringen und Quad-Fahren. Auch Gutscheine für das Fliegen eines Helikopters werden in diesen Tagen gerne verschenkt. Der Beschenkte steuert den Hubschrauber selber, damit das Abenteuer echt und aufregend ist und das Erlebnis unvergesslich bleibt.

Das ist der Kern des Geschäfts – und die Philosophie Jochen Schweizers, der des Volkes Seelenlage kennt: „Gegenständlicher Konsum macht nur vorübergehend glücklich.“ Ganz anders Erlebnisse beziehungsweise die Erlebnis-Erinnerungen, die Schweizer zufolge unvergänglich sind. „Und damit auch die Erinnerung an den, der sie verschenkt hat.“ Wenn das so ist, und „gemeinsame Erlebnisse der Kitt jeder sozialen Beziehung sind“ (Zitat Schweizer), dann kennt der Markt der Freizeitevents keine Grenzen.

Die Kollegen von Mydays sprechen von einer „Erinnerungs-Garantie“ durch „unvergessliche positive“ Erlebnisse, die ihren Preis haben dürfen. Zum Beispiel 69 Euro für ein dreieinhalbstündiges Krimi-Abendessen in einem Lokal am Potsdamer Platz. Oder ein Candle Light Dinner in Wilmersdorf für schlappe 99 Euro für zwei Personen. Quad-Fahren in Zossen steht für 79 Euro im Angebot, einen Tandemsprung im brandenburgischen Gransee gibt es für 199 Euro; 30 bis 60 Sekunden ist der Freizeitflieger in der Luft. Dann vielleicht doch lieber ein „typisches Berliner Menü inklusive Aperitiv“ für 18,50 Euro. Klingt nach Bulette mit Mischgemüse, Molle und Korn.

Frauen überlegen sich kreativere Geschenke

Es gibt nichts, was es nicht gibt in der Welt der Freizeitgestalter. Vor allem für Männer wird einiges geboten: Auto zertrümmern in Lüdenscheid, 60 Minuten für 99 Euro. Baggerfahren ist ab 99 Euro möglich, und ein ganz besonderes Vergnügen lockt echte Kerle ins sachsen-anhaltinische Mahlwinkel. Der Schützenpanzer BMP1 kann hier eine Stunde durchs Gelände bewegt werden, für 160 Euro. Hier kommt womöglich das zur Geltung, was die Mydays-Strategen ihren Kunden unterstellen: „Sie möchten mit ihrem Erlebnisgeschenk dem anderen nicht nur Freude bereiten, sondern auch eine ganz persönliche Botschaft vermitteln.“

Vielleicht sind es gerade Panzerfahrten, die Frauen ihren Männern schenken. Denn Frauen, das hat zumindest Jochen Schweizer festgestellt, „sind die kreativeren Schenker und beschenken oft das Kind im Manne“. Es wundert nicht, das solche Geschenke „meist actionbeladene Erlebnisse sind“, wie Schweizer sagt. Also alles Mögliche rund ums Fahren, Springen, Fliegen und Zertrümmern.

Früher war Jochen Schweizer Stuntman

Als „Adrenalinjunkie“ wurde Jochen Schweizer einmal beschrieben. 1958 im badischen Ettlingen geboren, hielt sich Schweizer nach dem Abitur eine Weile in Afrika auf, wo er für die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit Transporte abwickelte. In den 1980er Jahren verdiente er sein Geld als Stuntman, unter anderem im Bogner-Streifen „Feuer, Eis & Dynamit“.

Mitte der 80er startete er mit einer Eventagentur und betrieb dann die ersten stationären Bungee-Jumping-Anlagen. Eine Zäsur war der Tod eines Kunden in Dortmund 2003, bei dessen Bungee-Sprung das Seil riss. Schweizer konzentrierte sich danach mehr auf den Handel mit Erlebnissen, schrieb Bücher („Warum Menschen fliegen können müssen“) und trat in der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ als einer der Löwen auf, die Geschäftsideen gutheißen oder zerreißen.

Die Jochen Schweizer Holding umfasst inzwischen 16 Unternehmen mit mehr als 550 Mitarbeitern. Eine der Firmen betreibt demnächst die „Jochen Schweizer Arena“ im Süden von München und das „VOLT“ in der Nähe des Berliner Alexanderplatzes – hier verspricht das Nebeneinander von „Einzelhandels-Markenwelten, Gastronomie- und Hotelbetrieb mit einzigartigen Erlebnisangeboten wie der Citywave und unserem Windtunnel“ tolle Geschäfte. Denn wenn die materiellen Bedürfnisse weitgehend befriedigt sind und viel Zeit irgendwie genutzt werden musst, dreht sich immer mehr um Spiel, Spaß und Spannung. Damit das Leben nicht zu langweilig wird.

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