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Die direkt vom Lockdown betroffenen Branchen machen nur rund 2 Prozent des BIP aus.

© imago images/Rupert Oberhäuser

Folgen der Lockdown-Verlängerung: Die zweite Rezession schleicht sich an

Die Wirtschaft hatte sich gerade erholt, da begann die zweite Lockdown-Welle. Die Hoffnung lastet auf dem Geschäft mit Asien - und ganz bestimmten zwei Prozent.

Für Claus Michelsen ist es nur eine Frage des „wie“, nicht des „ob“. „Die deutsche Wirtschaft bricht zum Jahresende nach der Erholung im Sommer wieder ein“, prognostizierte der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) am Donnerstag in Berlin. „Die Frage ist nur, wie stark.“

Das hänge maßgeblich vom Verlauf der Pandemie und von der Dauer des Lockdowns ab. Da die Beschränkungen bisher weniger weitreichend seien als im Frühjahr, dürften die Folgen milder sein. „Außerdem profitieren wir vielerorts von den Erfahrungen im Umgang mit dem Virus“, sagte Michelsen. Im Schlussquartal des Jahres rechnet das DIW insgesamt mit einem Minus des Bruttosozialprodukts (BIP) von mindestens einem Prozent.

Am Mittwoch hatten sich der Bund und die Länder auf eine Verlängerung des Lockdowns geeinigt, der es zahlreichen Branchen verbietet, ihren Geschäften nachzugehen. Unter anderem Restaurants, Hotels, Kinos und Fitnessstudios bleiben weiter geschlossen; die entsprechenden Umsatzerstattungen sollen dem Vernehmen nach weiter gewährt werden. Vor allem der Einzelhandel zeigt sich aber über die strengeren Auflagen zu den maximalen Personenzahlen pro Geschäft empört.

"Ein Lockdown kostet viel Geld"

Doch auch die Gesamtwirtschaft wird durch den Teil-Lockdown in Mitleidenschaft gezogen, meint Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Auch er rechnet mit einem Minus von einem Prozent in den letzten drei Monaten des Jahres. Auch das erste Quartal 2021 dürfte größtenteils von einem Lockdown betroffen sein. Die Commerzbank erwartet daher eine technische Rezession im Winterhalbjahr – also zwei Negativ-Quartale in Folge. „Man darf sich keine Illusionen machen: Ein Lockdown kostet viel Geld“, sagte Krämer.

Auch beim Industrieverband BDI sieht man die neuen Maßnahmen kritisch. Dessen Präsident, Dieter Kempf, bemängelte den fehlenden Planungshorizont. „Die Luft wird im Winter für immer mehr Unternehmer dünner. Die schwersten Gefahren für die ökonomische Gesundung im kommenden Jahr liegen in großflächigen Betriebsschließungen.“ Ähnlich äußerte sich Sarna Röser vom Verband der Jungunternehmer: „Vielen Firmen droht irreparabler Schaden. Neben schnellen und praktikablen Entschädigungen brauchen die Unternehmen jetzt auch eine längerfristige Perspektive.“

Die Wirtschaft war auf einem guten Weg

Im dritten Quartal hatte sich die deutsche Konjunktur kräftig erholt. Im Vergleich zum Zeitraum zwischen April und Juni war ein Plus von 8,2 Prozent erwirtschaftet worden. Allerdings lag das Niveau gut vier Prozent unter dem Vorjahreswert; im zweiten Quartal war das BIP gar 11,2 Prozent im Vergleich zu 2019 eingebrochen. Von diesem niedrigen Niveau wird es nun also noch einmal bergab gehen. Bislang rechnet die Bundesregierung für 2021 insgesamt mit einem Plus von 4,4 Prozent.

Diese Rechnung entstammt allerdings der Zeit vor den beiden Teil-Lockdowns. Dass diese zu einer erneuten Rezession, wie schon im zweiten und dritten Quartal, führen könnten, wurde von der Bundesregierung angesichts der anderen offenen Corona-Baustellen bislang kaum thematisiert.

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Tatsächlich waren die Unternehmen auf einem guten Weg. Die Umsätze der deutschen Wirtschaft hatten vor Beginn des Teil-Lockdowns im November nahezu wieder ihr Vorkrisenniveau erreicht. Industrie, Bau sowie Handel und Dienstleistungen nahmen im Oktober saison- und kalenderbereinigt 1,5 Prozent mehr ein als im Vormonat. Der Umsatz habe damit nur 0,3 Prozent niedriger gelegen als im Februar, dem Monat vor Beginn der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie in Deutschland, teilte das Statistische Bundesamt mit.

Hoffnung auf das Geschäft mit Asien

Was die deutsche Wirtschaft ebenfalls trifft, sind die Maßnahmen im Ausland. Viele wichtige Handelspartner in Europa haben ebenfalls Beschränkungen verhängt, was die Nachfrage nach Waren „Made in Germany“ bremsen dürfte. Die Exporterwartungen der Industrie fielen deshalb im November auf den niedrigsten Stand seit einem halben Jahr, fand das Ifo-Institut bei seiner Umfrage unter 2300 Unternehmen heraus. Einen deutlichen Dämpfer beim künftigen Auslandsgeschäft erwartet etwa die Autobranche.

Bei den Kunden sinkt die Kauflaune ebenfalls. Die Verbraucherstimmung hat sich angesichts des Teil-Lockdowns im November weiter eingetrübt. Für Dezember prognostizierte das Marktforschungsinstitut GfK am Donnerstag einen Wert von minus 6,7 Punkten und damit 3,5 Punkte weniger als im Vormonat. Rückläufig sind nach Einschätzung des Instituts sowohl die Konjunktur- und Einkommenserwartungen als auch die Anschaffungsneigung. Gerade vor dem für viele Branchen wichtigen Weihnachtsgeschäft ist dieser Wert ein Alarmsignal.

Hoffnung, dass der Teil-Lockdown die Volkswirtschaft aber doch nicht allzu sehr ins Straucheln bringt, macht das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Den Ökonomen zufolge tragen die direkt betroffenen Branchen nämlich nur zwei Prozent zum BIP bei, der ebenfalls stark betroffene Freizeitsektor noch weniger. Laufen die Exporte nach Asien gut, wo die Wirtschaft wieder deutlich anzieht, und bleibt die Bauwirtschaft so gefragt, halten es die IMK-Ökonomen nicht für ausgeschlossen, dass am Ende des vierten Quartals doch ein Plus steht. (mit rtr)

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