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Gruenewald

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Stephan Grünewald: "Die Prämie mildert den Verrat"

Stephan Grünewald, Mitbegründer des Rheingold-Instituts für qualitative Markt- und Medienanalysen in Köln, über die Abwrackprämie.

Herr Grünewald, wie alt ist Ihr Auto?



Vier Wochen.

Dann haben Sie auch abgewrackt?

Nein, der Leasingvertrag für meinen Firmenwagen ist ausgelaufen. Ich fahre jetzt das gleiche Modell als Diesel.

Hunderttausende haben die Prämie in Anspruch genommen. Wie konnte es zu diesem Herdentrieb kommen?

Die Prämie hat den seelischen Nerv des Autokäufers getroffen. Der steckt ständig in einem inneren Zwiespalt. Einerseits sehnt er sich nach einem moderneren Auto; andererseits fühlt er sich seinem alten Auto in Treue verbunden. Dieser Konflikt führt häufig zu einer seelischen Pattsituation. In Studien über Autokäufer haben wir festgestellt, dass sie sich oft in einem ein- bis zweijährigen Inkubationszustand befinden. Sie sind schon von dem Wunsch nach einem neuen Auto infiziert – die Entscheidung wird aber nicht getroffen. Die Prämie hat dieses Patt aufgelöst, weil sie den Verbraucher in Zugzwang gebracht hat. Entweder man greift zu, oder man verpasst eine günstige Gelegenheit.

Geradezu genial, was sich der Staat da ausgedacht hat ...

Man spricht in der Psychologie von einer geheimen Intelligenz. Die war wohl hier am Werke.

Klingt wie die „unsichtbare Hand“.

Die Genialität hat noch eine zweite Komponente. Die Abwrackprämie mildert die Verratsproblematik.

Wie bitte?

Wer sein altes, zuverlässiges Auto abgibt, ist kein Verräter, sondern gilt als Wohltäter für die Umwelt. Das schlechte Gewissen wird durch die gute Tat legitimiert.

Wer hat wen verführt – der Staat die Bürger oder eher die Industrie den Staat?

Den Anstoß haben Staat und Industrie gegeben und die Bürger haben es bereitwillig aufgenommen. Es war aber für fast alle eine Win-Win-Situation. Leidtragende gab es auch, zum Beispiel Werkstätten oder Gebrauchtwagenhändler.

Funktioniert so etwas nur mit Autos?

Es funktioniert bei Produkten, zu denen man eine enge persönliche Beziehung aufbauen kann. In seinem Auto richtet man sich ein, der Wagen nimmt den eigenen Geruch an, er ist wie ein fahrbares Wohnzimmer. Autos sind Persönlichkeitsmarkierer, wie Zigarettenmarken oder Kleidungsstücke. Autos sind wie ein Blechkleid, das Signalwirkung entfaltet. Es ist ja etwas anderes, ob ich mit einem Citroën französische Lebensart zur Schau stelle oder mit einem BMW meine Sportivität.

Das Interview führte Henrik Mortsiefer

Stephan Grünewald ist Diplom-Psychologe, Therapeut, Geschäftsführer und Mitbegründer des Rheingold-Instituts für qualitative Markt- und Medienanalysen in Köln.

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