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Die Gründer von Frachtraum: Gabriel Sieglerschmidt, Mark Kirschbaum und Stefan Dörfelt (v.l.n.r.)

© rFoto:Pomo/ Frachtraum

Das Start-up Frachtraum: Digitale Helden der Landstraße

Die Zukunft der deutschen Speditionen liegt im Internet. Das Logistik-Start-up Frachtraum will Transportaufträge so einfach wie Flugbuchungen machen

Digitaltechnik und Internetlösungen sind in vielen Wirtschaftsbereichen kaum noch wegzudenken. Nur in der deutschen Logistikbranche, bisher führend auf den globalen Märkten, scheint man den Trend verschlafen zu haben. "Gerade bei den kleinen und mittleren Unternehmen im klassischen Speditionsgewerbe herrscht immer noch die typische Zettelwirtschaft, mit mehreren Durchschlägen, ständigen Telefonaten zwischen Kunden, Spedition und Fahrern sowie schwer vermittelbaren Kostenschwankungen", sagt Stefan Dörfelt. Er ist einer von drei Gründern des Berliner Start-ups "Frachtraum", das seit knapp einem Jahr über sein Onlineportal nationalen und internationalen Frachtverkehr managt.

Das Speditionsgewerbe hat sich in den vergangenen Jahren nachhaltig verändert. Neben der gestiegenen Konkurrenz durch die Globalisierung haben vor allem ein verändertes Kundenverhalten, kürzere Lagerzeiten und der demografische Wandel die Anforderungen an die Logistik beeinflusst, wie Dörfelt erzählt: "Das erforderte mehr Flexibilität bei allen Beteiligten, die nur durch digitale Logistik koordiniert werden kann." Mit seiner Forderung nach der "Spedition 4.0" ist der 29-jährige Produktmanager nicht allein. Eine Marktanalyse der Managementberatung Oliver Wyman vom Januar 2017 kommt zu dem Schluss: "Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, sollten die etablierten Logistikdienstleister weitaus stärker als bisher die Zusammenarbeit mit innovativen Start-ups ihrer Branche suchen."

Die internationale Strategieagentur mit deutschem Sitz in München sieht einen klaren Aufwind für die Logistik-Start-ups. Ein Trend, der aus den USA und Asien kommt und sich sehr bald auch in Europa auswirken wird. Dort investieren die großen Venture-Capital-Firmen verstärkt in Start-ups wie UShip, Flexport oder Freighthub, die die Digitalisierung vorantreiben und die Abwicklung des internationalen Fern- und Schiffsverkehrs beschleunigen werden. Laut der Analyse haben die großen US-amerikanischen Venture-Capital-Firmen im Jahr 2016 mehr als 250 Millionen Euro in Logistik-Start-ups gesteckt. In Deutschland wurden im vergangenen Jahr 42 Logistik-Start-ups gegründet.

Stefan Dörfelt und seine Mitgründer Gabriel Sieglerschmidt und Mark Kirschbaum haben während ihrer Ausbildung oder im Beruf bereits Erfahrungen im Logistiksektor gesammelt, unter anderem bei der Tchibo GmbH oder bei SAP. Sie erkannten in der Praxis, was an der klassischen Logistik zu verbessern war, und entwickelten gemeinsam ihre Idee von einer digitalen Transportabwicklung, die zugänglich für alle Auftraggeber und Spediteure sein sollte. "Transporte sollen genauso einfach zu buchen sein wie ein ganz normaler Urlaubsflug", beschreibt Dörfelt den pragmatischen Ansatz. Über ein Jahr lang arbeiteten sie an ihrer Frachtraum-Software, bevor das Portal im April 2016 an den Start ging. Es funktioniert tatsächlich recht einfach: Die registrierten Kunden geben Abholungsort, Ziel und Art des Aufliegers ein und erfahren umgehend, wie schnell und zu welchen Kosten der Transport verlaufen wird. Möglich machen das die Big-Data-Analysen der neuen Software, die zu jeder Zeit sämtliche Aufträge koordiniert, per Telematik und GPS die Laderaumkapazitäten und Routen der involvierten LKWs sowie sämtliche Eckdaten der Verkehrswege inklusive Staus und anderen Verkehrsbehinderungen erfasst.

Bei großen Spediteuren und Unternehmen wie DB Schenker oder DHL werden eigene logistische Assistenzsysteme auf Big-Data-Basis schon länger eingesetzt. Mittlere Unternehmen oder Einzelfahrer können sich solchen organisatorischen Aufwand aber nicht leisten. Frachtraum ermöglicht nun diesen Spediteuren, durch die Teilnahme am Internetportal ihre Kapazitäten optimal auszunutzen und Leerfahrten zu vermeiden. Das Ziel sind optimale Lieferketten, die möglichst wenig unterbrochen werden. Zudem nimmt die kostenlos zugängliche Webseite den Kleinunternehmern Akquise und Verwaltung ab und verbessert die Kommunikation. Per App landet der Vorgang auch auf dem Smartphone, so seien die LKW-Fahrer jederzeit zu orten und zu erreichen, erzählt Dörfelt. "Diese Art der Digitalisierung erlaubt eine schnelle Reaktion, wenn mal etwas schiefläuft." Die Auftraggeber wissen auf diese Weise stets, wo ihre Ware ist, auch wenn es zum Beispiel verkehrsbedingt zu Verzögerungen kommt. Ständiges Hin-und-her-Telefonieren zwischen Sender, Spediteur und Empfänger kann so entfallen.

Die Auftraggeber bei Frachtraum sind meist mittelständische Firmen, die, wie man im Blog der Webseite nachlesen kann, vor allem sehr froh darüber sind, dass ihnen bei der Auslieferung der Verwaltungsaufwand abgenommen wird. Ein paar Klicks und der Auftrag läuft, die Kosten für den Transport sind sofort ersichtlich, und der bisher notwendige Papierkrieg entfällt. Bei Nachfragen kann selbstverständlich immer noch bei der digitalen Speditionsfirma angerufen werden, doch der Großteil der Kommunikation zwischen Auftraggebern und Frachtraum findet bereits per Chat auf der Webseite statt. 20 feste und 30 freie Mitarbeiter beschäftigt das Berliner Start-up bereits, die Hälfte des Teams ist noch mit der Weiterentwicklung der Speditionssoftware beschäftigt, wie Dörfelt sagt. Dass die Firma auf dem richtigen Weg ist, zeigt auch die Namensänderung von "Überland" zu "Frachtraum" an. Unter dem ersten Namen gingen die Gründer an den Start, bis ihnen der US-Dienstleistungskonzern Uber eine Klage wegen Trademark-Verletzung androhte. Solche Konkurrenz ist fast schon eine Adelung für ein kleines Kreuzberger Unternehmen. Mit dem Namen Frachtraum sei man aber auch nicht unglücklich, sagt Dörfelt, "den haben wir uns dann sehr bewusst ausgewählt".

Die momentane Hauptaufgabe des Start-ups sehen die Gründer von Frachtraum nun darin, weitere Auftraggeber zu finden, die ihren digitalen Speditionsservice nutzen sollen. "Alle unsere bisherigen Kunden sind hochzufrieden", sagt Dörfelt, "es geht nun darum, unsere Firma und unser Angebot noch bekannter zu machen. Das funktioniert im Logistikgewerbe am besten über die direkte Ansprache, das allerdings ist noch genauso wie früher."

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