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Konjunktur: "Die Aussichten sind eindeutig positiv"

DIW-Forscher Christian Dreger über die Konjunktur in der Hauptstadt und die Chancen vor allem von Dienstleistern.

Nach starkem Jahresauftakt hat sich die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland eingetrübt. Inzwischen ist für den Rest des laufenden Jahres eine technische Rezession nicht mehr auszuschließen, da die Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts in den verbleibenden Quartalen wie auch schon im Sommer leicht negativ ausfallen können. Für diese Entwicklung ist neben der unerwartet deutlichen Verschärfung der Finanzmarktkrise vor allem der starke Anstieg der Energie- und Lebensmittelpreise verantwortlich. Die Lohn- und Beschäftigungszuwächse, die den privaten Verbrauch stimulieren sollten, wurden durch die anziehende Inflation vollständig abgeschöpft. Da sich die Preissteigerungen auf Güter des täglichen Bedarfs konzentrieren, wird die Inflation von den Bürgern stärker gespürt als sie tatsächlich ist. Dies hat die Konsumenten zusätzlich verunsichert.

Die Inflation wird sich in den kommenden Monaten allmählich zurückbilden. Dafür ist in erster Linie die Entwicklung an den Rohstoffmärkten verantwortlich. So haben beispielsweise die Ölnotierungen gegenüber ihren Höchstständen aus Juli deutlich nachgegeben. Dadurch werden Kaufkraftspielräume zurückgewonnen, die im weiteren Verlauf die Konsumnachfrage der privaten Haushalte stützen sollten. Der konjunkturelle Ausblick wird gegenwärtig jedoch durch die sich verschärfende Finanzmarktkrise erschwert. Bei einer staatlichen Absicherung notleidender Kredite insbesondere in den USA kann jedoch allmählich wieder Vertrauen aufgebaut werden. Dann dürften im kommenden Jahr die Auftriebskräfte die Oberhand behalten, wenngleich nur moderate Wachstumsraten zu erwarten sind. Die Binnenkonjunktur wird zunehmend zum Motor der wirtschaftlichen Entwicklung.

Davon profitiert auch Berlin. Aktuell prognostiziert der Tagesspiegel-Frühindikator, den das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) regelmäßig exklusiv für diese Zeitung berechnet, ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in Berlin von 1,2 Prozent in 2008 und von 0,7 Prozent im Jahr 2009. Im Vergleich zur Veröffentlichung im Juni ergibt sich eine leichte Abwärtsrevision, die auf die Abkühlung des konjunkturellen Klimas zurückzuführen ist.

Die Daten sehen zunächst nach einem niedrigen Wachstum aus. Gemessen an der Berliner Vergangenheit einer meist schrumpfenden Wirtschaft sind die Aussichten jedoch eindeutig positiv. Die Berliner Entwicklung wird auf der einen Seite von den übergeordneten gesamtwirtschaftlichen Bedingungen bestimmt, so dass sich Berlin längerfristig nicht vom Bundestrend abkoppeln kann. Zum anderen spielen jedoch auch berlinspezifische Faktoren eine erhebliche Rolle. Danach wird das Wachstum vor allem durch die Expansion bei den Dienstleistungen getragen. Hier kommt der Hauptstadt der hohe Dienstleistungsanteil von ungefähr drei Viertel an der regionalen Bruttowertschöpfung zugute.

Die Wachstumstreiber sind insbesondere die unternehmensnahen Dienste, der Verkehr und die Tourismusbranche. Damit nähert sich das Wachstum in Berlin möglicherweise schon im kommenden Jahr dem bundesdeutschen Durchschnitt an.

Der Autor leitet die Abteilung Konjunktur des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.

Christian Dreger

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