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Netz statt Autohaus: Nicht nur in der Corona-Krise wandert der Autohandel verstärkt ins Internet.

©  Foto: Zacharie Scheurer/dpa

Auto-Abos und Online-Leasing: Elektromobilität für Ängstliche

Mit Auto-Abos oder Online-Leasing probieren Fahrzeughersteller neue Vertriebsideen aus. Nun könnten die Modelle Teil des Corona-Krisenmanagements werden – vor allem für den Verkauf von Elektroautos.

Die Autohäuser sind geschlossen, die Fahrzeugproduktion steht still, an den Kauf eines neuen Autos denkt momentan wohl niemand – weder Privat-, noch Gewerbekunden. Für Händler und Hersteller spitzt sich die schon vor Ausbruch der Pandemie angespannte Lage von Tag zu Tag mehr zu. Vor allem der Verkauf von Elektroautos, der in diesem Jahr anspringen sollte, kommt nicht in Gang. 

Als hilfreich erweisen könnten sich in dieser Situation neue digitale Ideen für den Vertrieb, mit denen einige Start-ups die Verkaufsabteilungen der Autobauer schon seit einiger Zeit auf Trab bringen: Auto-Abos auf Zeit oder die Online-Abwicklung von Leasingverträgen. Statt ein privat genutztes Auto neu zu kaufen und dann im Schnitt neun oder zehn Jahre zu fahren, bieten sich Langzeitmieten an, bei denen der Kunde flexibel bleibt, weil er sich nur einige Monate oder wenige Jahre bindet.

„Das Interesse der Kunden steigt – gerade auch für Elektroautos“, sagt Lukas Steinhilber, Gründer und CEO von Vehiculum, im Gespräch mit Tagesspiegel Background. „In Zeiten geschlossener Showrooms bleibt den Menschen, die auf ein Auto angewiesen sind, nur der Weg über den Onlinehandel.“ Das Unternehmen nennt sein Geschäftsmodell unbescheiden „Leasing der Zukunft“.

E-Mini für 257 Euro im Monat

120 Mitarbeiter haben seit der Gründung im Jahr 2015 einen Umsatz von mehr als 500 Millionen Euro über die Plattform vermittelt. Mehr als 200.000 Nutzer sind registriert und können – unterstützt durch eine datenbasierte Beratung – die Leasingangebote von mehr als 20 Automarken vergleichen. Vehiculum verspricht eine optimale und transparente Kombination aus Rabatt, Zinsen und Restwert – und eine komplette Online-Abwicklung. Den neuen Elektro-Mini findet man für 257 Euro im Monat, der Auto e-tron kostet 751 Euro.

„Die Unsicherheit beim Thema Elektromobilität ist immer noch groß“, sagt Steinhilber. Wie viel ist das E-Auto in einigen Jahren noch wert? Wie gut ist die Ladeinfrastruktur? Ist der Wagen alltagstauglich? Komfortable Leasingmodelle könnten den Kunden diese Unsicherheit nehmen, glaubt der Vehiculum-Chef. „Wer kein Risiko will, wird nicht Eigentümer, sondern Leasingnehmer.“ Und, wichtig in diesen Tagen: Wer nicht will oder darf, muss das Haus nicht verlassen. Vehiculum bringt das Auto bei Bedarf bis vor die Haustür.

Ähnliche Vorteile bieten digitale Auto-Abos, die das Berliner Unternehmen künftig ebenfalls in seine Plattform integrieren will. Hier ist die Marktnische deutlich gewachsen, etliche Anbieter (Fleetpool, Like2Drive, Cluno u.a.) werben inzwischen mit All-inclusive-Raten für temporär nutzbare Autos; gesprochen wird auch von einer Art All-inclusive-Leasing. Die Abwicklung im Webshop soll dabei so einfach sein wie ein Einkauf bei Amazon oder die Hotelbuchung bei Booking.com. Auch einige Hersteller steigen in das Vertriebsmodell ein, Volvo zum Beispiel („Kaufen Sie dieses Auto nicht – abonnieren Sie es“).

Abos decken alle Nebenkosten ab

Vorteil eines Abos: Für eine im Vergleich zum Leasing höheren Monatsrate deckt das Abo alle fixen Nebenkosten wie Inspektionen, Wartung, Reparaturen, Steuer und Versicherung ab, außerdem sind die Laufzeiten kürzer (ein bis 24 Monate) und Modellwechsel möglich. Nur Sprit oder Strom muss der Kunde zusätzlich bezahlen. Der Nachteil: Die monatliche Belastung ist größer und die Konfigurations- und Auswahlmöglichkeiten sind kleiner.

Ein starkes Signal in den Abo-Markt gab zuletzt der Vermietungsriese Sixt. Mit Blick auf die Coronakrise plant das Unternehmen einen „verstärkten Rollout von flexiblen Langzeitmiet- und Auto-Abo-Modellen“. Das Leasinggeschäft hat Sixt für rund 163 Millionen Euro an die Hyundai Capital Bank Europe verkauft.

Auch die Abo-Anbieter sehen in der Elektromobilität Chancen. Fleetpool, der nach eigenen Angaben größte deutsche Auto-Abo-Anbieter aus Köln, hat im Februar ein Abo-Modell nur für Elektroautos gestartet. Dafür seien weitere 1000 E-Neuwagen angeschafft worden. Ein E-Golf ist für 399 Euro im Monat zu haben, ein Tesla Model 3 für 1129 Euro – bei einer Laufzeit von sechs Monaten und 10.000 Freikilometern.

Abschied vom klassischen Händlernetz

Der E-Auto-Vermieter Nextmove bietet seit vergangener Woche für einen Monat Corona-Sonderkonditionen für Elektromodelle an. So kostet der Nissan Leaf im Monats-Abo 399 statt 780 Euro. Bei Cluno kann man den neuen Mini Cooper SE Elektro für 549 Euro im Monat abonnieren, die Startgebühr von 299 Euro entfällt bis Ende März.

Wie viel Marketing steckt in den neuen Vertriebssystemen – und wie viel Substanz? Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer spricht vom „Einstieg in den Abschied der klassischen Händlernetze“. Weil sich die Hersteller teure Autohäuser sparen könnten, entstehen Kostenvorteile. „Beim Abo über das Internet entstehen nur noch zehn oder 20 Prozent der Verkaufskosten“, sagt Dudenhöffer. Zugleich wächst aber der Wettbewerbsdruck, weil immer mehr Start-ups und Hersteller wie Tesla in den Online-Markt drängen.

Für die Elektromobilität bieten sich Abo-Modelle laut Dudenhöffer perfekt an – gerade in dieser Krisenzeit. Zusätzlich zur Kaufprämie von bis zu 6000 Euro plädiert der Experte zur Ankurbelung der Nachfrage für eine Mehrwertsteuersenkung auf alle Produkte im Wert von mehr als 20.000 Euro. Gleichzeitig sollten die Autobauer ihre Financial Services „wachrütteln“. Bisher würden dort kaum Car-Abos oder Subcription-Modelle angeboten. Dudenhöffer: „Die Autobauer müssen beweglicher und schneller werden und mit preisgünstigen Car-Abos den Karren zum eigenen Teil wieder aus dem Dreck ziehen.“ 

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