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© dpa

Oldtimer: Teures Blech

Stabiler Wert in Krisenzeiten: Oldtimer sind eine Geldanlage – für Liebhaber.

Na bitte, jetzt hatte er es schwarz auf weiß: Sein Oldtimer, ein MG B Cabrio, Jahrgang 1979, war seit dem Kauf um 17,3 Prozent im Wert gestiegen. Sollte also wieder mal jemand seine Liebe zu altem Blech bespötteln, würde er ihm kurzerhand den Kaufvertrag und das unlängst erstellte Wertgutachten unter die Nase halten: Für 15 000 DM hatte er den karminroten Engländer 1991 erworben, jetzt müsste er für ein vergleichbares Exemplar schon 8800 Euro hinblättern.

17,3 Prozent – nun gut, das liegt nicht wirklich im Trend. Das bedeutet knapp ein Prozent Wertzuwachs pro Jahr, während es auf dem deutschen Oldtimermarkt insgesamt vergleichsweise steil nach oben geht – um 73 Prozent in den vergangenen zehn Jahren, im Schnitt 5,7 Prozent pro Jahr. So ergibt es sich aus dem Deutschen Oldtimer-Index (Dox), den der Verband der Automobilindustrie (VDA) und Classic Data, seit 25 Jahren Sachverständigenorganisation für klassische Fahrzeuge, jetzt erstmals veröffentlicht haben – als „seriöse Möglichkeit zur Vergleichbarkeit mit anderen Kapitalanlagen“, wie der VDA verheißt.

Doch dieser Hinweis hat den beharrlichen MG-Fahrer nur kurzfristig erfreut. Gewiss, sein Blechveteran war wertstabil, was er von seinen Wertpapieren nicht behaupten konnte. Aber wenn er zurückdachte und überschlug, mit welchen Investitionen die geringe Wertsteigerung seines Cabrios erkauft worden war …


HÄUFIG IN DER WERKSTATT

Der Ärger begann nach der ersten Fahrt: Der Wagen sprang nicht mehr an. Wutausbruch, Türenschlagen – das half. Ein Batteriekabel hatte locker gesessen, nun wieder Kontakt gefunden – Fehler behoben. Aber in derselben Saison mussten Kupplung, Hinterachse, Kühler repariert werden (1100 DM), im zweiten Sommer wurde die Kupplung komplett erneuert (1600 DM), in der dritten waren Arbeiten an Bremsen und Vorderachse fällig (4000 DM). Tiefpunkt war der Sommer ’98: Motor und Vergaser neu für 8000 DM. Ganz so schlimm ging es nicht weiter, aber der Kaufpreis war durch die Reparaturkosten längst locker überschritten. Kurz: Als Wertanlage eine glatte Fehlinvestition.

Auf solche Leidensgeschichten stößt man unter Oldtimer-Besitzern immer wieder. Gleichwohl ist der Dox-Index keine Luftnummer, und die Gewinnmöglichkeiten, die die aufgezeigten Steigerungen suggerieren, sind keineswegs fiktiv. Sind Oldtimer also eine gute Kapitalanlage?

„Wenn man den richtigen Wagen hat, definitiv“, urteilt Sohar Sandler, Besitzer einer auf Klassiker spezialisierten Autowerkstatt in Berlin-Wilmersdorf und seit über zwei Jahrzehnten Organisator der Oldtimer-Tage Berlin-Brandenburg. Er und einige Gleichgesinnte wollten sogar gezielt alte Nobelkarrossen als Wertanlage sammeln und diesen Schatz in einem Privatmuseum horten – ein Investor blieb aber aus, das Kleingeld reichte nicht.

Davon braucht man erhebliche Mengen. Gerade historische Fahrzeuge über 150 000 Euro sind in den letzten sechs, sieben Jahren im Preis kräftig gestiegen, besonders Ferraris, bei denen er sich verdreifachte, bei Maseratis und Lamborghinis war es im Schnitt weniger, weiß Sandler. Doch auch die Besitzer alter Porsches, Bugattis oder Aston Martins konnten sich freuen. Besonders preistreibend sei zudem der Wechsel zum Euro gewesen: Oft habe man den gleichen Betrag verlangt, aber in neuer Währung. Doch selbst unterhalb der Riesensummen gelte: „Wird der Zustand des Wagens gehalten, bleibt der Preis zumindest stabil.“

Die Marktbeobachter von Classic Data bestätigen den Erfolg der alten Italiener, von dem Sandler berichtet, und er gilt weltweit. So stammten von den zehn teuersten Oldtimern des Jahres 2008 fünf aus dem Ferrari-Werk in Maranello. Und auch das teuerste war ein Renner mit springendem Pferd: ein 250 GT California Spyder von 1961, der ursprünglich dem Schauspieler James Coburn („Pat Garrett jagt Billy the Kid“) gehörte und nun bei einer Auktion in Italien für 10,9 Millionen Dollar den Besitzer wechselte.

Auch in Deutschland, das bei Oldtimer-Auktionen kaum eine Rolle spielt, bleiben die Zahlen beeindruckend. Classic-Data-Sprecher Frank Wilke nennt etwa den BMW 2002tii (Baureihe 1971/74), der 1998 noch für umgerechnet 6500 Euro zu haben war, jetzt kostet er im Schnitt 14 600 Euro. Der Jaguar E-Type Cabrio (1961/64) stieg von 45 000 Euro auf 72 000 Euro, der Ferrari 250 GT Tour de France (1956/59) sogar von 500 000 auf 2,2 Millionen Euro.


GUTACHTER HELFEN BEIM KAUF

Solche Ausreißer sind in den Oldie-Index nicht eingeflossen, auch Vorkriegsautos wurden ausgeklammert, um eine Verfälschung durch überteure Sammlerstücke zu vermeiden. Berücksichtigt wurden 88 Modelle aus sieben Herstellerländern, die im deutschen Oldtimer-Geschäft eine Rolle spielen, ausgewählt aus 200 000 von Classic Data erstellten Gutachten. Deren Durchschnittspreis von 1999 wurde als Anfangswert auf 1000 Punkte festgelegt, um eine Bezugsgröße zu erhalten.

Doch auch ohne die Preistreiber kletterte der Dox beharrlich. Derzeit liegt er bei 1732 Punkten. Je nach Herstellerland gibt es aber erstaunliche Varianten. Deutsche Marken hatten den größten Zuwachs, ihr Index steht bei 2116 Punkten, Italiener dagegen sind mit 1740 Punkten nur Durchschnitt. Die alten Engländer dagegen haben „offensichtlich den Zenit der Wertsteigerung mit 1486 Punkten annähernd erreicht“, wie der VDA es mit höflicher Zurückhaltung umschreibt.

Im Übrigen empfiehlt er, vor dem Erwerb eines Oldtimers einen Sachverständigen zu konsultieren. Der Kauf solcher automobiler Pretiosen mache besonders dann Sinn, wenn auch positive Emotionen mit im Spiel sind – ein Rat, der selbst bei einem vergleichsweise preiswerten MG B zu beherzigen ist. Und diese Liebe wird sich beweisen müssen – spätestens bei der nächsten Reparaturrechnung.

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