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Nachbarschaftshilfe. Beim privaten Carsharing buchen Nutzer im Internet einen Wagen in der Nähe, schließen eine spezielle Versicherung ab und treffen sich zur Übergabe von Schlüssel und Papieren.

© Kai-Uwe Heinrich

Carsharing: Die neue Fahrgemeinschaft

Carsharing zwischen Privatleuten liegt voll im Trend. Berliner können sich inzwischen schon bei vier Plattformen anmelden.

Berlin - Ein privater Pkw wird im Schnitt eine Stunde lang pro Tag bewegt – 23 Stunden lang steht er am Straßenrand oder in der Garage. Autobesitzern, die dem teuren und nutzlosen Stillstand ein Ende bereiten wollen, bieten sich in Berlin gleich mehrere Möglichkeiten: Über die Internet-Plattformen Tamyca, Autonetzer oder Nachbarschaftsauto kann man sein Fahrzeug in der Zeit, in der es nicht genutzt wird, an Nachbarn, Freunde oder Unbekannte verleihen.

Das Prinzip: Registrierte Nutzer buchen im Internet (oder mobil) einen Wagen ihrer Wahl in der Nähe, schließen eine spezielle, nur für die Mietdauer gültige Kfz-Versicherung ab und treffen sich mit dem Vermieter zur Übergabe von Schlüssel, Papieren und Auto. Ein Übergabeprotokoll dokumentiert den Zustand des Fahrzeugs. Die Betreiber der Community kassieren eine Provision.

Das Geschäftsmodell weckt auch das Interesse der Autokonzerne. Daimler gab in dieser Woche seine Beteiligung an der Plattform Autonetzer bekannt. Unter dem Namen Car-2-Share will der Dax- Konzern den Mobilitätsdienst vermarkten – betrieben wird er von dem innovativen Start-up-Unternehmen aus Stuttgart.

In Berlin will die junge Firma Carzapp als vierter Anbieter für privates Carsharing im Verlauf des Jahres an den Start gehen – mit einem neuen technischen Service. Per Smartphone-App will Carzapp die schlüssellose Vermietung privater Fahrzeuge ermöglichen. 2012 gewannen die Berliner mit dem Modell den zweiten Preis des Businessplan-Wettbewerbs Berlin-Brandenburg.

Die Hauptstadt-Region ist der ideale Markt, um Carsharing-Modelle zu erproben (siehe Kasten). Nicht einmal jeder dritte Berliner hat statistisch gesehen ein eigenes Auto: Auf 1000 Einwohner kamen 2012 an der Spree 289 Pkw. Deutschlandweit waren es 472. Ein Auto zu teilen, statt selbst eines zu besitzen – Berliner liegen mit dieser Art der individuellen Mobilität im Trend. Nahmen Ende 2011 europaweit rund 700 000 Menschen an Carsharing- Modellen teil, sollen es 2020 schon 15 Millionen sein, wie die Beratungsfirma Frost & Sullivan schätzt. Das Peer-to-Peer-Carsharing – der Verleih von Privat an Privat – wuchs zuletzt besonders stark. Frost & Sullivan erwarten, dass dieses Modell 2020 in Europa von etwa 740 000 Teilnehmern genutzt wird, mit einem Bestand an mehr als 300 000 Fahrzeugen.

„Wir gehen davon aus, dass wir unsere Kundenzahl vervielfachen werden“, sagt Christian Piepenbrock, Gründer und Geschäftsführer der Internet-Community Nachbarschaftsauto, bei der mehr als 1000 Autos zur Verfügung stehen, 250 davon in Berlin. Rund 10 000 Privatleute in 600 Städten und Gemeinden sind auf der Plattform registriert. Privates Carsharing sei auch für das Brandenburger Umland geeignet. „Da kommt das klassische Carsharing nicht hin“, sagt Piepenbrock.

Zwischen 25 und 40 Euro pro Tag koste ein privat gemietetes Auto im Schnitt, rechnet Sebastian Ballweg, Gründer und Geschäftsführer von Autonetzer, vor. In der mehr als 10 000 Namen zählenden Community seien wenige Nutzer mehrmals im Monat aktiv. „Dann würde sich ein eigenes Auto eher lohnen“, sagt Ballweg. Genaue Erkenntnisse, wie hoch der Anteil der regelmäßig (ver)mietenden Carsharing-Teilnehmer ist, hat er nicht. Die Nutzerzahl wachse aber „jeden Monat zweistellig“. Etwa 300 Wagen stehen in Berlin, 1500 Nutzer sind hier bei Autonetzer registriert.

Interessant könnte der Wettbewerb im noch kleinen Markt für privates Carsharing werden, wenn Carzapp der schon länger erwartete Marktstart gelingt. Für seine Hardware-Lösung sucht das Unternehmen derzeit 100 Test-Kunden. Statt sich zur Schlüsselübergabe zu treffen, werden Vermieter und Nutzer bei Carzapp elektronisch verbunden. Dazu wird eine kleine Box („Zapp- Kit“) ins Fahrzeug eingebaut, die mit GPS ausgestattet ist und alle Mietdaten über das Internet an das zentrale Abwicklungssystem übermittelt. Nach der Freigabe des Autobesitzers kann das Auto mit der Carzapp-App geöffnet werden. „Am Ende entscheidet die einfache Bedienbarkeit über den Erfolg des Modells“, sagt Carzapp-Chef Oliver Lünstedt. Vorausgesetzt, die Berliner beeilen sich. Denn der größte Anbieter – die Herzogenrather Tamyca („Take my car“) – arbeitet ebenfalls an einer Smartphone-Lösung. „Die Betaphase läuft“, sagt eine Sprecherin. Anders als die Berliner hat Tamyca mit 3000 Autos und rund 25 000 registrierten Nutzern in 600 Städten Erfahrung seit 2010. Wer am Ende die Nase vorn hat, werden die nächsten Monate zeigen. Ausgetragen wird das Rennen der Carsharer in Berlin.

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