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Edelmetalle, Schmuck, Erbstücke und Dokumente werden gerne im Schließfach gelagert. Den Inhalt seines Schließfachs kennt nur der Kunde. 

© Daniel Reinhardt/dpa

Bankschließfach mieten: Draußen vor dem Tresor

Berliner Banken verzeichnen eine steigende Nachfrage nach Schließfächern. Das ruft nicht nur Bankräuber auf den Plan.

Brexit-Votum und Trump-Wahl, Bankenkrise und Flüchtlingselend: Man muss kein ausgesprochener Pessimist sein, um zu befürchten, dass es vor und hinter den Kulissen der Weltgemeinschaft auch 2017 weiterhin heftig krachen wird. Manche Meldungen in den Abendnachrichten klingen wie Vorboten des Untergangs Europas und des Finanzsystems. Hinzu kommt, dass die Einbruchszahlen stiegen. Kann man sich dagegen als Normalverbraucher wappnen? Viele Haushalte in Berlin glauben das und wollen ein Bankschließfach mieten. Doch das ist gar nicht so einfach – und birgt neue Risiken.

Freie Schließfächer sind in den innerstädtischen Bezirken rar

Alle drei Minuten wird laut aktueller Kriminalstatistik irgendwo in Deutschland eingebrochen. Die Zahl der Einbrüche ist im letzten Jahr um zehn Prozent gestiegen, seit 2005 sogar um 50 Prozent. Gerade in der dunklen Jahreszeit werden Einbrecher aktiv. „Nicht zuletzt aufgrund dieser Entwicklung verzeichnen wir eine steigende Nachfrage nach Schließfächern“, sagt Mathias Paulokat, Pressesprecher der Commerzbank Berlin. Das Unternehmen bietet bundesweit rund 230 000 Schließfächer an. Wie viele es in Berlin sind, ist geheim.

Die Belegungsquote ist regional und über die Stadt verteilt unterschiedlich: „An einigen Standorten sind derzeit noch Schließfächer verfügbar“, sagt der Mann von der Commerzbank. Paulokat deutet damit an, was auch von anderen Banken zu hören ist. Freie Schließfächer sind in den innerstädtischen Bezirken Berlins rar. Bei der Berliner Sparkasse sind von den rund 40 000 Schließfächern rund neunzig Prozent der Schrankfächer vergeben, bestätigt auf Anfrage eine Sprecherin des Unternehmens. Wer gerne ein Bankschließfach in Pankow hätte, wird schon einmal nach Tegel geschickt.

Aus der Berliner Volksbank ist zu hören, dass die Nachfrage nach Schließfächern leicht zugenommen hat. Aus Sicherheitsgründen wolle man jedoch grundsätzlich keine Auskunft über die Anzahl und die Menge der vermieteten Schließfächer geben. Das ist nachvollziehbar. Die Berliner Volksbank leidet immer noch unter dem Tunnelraub von Steglitz. Im Januar 2013 gruben Bankeinbrecher einen 45 Meter langen Tunnel, durchbrachen eine 80 Zentimeter dicke Mauer, um in den Tresor einer Volksbank-Filiale zu gelangen. Sie raubten Millionenwerte.

Das kleinste Fach kostet knapp 60 Euro im Jahr

Seitdem gehören zur Suche nach einem verfügbaren Schließfach immer auch Antworten auf die Frage nach der Versicherung des Inhaltes gegen Risiken wie Feuer, Einbruchdiebstahl und Raub und Leitungswasser. In die Fächermieten der Banken ist zumeist keine Versicherungsgebühr eingepreist. Bei der Deutschen Bank zum Beispiel beträgt die Mindestversicherungssumme 42 000 Euro und kostet 24,08 Euro im Jahr. Von der Versicherung ausgenommen ist aber zum Beispiel bei der Commerzbank Bargeld. Auch bei Elementarschäden wie Erdbeben oder Überschwemmungen ist nicht mit Kulanzregelungen durch eine Versicherung zu rechnen.

Zu der Versicherungsgebühr kommt die Schrankfach-Miete. Sie wird nach der Größe des Fachs berechnet. Bei der Deutschen Bank zum Beispiel kostet das kleinste Fach (bis 9000 ccm) knapp 60 Euro im Jahr, das größte (größer als 144 000 ccm) 476 Euro.

„Zur Sicherheit sollte der Kunde eine Inventarliste anlegen, so gibt es auch keine unnötigen Streitereien in Versicherungs- oder Erbfällen“, rät Mathias Paulokat von der Commerzbank. Auch wenn der Schlüssel zum Banktresor verloren gehe, müsse sich der Kunde keine Sorgen machen. „Bei jedem Besuch wird die Identität und Unterschrift des Tresorinhabers überprüft. Außerdem sind auf dem Schlüssel keine Informationen über den Standort des Schließfaches zu finden. Bei Verlust wird der Schlüssel samt Schloss ausgetauscht.“

Manche sehen in der Vermietung von Schließfächern ein Geschäftsmodell der Zukunft

Banken erwarten, dass der Mieter eines Schließfachs zugleich kontoführender Kunde des jeweiligen Instituts ist. Das hat mit Blick auf die bei Schließfächern vorherrschende Mangelwirtschaft aber bankenunabhängige Anbieter auf den Plan gerufen, die gerne auf weitere Vorzüge ihrer Unternehmen verweisen: „Als von der griechischen Regierung Bankfeiertage verhängt wurden,“ gibt Tim Schieferstein, Geschäftsführer der Goldsilbershop.de GmbH zu bedenken, „waren Bankschließfachbesitzer mittellos: Genauso wie Landsleute, die vor leeren oder gesperrten Geldautomaten standen, schauten auch die Schließfachbesitzer bestenfalls durch die verschlossenen Eingangstüren der Bank auf ihr Schließfach. Zugriff auf ihre Notreserve hatten sie jedoch nicht.“ Sein Unternehmen biete deshalb eine bankenunabhängige Lagerung bei Wertdienstleistern an, sagt Schieferstein.

Die Degussa Goldhandel GmbH geht noch einen Schritt weiter und sieht in der Vermietung von Schließfächern ein Geschäftsmodell der Zukunft. Denn Online-Banken zum Beispiel bieten keine Schließfächer an und traditionelle Bankunternehmen mit Filialketten bauen mit ihren Filialen gelegentlich auch gleich ihre Schließfachkapazitäten mit ab. Nach Erkenntnissen des Bundesverbandes deutscher Banken ist die Zahl der Filialen von Banken und Sparkassen in den letzten Jahrzehnten stetig gesunken. Gab es 2007 noch knapp 40 000 Filialen in Deutschland, waren es Ende 2015 noch rund 34 000.

„Wir merken, dass es eine große Nachfrage gibt“, sagt Degussa-Geschäftsführer Wolfgang Wrzesniok-Roßbach. Der Goldhändler verzeichnet nach eigenen Angaben mit dem Dezember seit fünf Jahren die besten drei Verkaufsmonate in Folge. „Das hat damit zu tun, wie die Lage auf den Finanzmärkten bewertet wird und weil der Goldpreis zurückgegangen ist“, sagt der Degussa-Mann.

In Genf gebe es bereits reine Schließfachanbieter, in Deutschland sei das noch nicht so. „Es ist auch eine Frage des hohen Investments für die Kunden“, sagt Wrzesniok-Roßbach. Der Bau von Schließfächern ist teuer, kann sich aber rechnen: „Es ist vielen Kunden wichtig, dass wir Schließfächer anbieten, die nicht der Bankenregulierung unterliegen.“ Zur Degussa könne jeder kommen. Auch der Kunde, der hier keine Edelmetalle erworben habe, wirbt der Geschäftsführer. Doch in Berlin seien zurzeit alle Fächer ausgebucht:  „Wir planen, unsere Kapazitäten zu erweitern.“ Wo die Schätze der Kunden demnächst lagern, bleibt noch geheim.

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