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Facebook plant, eine Kryptowährung namens Libra herauszugeben.

© dpa

Facebook-Kryptowährung: „Als IT-Nerd finde ich Libra cool. Als Bürger bin ich besorgt.“

Der Payment-Experte Ralf Gladis über die Gefahren und Vorzüge von Facebooks geplanter Währung. Die mangelnde Kontrolle des Staates macht ihm dabei Sorgen.

Als Payment-Experte und IT-Nerd ist Ralf Gladis durchaus von Facebooks geplanter Kryptowährung angetan. Er ist Mitgründer und Geschäftsführer des internationalen Payment-Service-Providers Computop.

Herr Gladis, Sie warnen „stets, ständig und ohne Unterlass“ vor Facebooks geplanter Kryptowährung Libra. Warum?
Zunächst muss man sich ganz sachlich ein paar Details anschauen. Bei Libra handelt es sich um ein blockchain-basiertes Kryptopayment-Verfahren. Das braucht jetzt zwar nicht so viel Energie für das Mining wie etwa Bitcoins, aber eben doch auch. Dafür funktioniert es ohne hinterlegtes Bankkonto – wie bei Bitcoins kann sich im Prinzip jeder Verbraucher anschließen, der das möchte. Das ist natürlich ein großer Vorteil – aber gleichzeitig auch ein kritischer Punkt.

Inwiefern?
Wie Facebook Libra sicherstellt, dass hinter einem Nutzer Ralf Gladis auch tatsächlich Ralf Gladis steht – das hängt allein von Facebook und vom Libra-Konsortium ab, das in der Schweiz angesiedelt ist. Wir haben aber aus gutem Grund fast überall weltweit regulierte Bankensysteme – weil Zahlungsverkehr Vertrauen braucht. Wir brauchen diese Systeme, die kontrolliert werden, in denen nicht jeder machen kann, was er will. Aber wenn wir jetzt privaten Unternehmen, die primär das Ziel haben, Daten zu sammeln und Gewinn zu machen, da ranlassen, Währungen abzulösen, dann ist das in vielerlei Hinsicht kritisch. Zumal wir ja schon bei Facebook beobachten können, dass die Nutzer sehr häufig Komfort über Sicherheit stellen. Deshalb hat sich Facebook auch noch andere Firmen ins Konsortium geholt, weil sie wissen, dass sie das Thema Sicherheit alleine nicht stemmen können. Da sind noch Visa, Mastercard, Paypal, Uber und andere dabei.

Überwiegend amerikanische Firmen.
Das ist der nächste kritische Punkt: Es bleiben private amerikanische Unternehmen, die dann praktisch eine neue Weltwährung einführen würden. Etwa zwei Milliarden Menschen nutzen Facebook. Und angenommen, davon würde nur ein Viertel, also 500 Millionen, das System tatsächlich nutzen. Dann sind das so viele Nutzer wie Europa Einwohner hat, inklusive Babys und Greisen. Das ist ein gigantisches finanzielles Volumen, das dahintersteht. Aber noch wichtiger ist die prinzipielle Frage: Wollen wir tatsächlich eine Währung, die unabhängig von unserer Politik geführt wird? In Europa und Amerika leben wir in Demokratien, und wir wählen unsere Wirtschaftspolitiker. Wenn aber die Währung plötzlich außerhalb der Kontrolle unserer Wirtschaftspolitik ist und de facto auch außerhalb der Kontrolle von Zentralbanken, dann nehmen wir unseren demokratisch gewählten Politikern ein wichtiges Steuerungsinstrument – und überlassen es amerikanischen Konzernen. Das kann ja nicht der richtige Weg sein.

Deswegen haben sich auch nahezu alle europäischen Zentralbanken und Aufsichtsbehörden skeptisch geäußert.
Vor allem, weil es das Größenproblem gibt. Die Reserven, die Libra für seine Kryptowährung in stabilen Währungen hinterlegen müsste, also in Euro, Dollar, Britischen Pfund – die können absehbar so groß werden, dass man die Frage stellen muss, ob ein einzelner Regulator in Deutschland oder in Europa überhaupt in der Lage ist, so ein großes Schiff zu regulieren. Wenn auch der Handel Libra nutzt, wird das Volumen noch viel größer. Und wenn jetzt ein regionaler Regulator sagt, wir müssen aber was ändern, dann kann es durchaus sein, dass Libra irgendwann mal sagt: Wenn Ihr uns zu sehr nervt, dann gehen wir eben aus Deutschland wieder raus. Welchen Schaden richtet ein Regulator dann damit an, weil das System so wichtig ist? Da sind sozusagen die Machtverhältnisse falsch verteilt.

Facebook ist bislang nicht damit aufgefallen, Regulatoren sonderlich ernst zu nehmen.
Exakt. Im Zweifelsfall zahlt Facebook die Strafen, die ihnen auferlegt werden, als „cost of doing business". Das ist bei Datenschutz schon sehr schlimm, aber bei einer Währung wäre es fatal.

Die Bundesbank sieht Gefahren auch für weniger wertstabile Währungen. Damit ist der Euro ja eher nicht gemeint, oder?
Libra hätte das Zeug, überall stark zu sein, weltweit. Die Entscheidung treffen am Ende Sie und ich – an der Kasse. Wenn es Libra gäbe, dann können wir beide und jeder Konsument entscheiden, ob wir jetzt mit Kreditkarte oder Euro, mit Paypal und Pfund oder mit Bitcoins oder mit Libra bezahlen wollen. Und je mehr Menschen das tun, desto unwichtiger werden nationale und regionale Währungen – eben auch der Euro.

Als Zahlungsdienstleister sorgen Sie dafür, dass die Transaktionen zwischen zwei Partnern über verschiedene Stationen sicher, schnell und für alle Seiten zuverlässig ankommen. Wenn es Facebook Libra gäbe, auch im Business-to-Business-Bereich, bräuchte man Zahlungsdienstleister quasi nicht mehr. Kommt Ihr Widerstand also daher, dass Ihr Geschäftsmodell bedroht ist?
Die Frage habe ich schon bei allen möglichen Systemen bekommen, die neu eingeführt wurden. Die Leistung, die Computop erbringt, ist eher technisch: Wir hängen am Internetshop, wir hängen an den Kassen, wir hängen an der Warenwirtschaft, am SAP-System unserer Kunden, an der Buchhaltung, wir verbinden die Callcenter – und ermöglichen die Abwicklung von Zahlungen. Und wenn zu den acht bis zehn Zahlarten, die ein Händler in Deutschland und Europa im Schnitt schon hat, noch eine weitere hinzukommt, dann kriegen wir das ohne Probleme hin. Wenn unsere Kunden das wollen, führen wir auch Libra ein. Und umgekehrt braucht auch das Libra-Konsortium die Unterstützung von Zahlungsdienstleistern: Es gibt weltweit 44 Millionen Händler, die elektronisches Zahlen anbieten. Wenn nur die Hälfte von denen Libra einbinden wollen, sind das 22 Millionen. Die wollen beraten werden, die haben Fragen, die haben Techniker, die haben IT-Abteilungen. Es ist völlig unmöglich, dass jemand so was ohne Partner macht.

Wer trägt eigentlich die Kosten, wer bezahlt am Ende Libra?
Das klassische Modell sind – neben den Daten – kleine Transaktionsgebühren, die der Handel oder die eben Sie und ich bezahlen, wenn wir Geld austauschen. Ein oder zwei Cent oder so – über die Masse der Nutzer kommt dann in großem Volumen Geld herein.

Was hören Sie von Ihren Kunden aus dem Handel, von Kollegen aus der Branche?
Also, der Handel ist prinzipiell eher nicht scharf darauf, noch eine zusätzliche Zahlungsmethode einzuführen. Aber: Wenn man damit viele Kunden erreicht, wenn die Kunden eine tolle Einkaufserfahrung haben, weil es gut funktioniert und sicher ist, und die Kosten niedrig sind – dann ist der Handel dabei.

Wenn das alles funktioniert und man weiterdenkt, braucht man ja gar nicht mehr so viele unterschiedliche Zahlungsarten. Dann reicht Facebook Libra.
Also, über viele Jahre gedacht, kann so etwas theoretisch passieren. Ich glaube aber eher nicht daran, weil die Menschen beim Zahlungsverkehr eher träge und vorsichtig sind. Das ist sensibel da wechselt man nicht mal eben schnell. Da hört man erst mal hin, welche Erfahrungen andere gemacht haben, was die Presse so schreibt, ob das denn wirklich sicher ist – und dann probiert man das mal aus. So vergehen Jahre, in denen Libra einfach nur eine zusätzliche Zahlungsart ist.

Sie würden also nicht darauf wetten, dass Libra kommt?
Ich warte die Entwicklung ab. Als jemand, der sich in der Payment-Branche auskennt und als IT-Nerd finde ich den Ansatz durchaus cool. Das ändert nichts daran, dass ich als Bürger und politisch denkender Mensch besorgt bleibe.

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