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Die Europäische Union will jetzt gegen Steuervermeidung vorgehen.

© REUTERS

Austausch von Steuerdaten: EU geht gegen Konzerne vor

Mit einer neuen Richtlinie will die EU der Steuervermeidung von Großkonzernen ein Ende setzen. Allerdings hat der bisherige Entwurf gleich mehrere Haken.

Die Empörung ist immer wieder groß: Weltkonzernen wie Ikea, Google, Amazon oder Apple gelingt es regelmäßig, ihre Steuerlast klein zu rechnen. Mit legalen Tricks, ausgeheckt von einer Armada von Steueranwälten, ducken sie sich vor dem Finanzamt weg, zahlen häufig auf ihre Milliardengewinne eine Steuerlast, die im Promillebereich liegt. Jeder Mittelständler führt einen höheren Anteil seiner Gewinne an den Fiskus ab.

Den weltweit agierenden Konzernen gelingt es, in großem Stil Steuern zu vermeiden, indem sie vielfach ein kompliziertes Geflecht von Tochterunternehmen aufgebaut haben, zwischen denen Gewinne hin- und hergeschoben werden. Eine wichtige Rolle spielen dabei Gebühren für Lizenzen, die Konzernteilen in Rechnung gestellt werden.

Doch die Staaten wehren sich. Auf der Ebene der OECD haben sich mehr als 100 Staaten aus aller Welt in Form eines völkerrechtlichen Vertrages gegenseitig versprochen, Gewinne und Steuerlasten von weltweit agierenden Konzernen transparent zu machen. Jeder Staat will dafür eigene Gesetze erlassen. Was daraus wird, muss abgewartet werden.

Die EU ist einen Schritt weiter

Europa ist schon einen Schritt weiter. Die EU-Kommission schickt sich an, Vorschriften zur Transparenz in EU-Recht zu gießen. Der Vorschlag dafür liegt schon auf dem Tisch. Wenn die Richtlinie verabschiedet ist, müssen die Mitgliedsstaaten sie in nationales Recht umsetzen, ansonsten droht ein Vertragsverletzungsverfahren aus Brüssel.

Und das ist geplant: Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro im Jahr sollen dazu verpflichtet werden, gegenüber den Steuerbehörden offen zu legen, wie viel Gewinn und Umsatz sie haben, und wie viel Steuern sie zahlen. Diese Umsatzschwelle würde bedeuten, dass etwa zehn Prozent der weltweit operierenden Unternehmen betroffen wären. Schätzungen gehen davon aus, dass auf diese Unternehmen rund 90 Prozent des Umsatzes in diesem Bereich entfällt. Die Daten sollen dann zwischen den Mitgliedsländern ausgetauscht und EU-weit allen Steuerbehörden zur Verfügung stehen.

Die Kommission verspricht sich von diesen länderbezogenen Berichten, dass die Steuerbehörden Hinweise auf Auffälligkeiten bekommen. Allerdings: Betroffen von dieser Berichtspflicht sollen nur Konzerne sein, die ihren Hauptsitz in der EU haben. Das heißt: Die Apples und Googles würden gar nicht erfasst.

Aus Sicht der Steuerzahler gibt es noch weitere Haken: Das EU-Parlament forderte, dass die Steuer-Daten nicht nur den Behörden zur Verfügung gestellt werden, sondern auch der Öffentlichkeit. Dagegen regt sich aber der Widerstand der Mitgliedsstaaten. Auch Deutschland ist dagegen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte am Rande des Treffens der EU-Finanzminister in Amsterdam: „Es gibt Bedenken aus der Finanzverwaltung gegen die Veröffentlichung der Daten.“ Unternehmen würden vermutlich nicht so offen informieren, wenn sie befürchten müssten, dass die Daten auch für die Konkurrenz einsehbar sind.

Kommission hat keinen vollen Zugang

Allerdings: Im Zuge der Bankenregulierung ist die Finanzindustrie bereits zur Veröffentlichung genau dieser Daten verpflichtet worden. In Brüssel fragt man: Wenn es die Banken können, was spricht dagegen, dass es auch die Konzerne machen?

Auch das stört viele: Die EU-Kommission soll ebenfalls außen vor bleiben. Weitgehend jedenfalls, sie soll lediglich statistische Daten zu den länderbezogenen Berichten bekommen. Ihr würde in der Sache die Rolle eines „Hilfsprotokollanten“ zugewiesen. Dabei wären die Informationen für sie besonders wichtig. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager könnte daraus Rückschlüsse ziehen, welche Mitgliedsstaaten möglicherweise Absprachen mit Großkonzernen haben. Im Zuge der Luxleaks-Affäre war bekannt geworden, dass Luxemburg US-Großkonzerne mit dem Versprechen gelockt hat, dass bei einer Ansiedlung die Steuerlast marginal ausfällt.

Vestager will ran an die Daten, um möglicherweise ein Vertragsverletzungsverfahren wegen unzulässiger Beihilfen gegen das EU-Land einzuleiten, das Konzerne mit Steuerrabatten ködert. Der SPD-Finanzexperte im Europaparlament, Peter Simon, kritisiert: „Es ist nicht akzeptabel, dass die Kommission lediglich mit statistischen Daten abgespeist werden soll.“ Die Kommission, die Hüterin der EU-Verträge, müsse vollen Zugang bekommen. FDP-Europapolitiker Michael Theurer würde sich auch wünschen, dass die Kommission Zugang bekommt. „Nur dann kann die zuständige Kommissarin ihrer Schiedsrichter-Funktion gerecht werden.“

Allerdings seien die jetzigen Pläne „besser als nichts“, es sei ein wichtiger Fortschritt, wenn die Steuerbehörden Zugang bekommen. Unterstützung von der Bundesregierung können die Abgeordneten nicht erwarten. Im Bundesfinanzministerium heißt es, man wolle nicht draufsatteln. „Es geht darum, die auf OECD-Basis vereinbarten Maßnahmen eins zu eins in nationales Recht umzusetzen“, sagt ein Sprecher. Alles, was darüber hinaus gehe, gefährde den angelaufenen Prozess zur Bekämpfung von aggressiven Steuersparmodellen auf OECD-Ebene. „Wir wollen schließlich, dass auch Länder außerhalb der EU beim Informationsaustausch und den Länderberichten mitmachen.“

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