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Seit einem Jahr verschollen: Karl-Erivan Haub (Archivbild von 2013).

© Caroline Seidel/dpa

Ein Jahr ohne Karl-Erivan Haub: Der Tengelmann-Clan bricht auseinander

Vor einem Jahr kam Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub nicht von einem Skiausflug am Matterhorn zurück. Heute ist die Familie völlig zerstritten.

Merkwürdige Dinge erzählt man sich in Mülheim an der Ruhr. Die neuen Hausherren laufen angeblich durch die Keller und räumen alles aus, was in der Tengelmann-Zentrale an Karl-Erivan Haub erinnert. Der Chef des Unternehmens ist seit einem Jahr verschwunden. Sein jüngster Bruder Christian hat die Leitung des Konzerns übernommen und mit seiner Ehefrau Liliane das Hauptquartier des Handelshauses bezogen.

Am 7. April 2018 kam Karl-Erivan Haub nicht von einem Skiausflug am Matterhorn zurück. Der Unternehmer, der vor knapp 20 Jahren die Leitung des Handelskonzerns von seinem Vater Erivan übernommen hatte, ist verschollen. Christian übernahm nach dem mutmaßlichen Unglück die Geschäftsführung und zog mit Liliane in die Dienstwohnung im ersten Stock der Zentrale an der Wissollstraße. Und damit begann der Krieg in einer der reichsten Familien des Landes. Von „massivem Hass“ sprechen Eingeweihte.

Die vergangenen Jahrzehnte lebten Liliane und Christian Haub mit ihren vier Kindern in den USA, wo Vater Erivan und Bruder Karl-Erivan dem gelernten Investmentbanker Christian die Betreuung der konzerneigenen Supermarktkette A&P sowie der US-Beteiligungen anvertraut hatten.

Nach Karl-Erivans Verschwinden kehrte Christian nach Hause zurück, um das Unternehmen zu führen. Georg, der mittlere der drei Haub-Brüder, kam für den Chefposten nicht in Frage. Aber Christian holte den von Karl-Erivan geringschätzig behandelten Georg aus taktischen Gründen in den Tengelmann-Beirat. „Der Familienzweig, der den Häuptling gestellt hat, ist jetzt isoliert“, heißt es in Mülheim über die Familie von Karl-Erivan.

Gemeint sind dessen Ehefrau Katrin mit den Kindern Viktoria und Erivan, die beide ins Unternehmen einsteigen wollen. Vor allem Viktoria hatte ihren Vater zu wichtigen Terminen oder Besprechungen begleitet. Jetzt sind sie raus aus dem Geschäft, ebenso wie die mutmaßliche Witwe Katrin, die mit ihrem Schwager Christian und Liliane nur noch über Anwälte kommuniziert.

Größter Handelskonzern Deutschlands

Liliane, so heißt es in Mülheim, sei viele Jahre von Karl-Erivan und von Schwiegermutter Helga schlecht behandelt worden. Jetzt ist offenbar Rache angesagt. Und Katrin bekommt kaum Zugriff auf die persönlichen Dinge des Ex-Konzernchefs Karl-Erivan, darunter ein paar Dutzend wertvolle Oldtimer auf dem Firmengelände.

Tengelmann steht auf drei Beinen: Den Handelstöchtern Kik, Obi und Tedi, der Immobiliengesellschaft Trei Real Estate sowie den Beteiligungen an Dutzenden Unternehmen in den USA und in Europa darunter Zalando und Delivery Hero. Vor mehr als 150 Jahren wurde die Firma gegründet, die Erivan Haub dann ab den 1970er Jahren zum größten Handelskonzern Deutschlands ausbaute. In Mülheim an der Ruhr, wo Stinnes seine Wurzeln hat und wo Aldi Süd bis heute ansässig ist.

Erivan Haub hatte 1969 von einem Onkel Tengelmann übernommen. Er kaufte in den folgenden Jahrzehnten Unternehmen im In- und Ausland hinzu, unter anderem mit A&P die älteste Supermarktkette in den USA. In das Land der unbegrenzten Möglichkeiten hatte sich Erivan Haub in den 1950er Jahren während einer kaufmännischen Ausbildung in Chicago verliebt.

Als Großunternehmer mit einem Milliardenvermögen kaufte er sich später eine Ranch in Wyoming und züchtete Bisons. Hier starb der Patriarch im März vergangenen Jahres im Alter von 85 Jahren. Alle drei Söhne der Eheleute Erivan und Helga Haub wurden zwischen 1960 und 1964 in den USA geboren.

Nach dem Verschwinden von Karl-Erivan (l.) haben sich die Brüder Christian (r.) und Georg verbündet.
Nach dem Verschwinden von Karl-Erivan (l.) haben sich die Brüder Christian (r.) und Georg verbündet.

© Roland Weihrauch/dpa

In 1990er Jahren begann das Handelsgeschäft zu schwächeln und Erivan musste aus seinem persönlichen Vermögen Geld zuschießen. Gleichzeitig nahmen in der Familie die Unstimmigkeiten über die Strategie zu, die dann mit Hilfe eines Vertrauten von Helga überarbeitet wurde: Der frühere Wella-Chef Peter Zühlsdorff moderierte gemeinsam mit Helga den Generationenwechsel.

Erivan zog sich mit Ach und Krach aus dem operativen Geschäft zurück und übergab die Führung im Jahr 2000 an „Charly“, wie der älteste Sohn Karl-Erivan genannt wurde. Georg, Architekt und Restaurator, bekam damals die Verantwortung für die Immobilien übertragen, und der jüngste Sohn Christian kümmerte sich um die Beteiligungen in den USA. Der richtige Job für einen Investmentbanker.

Der Konzern schrumpfte unter Karl-Erivan gewaltig

Charly, der neue Chef an der Mülheimer Wissoll-Straße räumte auf: Es begann mit dem Verkauf der Süßwarenfabrik Wissol und des Discounters Plus und endete vor drei Jahren mit dem wettbewerbsrechtlich und politisch brisanten Verkauf von Kaiser’s an Edeka und Rewe.

Der Konzern schrumpfte unter Karl-Erivan gewaltig: 2003 lag der Umsatz bei 27Milliarden Euro, 2016 waren es 6,5 Milliarden. Zwischenzeitlich musste A&P in die Insolvenz – was Karl-Erivan auch als Beleg für das bescheidene unternehmerische Talent seines Bruders Christian nahm. Aus dieser Zeit stammen Verletzungen, die heute die Familie zerreißen.

Christian und Liliane hätten manche Demütigung über sich ergehen lassen müssen, heißt es in Mülheim. Jetzt mischt Liliane mit in der Zentrale. Sie hat erheblichen Einfluss auf Christian, der bald nach seiner Rückkehr aus den USA eine machtstrategisch wichtig Entscheidung traf: Er berief Georg, das schwarze Schaf der Familie, in den Beirat. Ein paar Jahre zuvor hatte Karl-Erivan noch Detektive auf Georg angesetzt.

Karl Erivan Haub (l.) mit Frau Katrin (3.v.li.) und seinen Eltern Erivan Haub und Helga im Jahr 2011.
Karl Erivan Haub (l.) mit Frau Katrin (3.v.li.) und seinen Eltern Erivan Haub und Helga im Jahr 2011.

© Imago Stock&People

Nun gehört Georg wieder dazu, was womöglich auch mit dem guten Verhältnis von Liliane zu Georgs Ehefrau zusammenhängt. Georg hatte im Mai vergangenen Jahres die Kommunikationsmanagerin Anabel Ternès geheiratet. Das Brautpaar wurde von Heidi Hetzer zum Standesamt in Charlottenburg gefahren. Wie in der Klatschpresse zu lesen war, hielt Bruder Christian ein sehr emotionale Hochzeitsrede, wenige Wochen, nachdem Karl-Erivan im Matterhorn-Gletschermassiv verschollen war. Mutter Helga war bei der zweiten Eheschließung ihres jüngsten Sohnes nicht zugegen. Womöglich ahnte sie im Mai bereits, was da noch kommen würde.

Der Konzern gehörte bis März 2018 vier Männern

Tengelmann gehörte bis März vergangenen Jahres vier Männern: Die Söhne hielten jeweils 31,3 Prozent und der Vater 6,1 Prozent. Nach dessen Tod gingen die 6,1 Prozent hälftig auf Karl-Erivan und Christan über, Georgs Anteil blieb unverändert. Karl- Erivans Anteil ist nach dessen Verschwinden gewisserweise herrenlos. Wenn seine Ehefrau Katrin ihn für tot erklären ließe, was rechtlich nicht so einfach ist, und die Anteile ihr zufielen, wäre ein mittlerer dreistelliger Millionenbetrag an Erbschaftssteuer fällig. Das will sie vermeiden.

Christian wiederum hat den Beirat neu zusammengesetzt – ohne seine Schwägerin Katrin und deren Kinder, die von Karl-Erivan und Katrin jene 3,05 Prozent übertragen bekommen haben, die der Sohn vom Vater geerbt hatte. Sehr nett und liebenswürdig, aber entscheidungsschwach wird Christian geschildert. Davon war im ersten Jahr in Mülheim nichts zu merken.

Der neue starke Mann schafft die Zentrale ab und verhandelt mit der Stadt über die künftige Nutzung der 50.000 Quadratmeter großen Fläche. Von den aktuell 230 Mitarbeitern wird kaum noch jemand gebraucht; die großen Beteiligungen Obi und Kik agieren selbstständig und Christian macht aus dem Handelskonzern ein Family Office, das sich allein der Verwaltung des Familienvermögens widmet; Schätzungen zufolge gut fünf Milliarden Euro. Für die beteiligten Anwälte ist der Familienkrieg ein Glücksfall.

Mutter Helga hat sich nach Wiesbaden zurückgezogen, während Katrin und ihre zwei Kinder um Einfluss kämpfen. „Ich bin ganz zuversichtlich, dass sie alle Interesse am Unternehmen haben werden“, hatte Karl-Erivan vor zwei Jahren anlässlich des 150. Firmenjubiläums über seine zwei Kinder sowie die sechs Nichten und Neffen gesagt. Mit seinem Verschwinden am Matterhorn kam alles ganz anders.

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