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Opel-Verkauf: Folgen der GM-Absage

Der US-Autobauer General Motors hat den Verkauf seiner deutschen Tochter Opel offiziell abgeblasen. Welche Konsequenzen hat die Entscheidung?

Entsetzen, Wut und Empörung herrschen nach der unerwarteten Entscheidung von General Motors. Die Betroffenen sammeln sich buchstäblich und beginnen am Donnerstag mit Protestaktionen gegen die US-Amerikaner. Am Morgen sprechen Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) und Opel-Betriebsratschef Klaus Franz vor der Firmenzentrale in Rüsselsheim, mittags gibt es eine Veranstaltung im Bochumer Opel-Werk mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU).

Was bedeutet die Absage für die Beschäftigten in Deutschland und Europa?

Nichts Gutes. Viele Monate lang haben Gewerkschaften und Betriebsräte mit Vertretern der Politik und des favorisierten Investors Magna verhandelt. Am Ende gab es diverse Verabredungen: Von den gut 50 000 Beschäftigten an allen Opel- und Vauxhall-Standorten in Europa hätte rund ein Fünftel den Arbeitsplatz verloren. Aber es wäre vorerst kein Werk geschlossen worden. Die Belegschaften wollten auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie künftige Tariferhöhungen verzichten – im Jahr immerhin eine Summe von 265 Millionen Euro; dafür hätten die Arbeitnehmer einen Anteil von zehn Prozent an „New Opel“ bekommen. Dieser Punkt ist aus zwei Gründen relevant: Es gibt eine Kostensenkung und die Mitarbeiter identifizieren sich noch stärker mit ihrer Firma. Schließlich gehört sie ihnen ja nun zu einem Zehntel.

Schön wär’s gewesen. Nun ist allerorten der Verdruss groß und die Beschäftigten an den verschiedenen Standorten stellen sich auf Abwehrkämpfe gegen den von GM befürchteten Sanierungskurs ein, dem vermutlich deutlich mehr Stellen zum Opfer fallen als bei Magna. Es wird jede Menge Konflikte geben, die die Entwicklung und den Bau von Autos beeinträchtigen werden. Die IG Metall hat angekündigt, für ihre Leute 50 Millionen Euro zurückhaben zu wollen, auf deren Auszahlung die Belegschaft bislang verzichtet hatte. Das ist Wutgebrüll in der ersten Enttäuschung. Es bleibt der Gewerkschaft und den Betriebsräten keine andere Wahl, als sich nun mit den GM-Leuten auf ein Sanierungskonzept zu verständigen. Als Grundlage dafür gilt natürlich die Abmachung mit Magna.

Vor welcher Zukunft stehen die Werke?

Ganz unterschiedlich. Das Stammwerk in Rüsselsheim, wo das neue Mittelklassemodell Insignia gebaut wird und wo das Entwicklungszentrum steht, ist hochmodern und unumstritten. Für die anderen deutschen Standorte gilt das nicht. Die Fabrik im thüringischen Eisenach, Anfang der 90er Jahre vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl eröffnet und ein paar Jahre später von US-Präsident Bill Clinton besucht und als Vorzeigefabrik des Aufbaus Ost gewürdigt, ist hochgefährdet. Die Produktion des Corsa kann locker von Eisenach in das spanische Werk bei Saragossa verlegt werden. Bereits Fiat und der Finanzinvestor Ripplewood, die ursprünglich beide zum Bieterkreis für Opel gehörten, drohten Eisenach mit Stilllegung. Und Kaiserslautern? Das dortige Motorenwerk steht seit Jahren immer mal wieder zur Disposition. Für Bochum gilt das auch, eines der größten Opel-Werke überhaupt, in dem die Modelle Astra und Zafira gebaut werden. Bochum hätte auch unter Magna schwer geblutet, aber unter GM wird das Werk womöglich ganz geschlossen. Das könnte auch für Antwerpen gelten. Dagegen jubelten am Mittwoch die Briten. Luton, einer von zwei Vauxhall-Standorten und nach den Plänen Magnas von 2012 an geschlossen, hofft nun auf eine Zukunft jenseits von 2012. „Ich bin völlig entzückt über diese Nachricht“, sagte Tony Woodley von der britischen Automobilgewerkschaft Unite.

Welches Konzept hat GM?

Die Manager in Detroit suchen das noch. Wenn sie eins hätten, dann wären GM und Opel in den vergangenen Jahren nicht so ins Desaster gefahren. Und an der Spitze von GM sitzen noch immer dieselben Personen. Zum Konzept, oder besser zum Erpressungsinstrumentarium, gehört die Insolvenz. „Wenn wir uns nicht auf die nötige Restrukturierung einigen können, hätte dies die Insolvenz zur Folge“, hieß es am Mittwoch bei GM. Anders gesagt: Wenn die Arbeitnehmer nicht verzichten und die Politik nicht zahlt, dann landet Opel beim Insolvenzverwalter. Im Zuge des Insolvenzverfahrens könnten dann Werke geschlossen und Gläubigerforderungen abgewertet werden. Unter anderem auch die Opel-Pensionsverpflichtungen in Höhe von rund fünf Milliarden Euro.

Die New Opel, klein und fein, weil befreit von Altlasten und Überkapazitäten, als technologischer Kern im GM-Konzern. Drei Milliarden Euro will GM bei Opel investieren – für Werkschließungen, Abfindungen und die Entwicklung neuer Autos. Bislang waren andere Summen im Gespräch. Nach dem Missmanagement der Amerikaner in den vergangenen Jahren wurden etwa von Betriebsratschef Franz mindestens fünf Milliarden Euro veranschlagt, um die Firma fit zu machen. Überhaupt ist rätselhaft, woher GM das Geld nehmen will. Zwar steckte die US-Regierung 50 Milliarden Dollar in GM, um aus dem einst größten Autokonzern der Welt ein überlebensfähiges Unternehmen zu entwickeln. Doch dieses Geld muss im Inland ausgegeben werden. Der Amerikaner hat eben auch nur „seine“ Arbeitsplätze im Blick.

Was bedeutet das für die bereits geleistete deutsche Staatshilfe?

Das Brückendarlehen der Bundesregierung von 1,5 Milliarden Euro will GM nach eigenen Angaben bis Ende November zurückzahlen.

Wie endgültig ist die Entscheidung?

Das letzte Wort hat immer der Eigentümer – also GM. Mit der Insolvenzdrohung wird der Konzern nun agieren und der Politik sowie den Arbeitnehmern in Europa Zugeständnisse abverlangen.

Welche Rolle spielte die EU-Kommission?

Schon seit Wochen gab es Warnungen aus Brüssel, dass der geplante Verkauf von Opel an Magna nicht ohne weiteres von der EU-Kommission genehmigt werden könnte. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich eindeutig für Magna ausgesprochen und damit den Verdacht der EU-Kommission genährt, die Hilfen über 4,5 Milliarden Euro könnten an einen Verkauf an diesen Investor sowie die vorrangige Erhaltung der Opel-Standorte in Deutschland geknüpft sein – was ein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln wäre. Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes stellte Mitte Oktober den Verkauf von Opel an Magna grundsätzlich in Frage. Sie verlangte von GM eine Erklärung, dass neben Magna auch andere potenzielle Käufer in den Genuss der deutschen Beihilfen kommen könnten. Diese Brüsseler Forderung schien erfüllt: Ende Oktober sagte Franz, GM-Unterhändler John Smith habe erklärt, dass die Entscheidung für Magna ohne politischen Druck erfolgt sei. Nun ist der Deal trotzdem geplatzt. Entsprechend drückte der CDU-Europaabgeordnete Werner Langen in sarkastischer Form seinen „Dank“ an Kroes aus – dafür, dass die EU-Kommission „Opel-Arbeitsplätzen in vielen europäischen Ländern, insbesondere in Antwerpen“ erhalte.

Wie reagieren Magna und die Russen?

Gelassen. Magna-Co-Chef Siegfried Wolf meinte, GM habe nach seinen Interessen gehandelt. Magna werde auch künftig mit GM und Opel zusammenarbeiten. Zusammen mit dem austrokanadischen Zulieferer wollte die staatsnahe russische Sberbank 55 Prozent an Opel erwerben. Der Rückzieher von GM werde die Entwicklung der russischen Autoindustrie nicht behindern, sagte Vizepremier Alexander Schukow. Andere vermuteten, das State Department in Washington habe interveniert, da man kein Interesse habe an einem Technologietransfer von Opel nach Russland. Der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft bedauerte das Scheitern: „Das Projekt wäre grundsätzlich geeignet gewesen, der Partnerschaft zwischen Deutschland und Russland im Bereich der Autoindustrie einen Schub zu geben.“

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