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Bloß nicht vorbei fahren. Wer schon während des Studiums praktische Kompetenzen entwickelt, läuft nicht Gefahr, fernab der eigenen beruflichen Ziele zu studieren. Foto: dpa

© picture-alliance/ dpa

Wirtschaft: Die Weichen richtig stellen

Ein Studium erhöht die Berufschancen – wenn man weiß, wohin man will.

Eine glänzende Studentin, zwischendurch mal zwei Jahre im Einzelhandel gearbeitet, nach dem Abschluss fünf oder sechs Praktika, danach von einem Projekt zum nächsten. Dan Wollschläger sieht oft rückblickend im Lebenslauf, welche Probleme junge Akademiker bei der Jobsuche haben. „Hochqualifiziert und flexibel“ seien sie, beobachtet der Personalberater vom Karriereservice des Weiterbildungsanbieters Cimdata – sie waren im Studium überdurchschnittlich interessiert, für alles offen, waren im Ausland und sprechen mehrere Sprachen. Aber nicht selten folge dann bei der Arbeitssuche eine große Angst, denn wofür sie nochmal qualifiziert sind, haben sie vor lauter Studieren nicht mehr parat. „Was kann ich eigentlich?“, fragen sich manche von ihnen trotz Abschluss, erzählt Wollschläger, und kommen früher oder später zu ihm und seinen Kollegen auf der Suche nach praktischen Fertigkeiten und Rat. Dabei müssen gerade Akademiker, die in ihrem Studium viele Wissensfelder kennen gelernt haben ohne ein vorgegebenes klares Berufsfeld, lernen ihr berufliches Profil klar zu vermitteln und Dinge auf den Punkt zu bringen. Nur so können sie bei der Arbeitssuche ein eindeutiges Angebot machen. Auf Suchphasen müssen sich in Berlin nämlich Akademiker aller Studienrichtungen einstellen.

Für Akademiker gilt in Deutschland laut Statistik eigentlich Vollbeschäftigung. Absolventen aller Studienrichtungen finden früher oder später auch mit höherer Wahrscheinlichkeit einen Job als andere Bevölkerungsgruppen. Kritiker sagen aber, dass die Statistiken verdecken, wie viele Akademiker fachfremd oder unter ihrer Qualifikation arbeiten. Berlin gilt zusätzlich als Sonderfall: hier gibt es viele Hochschulen, aber wenig Industrie sagt Kerstin Rutzen, Arbeitsvermittlerin für akademische Berufe in der Agentur für Arbeit, trotzdem wollen viele der Absolventen in der Stadt bleiben, mehr Akademiker als in anderen Regionen suchen deshalb hier Arbeit. 20 028 Experten waren in Berlin im Juli 2013 arbeitslos gemeldet, in ganz Deutschland waren es 159 375 Personen. Jeder achte hochqualifizierte Arbeitslose lebt in Berlin. Selbst Naturwissenschaftler, Techniker und Wirtschaftswissenschaftler, die deutschlandweit gesucht werden, brauchen hier länger um eine neue Stelle zu finden, sagt Rutzen. Geisteswissenschaftler müssten sich, wenn es mit der wissenschaftlichen Karriere nicht klappt, häufig ganz neu orientieren.

Berufsfeldqualifikation gehört mittlerweile zu jedem Studiengang fest dazu, ohne diese gibt es gar keinen Abschluss, sagt Rosmarie Schwartz-Jaroß, die das Referat Beruf und Wissenschaft an der Humboldt Universität leitet. Doch besonders für Bachelor-Absolventen seien die Berufsaussichten oft unklar. Schwartz-Jaroß rät dazu, schon während des Studiums zusätzliche praktische Kompetenzen zu entwickeln, um nicht „an den eigenen Zielen vorbei zu studieren“. Ein Soziologe, der in die Wirtschaft wolle, müsse zum Beispiel eine Bilanz lesen können. Die Studierenden lernen in den Zusatzangeboten auch, die Kompetenzen aus dem Studium entsprechend zu vermitteln anstatt das Studium durch Zusatzkurse zu kompensieren. „Das Studium bleibt das A&O“, so Schwartz-Jaroß. Für viele verantwortungsvolle Positionen ist ein Hochschulabschluss Voraussetzung, erinnert sie.

Auch Dan Wollschläger ermuntert Akademiker auf Jobsuche zu Selbstbewusstsein. Ein Studium sei eine „herausragende Qualifikation“. Häufig sind die Berufswünsche aber zu eng wie bei „Geoinformationssystem-Entwickler“ oder zu weit wie bei „alles im Bereich Kultur“, sagt er. Erst mit einer genaueren beruflichen Vorstellung könne man aber als Akademiker auch wissen, welches Handwerkszeug und welche praktischen Zusatzqualifikationen in einem Berufsfeld nötig sind. Etwa Rechnungswesen für einen Kulturmanager, der einmal Förderanträge schreiben muss.

Weder der zweite Master noch die dritte praktische Weiterbildung erspart Bewerbern letztlich diese Fragen zu beantworten und zu fokussieren. Den Fokus braucht man auch für die Kommunikation. Sonst stoßen Akademiker schon bei Bewerbungen auf praktische Schwierigkeiten: Anschreiben seien viel zu lang, beobachtet Wollschläger, Lebensläufe hätten bis zu sechs Seiten statt ein oder zwei bis maximal drei. Bei Arbeitgebern bestätigt das Ängste und Vorbehalte gegenüber akademischen Bewerbern: dass sie nicht klar kommunizieren könnten; dass sie für alles zu viel Zeit brauchen und sich wohl nicht innerhalb von ein bis zwei Monaten einarbeiten würden; dass sie sich mit einem Doktortitel für etwas besseres halten als die Sekretärin oder als der Chef, der vielleicht ohne längeres Studium sein Unternehmen aufgebaut hat.

Die eigenen Unsicherheiten bei der Jobsuche können dann schnell als Arroganz gedeutet werden. Auch so eine Situation löst man am Besten schnell und praktisch: zum Beispiel durch eine freundliche Begrüßung aller Mitarbeiter.

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