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My home is my office. Katharina Bente und Lucas Thiem wohnen und arbeiten im Careerloft.

© Thilo Rückeis

Karrierenetzwerk: Die Bewerber lassen bitten

Im Kreuzberger Careerloft begegnen sich junge Talente und Unternehmen auf Augenhöhe.

Selten ist der Weg zum Traumjob so kurz – und so überschaubar: Für Katharina Bente und Lucas Thiem führt er nur wenige Schritte aus dem Wohnzimmer direkt durch eine breite Glastür. Sie sind Praktikanten bei Careerloft, einem Online-Karrierenetzwerk, das Studenten und Absolventen mit potenziellen Arbeitgebern zusammenbringt. Und weil es doch so schön zum Namen passt, gehört gleich ein 250 Quadratmeter großes Loft mitten in Kreuzberg dazu. Hier können Studenten, die sich auf den Einstieg ins Berufsleben vorbereiten, Kontakte zu Unternehmen knüpfen – nicht nur virtuell, sondern eben auch persönlich.

Ende März sind Bente und Thiem in das Loft am Erkelenzdamm eingezogen. Für die kommenden Monate wird es zu ihrem Zuhause – und Arbeitsplatz. „Eine abenteuerliche Erfahrung“, sagt Thiem. Für seine gerade einmal 21 Jahre hat der gebürtige Mecklenburger schon so einige spannende Praktika hinter sich gebracht: Marketing, Radiosender, Software Entwickler. Derzeit steckt er mitten im Wirtschaftstudium und engagiert sich nebenbei bei einer studentischen Unternehmensberatung. „Ich bin eben ein Generalist. Bis jetzt fahre ich ganz gut damit“, sagt er schmunzelnd. Auch seine Mitbewohnerin kann eine bemerkenswerte Laufbahn vorweisen: Au-Pair-Jahr in Spanien, Praktikum in Ungarn, Auslandssemestern in England. Gerade hat die 24-Jährige ihr Bachelorstudium in International Management abgeschlossen. Bald soll auch der Master folgen. Vorerst gönnt sie sich aber noch einen Schlenker. „Mit dem Praktikum kann ich die Wartezeit gut überbrücken“, sagt Bente. Von Careerloft habe ihr eine Studentin aus Frankfurt in einer Summer School in Ljubljana erzählt. Bente war begeistert und bewarb sich kurzerhand für das Förderprogramm.

Von Frankfurt über Slowenien und dann nach Berlin: Das Karrierenetzwerk funktioniert durch Mundpropaganda. Und entpuppt sich als Selbstläufer. „Ich stehe total hinter dieser Idee“, sagt Gero Hesse, Leiter und Impulsgeber von Careerloft. „Wir erleben zunehmend einen Wandel vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt.“ Dabei sei Deutschland ein Spezialfall. Denn während in Spanien oder Griechenland die jungen Menschen um einen Arbeitsplatz ringen, sind es hierzulande die Firmen, die sich einen harten Wettbewerb um talentierten Nachwuchs liefern. Der demografische Wandel wird sie weiter in Bedrängnis bringen. So schätzt etwa die Unternehmensberatung McKinsey, dass bis 2020 in Deutschland rund 2,4 Millionen Fachkräfte fehlen werden. Diese Lücke lässt sich kaum mit Zuwanderung schließen.

„Wer heute nicht langfristig plant, hat in Zukunft schlechte Karten“, meint Hesse. Der erfahrene Personalberater hat diese Entwicklung kommen sehen. Vor zweieinhalb Jahren zog er mit einer 50-seitigen Power-Point-Präsentation quer durch Deutschland und klopfte an die Türen der großen Konzerne mit einer klaren Botschaft: „Personaler müssen ihre antiquierte Unternehmenskultur überdenken, wenn sie die neue Generation Y für sich gewinnen wollen“.

Generation Y? Das sind junge Menschen wie Thiem und Bente, die nach 1980 geboren wurden und gerade in den beruflichen Startlöchern stehen. Sie werden auch Millennials oder Digital Natives genannt. Die US-amerikanische Autorin Cynthia Cohen hat sie als optimistisch, hochinformiert, erlebnishungrig und experimentierfreudig beschrieben. Nur bei einem Thema kennen sie keine Kompromisse: „Die Arbeit muss Spaß machen“, sagt Thiem und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Denn die Generation Y hat erkannt, dass sie jetzt am längeren Hebel sitzt. Und sie lässt sich gerne mal umwerben. „Wenn die Unternehmen uns im Loft besuchen, müssen sie erst bei uns punkten“, sagt Thiem selbstbewusst.

Inzwischen konnte Hesse für sein Projekt zwölf Partner gewinnen, darunter namhafte Konzerne wie Audi, SAP, Deutsche Telekom oder die Commerzbank. Die Plattform ist vor einem Jahr online gegangen. Mittlerweile hat sie 16 000 Mitglieder und 4000 Fördermitglieder. Anmelden kann sich jeder. Nur für die Teilnahme am Förderprogramm ist eine Bewerbung nötig. Und die Anforderungen sind hoch. Neben guten Noten sind soziales Engagement, Auslandsaufenthalte, Sprachkenntnisse und spannende Hobbys gefragt. Die individuelle Mischung macht’s. Dafür sind die Vorteile nicht von der Hand zu weisen: Zeitschriftenabos, Literaturzuschüsse, Sprachtrainings, persönliche Coachings und Zugriff auf Mentoren-Programme.

Die Bewohner im Loft sind Sprachrohr für die Careerloft-Gemeinde. Sie blicken bei den Partnerunternehmen hinter die Kulissen, organisieren Veranstaltungen, die auf die Mitglieder verschiedener Fachrichtungen zugeschnitten sind, und berichten darüber auf ihren Blogs. „Wir schauen, was verbessert werden kann und geben neue Impulse“, sagt Thiem. Davon können auch die Firmen profitieren: Sie kommen in direkten Kontakt mit dem Nachwuchs und lernen, wie sie die junge Zielgruppe ansprechen. Und die will vor allem eines: Freiräume.

Auch Careerloft bietet Raum für Selbstverwirklichung. Katharina Bente etwa hat sich als Aufgabe für ihr Praktikum das Thema Frauenqoute vorgenommen. Sie will noch mehr Studentinnen aus den MINT-Fächern in das Förderprogramm hereinziehen. Und wann ist Feierabend? „Wir arbeiten von neun bis 18 Uhr. Danach ziehen wir einfach die Schuhe aus und machen uns einen schönen Abend“, sagt Bente. Auf dem schwarzen Ledersofa zum Beispiel oder beim Kochen mit Freunden. Streit um den Putzplan gibt es übrigens nicht. „Das erledigt die Büroputzfrau“, sagt Thiem. Praktisch. Schließlich soll man sich im Careerloft nur auf das Wesentliche konzentrieren.

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