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Große Bedürftigkeit. Auch die Einnahmen aus der Kollekte nutzt Brot für die Welt zur Sicherung der Ernährung in Projekten in Afrika und Asien.

© picture-alliance/ dpa

Die kirchlichen Hilfswerke brauchen Gottesdienste: Karge Weihnacht

Brot für die Welt und Adveniat stellen sich auf weniger Kirchgänger zu Weihnachten ein. Es fehlen Einnahmen in zweistelliger Millionenhöhe.

Die Geschichte von Adveniat beginnt im Hungerwinter 1946/47 als in Deutschland Hunderttausende verhungerten und erfroren. „Die Nachrichten und Bilder dieses Massensterbens erschütterten auch das ferne Lateinamerika", heißt es in einer Chronik von Adveniat. Christen aus Mittel- und Südamerika sammelten damals Spenden für die leidenden Deutschen. Knapp 15 Jahre später, das Wirtschaftswunder hatte Wohlstand gebracht, initiierten die Bischöfe Josef Frings (Köln) und Franz Hengsbach (Essen) 1961 als eine Art Gegenleistung die „besondere Kollekte“ für Lateinamerika zu Weihnachten in allen katholischen Kirchen der Bundesrepublik und Westberlins. Das wiederholt sich seitdem jedes Jahr zum Christenfest, und so entstand aus den Kollekten das kirchliche Hilfswerk Adveniat. Der Name ist abgeleitet aus der zweiten Vaterunser-Bitte (lateinisch: adveniat regnum tuum): „Dein Reich komme.“

Zwei Milliarden Euro haben Katholiken gespendet

Im Laufe der Jahrzehnte haben die Katholiken hierzulande rund zwei Milliarden Euro gespendet, ein Großteil davon bei Kollekten. 2019 gaben die Kirchgänger in den Gottesdiensten am 24. und 25. Dezember gut 23 Millionen Euro. Kurz darauf kam das Virus über die Welt. In diesem Jahr rechnet Adveniat nur mit der Hälfte der Summe des Vorjahres. Wegen Corona finden viele Christmetten und Hochämter nicht statt, und wenn doch, dann werden die Kirchen bei weitem nicht so gefüllt sein wie üblich. Auch ohne Corona ist das Spendenaufkommen in den Kollekten seit Jahren rückläufig. Es gibt weniger Kirchgänger und weniger Kirchen. Und mehr Spendenaktionen. Allein die Fernsehshow „Ein Herz für Kinder“ brachte kürzlich 26 Millionen Euro.

Es gibt weniger Spendende

Die Zahl der Spendenden ist binnen Jahresfrist um 800 000 auf 15,7 Millionen gefallen, hat der Deutsche Spendenrat ausgerechnet. Die Spendenhäufigkeit erreichte jedoch einen Höchstwert: Knapp sechs Mal pro Jahr wird gespendet, und die durchschnittliche Spende ist mit 35 Euro ebenfalls auf Rekordniveau. Den höchsten Anteil am Spendenvolumen haben die Not- und Katastrophenhilfe sowie die Gaben für kirchliche respektive religiöse Zwecke, zu denen die Entwicklungshelfer von Adveniat und Brot für die Welt gehören.

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Kirchen hoffen auf Online-Spenden

„Wir sehen bei den Einzelspenden einen großen Anstieg“, blickt Carolin Kronenburg von Adveniat auf die diesjährige Adventszeit zurück. „Aber die Einbußen bei den Kollekten kann das nicht ausgleichen.“ Dabei ist das Geld bitter nötig. „Dieses Jahr ist die Kollekte besonders wichtig, gerade weil Corona die Ärmsten in der Welt besonders hart trifft“, schreibt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Heinrich Bedford- Strohm, in einem gemeinsamen Appell mit Georg Bätzing, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. Wer nicht in die Kirche komme, der möge doch bitte online spenden. Adveniat und Brot für die Welt haben dazu die Seite www.weihnachtskollekte.de eingerichtet. Aber ob das funktioniert? Der statistische Durchschnittspender von Adveniat ist älter als 70 Jahre.

Start war 1959 in der Deutschlandhalle

Brot für die Welt ist auch ein Projekt aus der Wirtschaftswunderzeit. 1959, in Indien und Afrika litten die Menschen Hunger, startete eine erste Spendenkampagne der Evangelischen Kirche mit einer Großveranstaltung in der Westberliner Deutschlandhalle vor rund 10 000 Menschen. 19 Millionen D-Mark spendeten damals die Protestanten zu Weihnachten; Brot für die Welt war geboren als Entwicklungswerk der evangelischen Kirchen, das heute in mehr als 90 Ländern aktiv ist. Schwerpunkt der Hilfe ist nach eigenen Angaben die „Ernährungssicherung. In Zeiten des Klimawandels und knapper werdender Ressourcen wird der Kampf gegen Hunger und Mangelernährung immer wichtiger.“

Damit das Haus in Bangladesch etwas besser vor Überflutung geschützt ist, wurde mit Hilfe von Brot für die Welt ein Betonsockel gegossen.
Damit das Haus in Bangladesch etwas besser vor Überflutung geschützt ist, wurde mit Hilfe von Brot für die Welt ein Betonsockel gegossen.

© imago stock&people

Brot für die Welt finanziert sich aus Spenden und Kollekten (2019: 64 Millionen Euro), kirchlichen Mitteln (60 Millionen Euro) und Geld des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (174 Mio. Euro). 2019 gab das Hilfswerk 265 Millionen Euro für 693 Projekte in 85 Ländern aus. Regionale Schwerpunkte waren Afrika und Asien. „Wir erfahren großen Zuspruch in diesem Jahr“, berichtet Renate Vacker von Brot für die Welt über die Spendenbereitschaft im Corona-Advent. Die Einnahmen aus den Weihnachtskollekten, deren Höhe normalerweise in etwa dem Spendenaufkommen gleicht, werden den protestantischen Entwicklungshelfen aber ebenso fehlen wie den katholischen.

Unter dem Motto „ÜberLeben“ stellt die diesjährige Adveniat-Aktion Menschen in den Mittelpunkt, die in ländlichen Gebieten besonders von der Pandemie betroffen sind: Kinder, die nicht mehr zur Schule gehen können und arbeiten müssen, oder Tagelöhner, für die es keine Abstandsregeln gibt und schon gar kein Homeoffice. Jedes Jahr fördert Adveniat rund 2000 Projekte mit einem Gesamtvolumen von durchschnittlich 37 Millionen Euro. Zum Beispiel Schulen im kolumbianischen Amazonas-Urwald. Hier liegt die Schulbildung in der Hand der katholischen Kirche. 40 Schulen liegen in dem rund 86 000 Quadratkilometer großen Gebiet weit verstreut in Flussgemeinden entlang des Río Guaviare und des Rio Inírida und sind nur per Boot oder Flugzeug zu erreichen. Damit die Schulen mit Energie versorgt werden können, finanziert Adveniat Solaranlagen mit 95 000 Euro. Auch aus der Kollekte der Weihnachtsgottesdienste 2019.

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