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Bahn-Tarifkonflikt: Druck von allen Seiten

Im Bahn-Tarifstreit fordert Merkel eine „zügige Einigung“. Die Gewerkschaftsbasis lehnt Kompromisse jedoch ab. Hinter einen eigenen Tarifvertrag dürfe man nicht zurückgehen.

Berlin – Bahn-Chef Hartmut Mehdorn war Druck von allen Seiten ausgesetzt. Nicht allein Gewerkschaftsführer Manfred Schell machte ihm in den zweitägigen Sondierungsgesprächen das Leben schwer, der Druck kam auch von ganz oben. „Wir brauchen eine volle Konzentration der Verhandlungspartner auf eine zügige Einigung“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die den Bund als Eigentümer vertritt und in Sachen Bahn selten die Stimme erhebt. Zuvor hatte schon Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) Mehdorn öffentlich gedrängt, sich zu bewegen.

Das geforderte neue Angebot liegt nun vor, über seine Details schweigen sich die Verhandlungspartner aber vorerst aus. Mehdorn spricht von einem „deutlich verbesserten Angebot“ und hebt hervor, dass es bereits das sechste sei. „Wir sind ab sofort jederzeit und an jedem Ort zu Verhandlungen bereit.“ Auf der Gegenseite gibt man sich ähnlich schmallippig: „Wir werden das Angebot prüfen“, erklärte Schell, Vorsitzender der Gewerkschaft der Lokführer (GDL). Am kommenden Montag werde der Hauptvorstand entscheiden, „ob wir auf der Basis dieses Angebots in Verhandlungen eintreten werden“. Bis dahin werde auf keinen Fall gestreikt.

Nicht nur Mehdorn steht unter Druck, sondern auch Schell – allerdings von unten. Langwierige Verhandlungen dürfe es jetzt nicht mehr geben, sagte der GDL-Bezirkschef für Berlin, Brandenburg und Sachsen, Hans-Joachim Kernchen, dem Tagesspiegel. „Dazu ist die Ungeduld an der Basis zu groß.“ Es dürfe auch keine großen Kompromisse geben: „Ein eigener Tarifvertrag ist das Wichtigste, dahinter sollten wir nicht zurückgehen.“ Der Bahn warf Kernchen eine Hinhaltetaktik vor. Die Wirkung der Streiks dürfe man „jetzt nicht einfach verpuffen lassen“, sagte er. „Entweder man hat den Willen zur Einigung, oder wir müssen eben doch wieder zu anderen Mitteln greifen.“

Klar ist: Beurteilt die GDL das Angebot am Montag als Ausgangspunkt für förmliche Verhandlungen, unterliegt sie der Friedenspflicht. Dann gäbe es wohl in diesem Jahr keine Streiks mehr. Merkel, die sich in der „Bild“-Zeitung äußerte, forderte, der Tarifkonflikt dürfe nicht noch bis Weihnachten dauern. GDL-Vize Günther Kinscher sprach von „sehr harten Verhandlungsrunden“, der GDL-Chef von Nordrhein-Westfalen, Frank Schmidt, sagte, man sei „auf einem guten Weg“. Der Tarifstreit dreht sich vor allem um zwei Forderungen: Die Lokführer wollen einen eigenständigen Tarifvertrag durchsetzen und mindestens zehn Prozent mehr Gehalt. Allerdings haben die beiden anderen Bahngewerkschaften Transnet und GDBA bereits im Juli einen Tarifvertrag abgeschlossen, der lediglich 4,5 Prozent mehr Einkommen vorsieht. Sollten die Lokführer tatsächlich mehr rausholen, müsste die Bahn auch für die übrigen Beschäftigten neu verhandeln.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund erneuerte seine Kritik an den Lokführern. „Wenn man nur auf seine eigene Klientel schaut, hat das mit Solidarität wenig zu tun“, sagte DGB-Chef Michael Sommer der Wochenzeitung „Zeit“. Falls die Lokführer Erfolg hätten, drohten „britische Verhältnisse“ und ein schlechteres soziales Klima bei der Bahn. Doch verstehe er, warum es in der Bevölkerung Zustimmung für die Lokführer gebe, sagte Sommer. „Viele Menschen sind die ständige Aufforderung zum Maßhalten, die Appelle zur Lohnzurückhaltung leid.“

Manche Experten wollen nun das Streikrecht beschneiden. Eine Gewerkschaft solle erst streiken dürfen, „nachdem sie sich auf ein Schlichtungsbegehren der Arbeitgeberseite eingelassen hat“, forderte etwa der Münchner Arbeitsrechtler Volker Rieble in der „Zeit“.

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