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Mario Draghi wird im Herbst das Amt als EZB-Chef turnusgemäß abgeben.

© AFP

Draghi prüft alle Optionen: Kommen bald Strafzinsen für Sparer?

EZB-Chef Mario Draghi stellt eine weitere Lockerung der Geldpolitik in Aussicht. Selbst Strafzinsen für Sparer scheinen nun nicht mehr undenkbar. Eine Analyse.

Von Carla Neuhaus

Fast genau sieben Jahre ist es her, dass Mario Draghi mit seinem Versprechen den Euro gerettet hat. Er werde tun, „was immer nötig ist“, sagte er, „whatever it takes“. Doch so dankbar man dem Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) damals war, so groß ist heute die Ernüchterung.

Statt zur Normalität zurückzukehren, weitet Draghi kurz vor dem Ende seiner Amtszeit die lockere Geldpolitik noch einmal aus. Derzeit lasse er dafür alle Maßnahmen prüfen, sagte er am Donnerstag nach einer Sitzung des EZB-Rats. Vorstellen kann Draghi sich zum Beispiel, dass die Zentralbank wieder mehr Staatsanleihen der Euroländer aufkauft. Ebenso hält er es sich aber offen, die Zinsen weiter zu senken. „Wir wollten uns bewusst Spielraum lassen“, sagt Draghi.

Der EZB-Chef reagiert damit auf die maue wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone. Zwar hält er die Gefahr einer Rezession derzeit noch für gering. Auch hätten weiterhin viele Menschen einen Job. Doch in der Industrie – einer für viele Mitgliedsstaaten sehr wichtige Branche – trübe sich der Ausblick ein.

Für Sparer sind das schlechte Nachrichten

Schon jetzt liegt der Leitzins bei null Prozent. Banken können sich also kostenlos Geld bei der Zentralbank leihen. Das soll die Institute dazu animieren, mehr Kredite zu vergeben – in der Hoffnung, dass dadurch die Wirtschaft angekurbelt wird und die Preise steigen. Gleichzeitig müssen Banken schon jetzt einen Strafzins von 0,4 Prozent zahlen, wenn sie Einlagen bei der Zentralbank parken: Sie werden also dafür bestraft, wenn sie Spareinlagen ihrer Kunden bei der EZB hinterlegen, statt sie als Kredite an Unternehmen auszureichen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) mit Hauptsitz in Frankfurt am Main.
Die Europäische Zentralbank (EZB) mit Hauptsitz in Frankfurt am Main.

© dpa

Draghi hat nun angekündigt, die Leitzinsen mindestens bis Mitte 2020 auf dem heutigen Niveau zu belassen oder sie sogar weiter zu senken. Mit anderen Worten: Es ist durchaus möglich, dass der Leitzins ins Minus fällt. Auch die Strafzinsen für die Banken könnten weiter steigen. Um die Institute immerhin etwas zu entlasten, hat Draghi dafür jedoch Staffelzinsen ins Spiel gebracht. Vorstellbar ist also, dass ein höherer Strafzins für die Banken erst ab einer bestimmten Summe fällig wird. Eine Entscheidung darüber dürfte im September fallen, wenn der EZB-Rat erneut zusammenkommt.

Für Sparer bedeutet das: Sie bekommen für ihr Geld, das sie zum Beispiel auf einem Tagesgeldkonto parken, weiterhin keine nennenswerte Belohnung. Im Gegenteil: Macht Draghi von den nun angekündigten Optionen Gebrauch, müssen auch Verbraucher fürchten, in Zukunft fürs Sparen bestraft zu werden. Bislang versuchen die Banken das zu vermeiden. Lediglich von Unternehmen und institutionellen Anlegern wie Versicherern verlangen sie einen Strafzins – und das auch nur, wenn sie besonders hohe Summen auf dem Konto liegen haben.

Die Belastung für die Banken ist enorm

Entscheidend ist nun die Frage: Wie lange bleiben Sparer noch verschont? Denn schon jetzt ist die Belastung für die Banken enorm. 7,5 Milliarden Euro zahlen die Geldinstitute der Eurozone jedes Jahr an die EZB, um überschüssige Einlagen bei ihr zu parken. Die deutschen Banken trifft das besonders stark. Auf sie entfällt ein Drittel dieses Betrags: Zusammen zahlen sie im Jahr 2,4 Milliarden Euro an die EZB. Das ihr Anteil so groß ist, liegt schlicht daran, dass Deutschland eine Nation der Sparer ist. Die Bundesbürger trauen den Banken sehr viel mehr Geld an, als die an Krediten an Unternehmen ausreichen können. Entsprechend große Beträge müssen die Institute bei der EZB parken.

Auch Aufseher machen sich inzwischen Sorgen. Felix Hufeld, Präsident der Finanzaufsicht Bafin, warnte jüngst bereits vor einem Bankensterben. Wenn die EZB die Strafzinsen für die Institute weiter anhebt, dann „wird es halt tough“, sagte er. „Dann werden mehr Banken aus dem Markt gehen, dann wird es mehr Konsolidierung und schnellere Konsolidierung geben.“ Einfacher wird es für Banken und Sparer sobald aber nicht.

Bafin-Präsident Felix Hufeld warnt vor einem Bankensterben.
Bafin-Präsident Felix Hufeld warnt vor einem Bankensterben.

© Mike Wolff

ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann vermutet, dass die EZB ihre Politik der Null- und Negativzinsen „noch auf Jahre hinaus weiterführen“ dürfte. Auch Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater hält positive Zinsen „in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre so gut wie ausgeschlossen, wenn nicht für die gesamte kommende Dekade“.

Experten fürchten japanische Verhältnisse

Marija Kolak rechnet ebenfalls damit, dass die Zinsen noch fünf Jahre lang mickrig bleiben. „Offenbar sind wir im Japan-Szenario angekommen“, sagte die Präsidentin des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) kürzlich. Dabei gilt Japan nicht gerade als Vorbild in der Geldpolitik. Seit inzwischen mehr als 20 Jahren sind die Zinsen dort praktisch bei null Prozent. Die Regierung in Tokio will auf diese Weise die Wirtschaft ankurbeln – was bislang aber kaum gelingt.

Dafür zeigt das Beispiel Japan, was eine solch langanhaltende Phase niedriger Zinsen für die Banken bedeutet. Denn sie können an dem klassischen Bankgeschäft kaum noch verdienen. Normalerweise nehmen die Institute Geld ein, indem sie für Kredite höhere Zinsen verlangen, als sie Sparern zahlen. Je weiter aber die Zentralbank die Zinsen nach unten drückt, desto geringer fällt die Marge der Banken aus. Und je länger diese Phase anhält, desto schlimmer. In Japan mussten viele Regionalbanken deshalb massiv Filialen schließen oder gleich mit anderen Instituten fusionieren.

„Angesichts der Erfahrungen in Japan können wir nur davor warnen, diese langfristig negativen Effekte zu unterschätzen“, meint Sparkassenpräsident Helmut Schleweis. Er warnt vor den Folgen, sollte die Phase negativer Zinsen für Banken anhalten oder sich sogar noch verschärfen. „Das wird für die Wirtschaft und für jeden in diesem Land deutlich spürbar werden.“

Von Strafzinsen für Sparern will Schleweis zwar noch nicht sprechen. Dafür tut das ein Kollege von ihm. Peter Schneider, Sparkassenpräsident in Baden-Württemberg, sagte jüngst: „Wenn dieses Zinsniveau auf einer langen Achse fortgeschrieben wird, dann wird der betriebswirtschaftliche Druck so groß, dass sich niemand mehr Negativzinsen entziehen kann.“

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