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Ein Plattenbau in Berlin mit grün-gelber Fassade.

© picture alliance / dpa

Neubauten: Die Renaissance der Platte

Politik und Bauindustrie wollen die Preise für Neubauten durch serielle Fertigung senken. Doch der Ansatz greift zu kurz, sagen Experten.

Einfache Grundrisse, kastiger Schnitt: Die Wohnungsnot hat in den sechziger und siebziger Jahren eine Bauform hervorgebracht, die in der aktuellen Debatte um bezahlbaren Wohnraum eine Renaissance erlebt. Damals wie heute gehen Politik und Bauwirtschaft davon aus, dass sich die Preise für Neubauten vor allem mithilfe industrieller Fertigung und modularer Bauteile senken lassen – eine Kostenersparnis, die am Ende auch die Mieten niedrig halten soll.

Auch Michael Knipper, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, gehört zu den Verfechtern dieser Bauweise. „Wir können diese Mammutaufgabe nur bewältigen, wenn wir auf serielles Bauen zurückgreifen und neue Wege gehen“, sagt Knipper mit Blick auf die wachsende Wohnungsnot im Land.

"Städtebau muss sich vom Leitbild der Unikatfertigung verabschieden"

Vor allem im Modul- und Systembau, bei dem standardisierte Teile von der Industrie vorgefertigt und bei Bedarf geliefert werden, könne man erhebliche Kosten sparen, sagt Knipper. Die Industrie sei in der Lage, entsprechende Module zum Preis von 1000 bis 1300 Euro zu liefern.

Zudem ließen sich auch bei konventioneller Bauweise durch den Einsatz von standardisierten Gebäudeteilen Prozesse optimieren, was ebenfalls Zeit und Geld spare. „Wenn wir die Wohnungsengpässe schnell beseitigen wollen, müssen wir uns im Städtebau vom Leitbild der Unikatfertigung verabschieden“, sagt Knipper.

Serielles Bauen soll Bauschäden verhindern und Absprachen vereinfachen

Im Industriebau sind modulare Gebäude bereits gang und gäbe. In Serie vorgefertigte Gebäudeteile werden dort beispielsweise beim Bau von Produktionshallen oder Bürogebäuden eingesetzt. Auch in der Wissenschaft setzt man sich mit der Forderung von Bauverbandschef Knipper bereits seit einiger Zeit auseinander.

„Wir brauchen in Zukunft einfache, schadensunanfällige Wohngebäude, die an verschiedenen Stellen und für unterschiedliche Bedürfnisse eingesetzt werden können“, sagt Matthias Sundermeier, Professor und Leiter des Fachgebiets Bauwirtschaft und Baubetrieb am Institut für Bauingenieurwesen der Technischen Universität (TU) Berlin.

Diesen Anforderungen würden modulare Gebäude mit ihren einheitlichen Grundrissen und Maßen am ehesten entsprechen. „Ihre industrielle Herstellung macht die Baufirmen unabhängig von Witterungseinflüssen, verhindert Bauschäden, vereinfacht die Absprachen zwischen den Gewerken und beschleunigt den Fortschritt auf der Baustelle“, erläutert Sundermeier.

Studenten arbeiten mit digitaler Planungstechnik

Durch den Einsatz digitaler Hilfsmittel ließen sich zudem bei der Konzipierung von Neubauten einzelne Planungsabschnitte von Bauvorhaben besser aufeinander abstimmen. Sundermeiers Studenten arbeiten mit dem Programm „Building Information Modeling“ (BIM): Die Software errechnet dabei ein dreidimensionales Gebäudemodell, das sich im virtuellen Raum modifizieren lässt.

Während angehende Architekten und Bauingenieure an den Hochschulen mit digitaler Technik arbeiten, ist diese laut Sundermeier in der Industrie noch nicht weit verbreitet. Vor allem Architekten und mittelständische Bauunternehmen hätten Vorbehalte gegen das modulare Bauen und die Digitalisierung, sagt Sundermeier. „Die einen fürchten die Einschränkung der künstlerischen Freiheit und den Untergang der Baukultur, die anderen, dass sie aus dem Markt gedrängt werden.“

Die spätere Miete beinhaltet auch die Kosten fürs Grundstück

Jörg Lippert vom Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen (BBU) hält es für verfehlt, beim sozialen Wohnungsbau über Kosteneinsparungen nur bei der Errichtung von Gebäuden nachzudenken. „Das ist keine Generallösung“, sagt der Bereichsleiter Technik.

„Viel wichtiger wäre es, bei sämtlichen Anforderungen an Projekte die Folgekosten für die Miete mit zu errechnen.“ Es sei eine Fehlannahme zu glauben, dass niedrige Baukosten allein automatisch günstige Mieten nach sich ziehen. Denn der Preis für den Endverbraucher beinhalte auch die Ausgaben für das zu bebauende Grundstück – und die seien bekanntlich gerade in Metropolen zuletzt erheblich gestiegen.

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