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Weltweit vernetzt. Die Fassade der Webasto-Zentrale.

© Webasto Group

Drei Monate Corona-Pandemie in Deutschland: Deutschlands „Patient 1“ ist jetzt in Kurzarbeit

Bei Webasto begann vor drei Monaten die Pandemie in Deutschland. Nicht nur deswegen macht die Corona-Krise dem bayerischen Unternehmen bis heute zu schaffen.

Drei Dinge hat er als erstes getan, nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen wurde. So erzählte es „Patient 1“ hinterher seinen Kollegen: „Meine Familie begrüßt, eine Pizza bestellt und eine Waschmaschine angestellt.“ Und dann habe er sich erstmal auf die Couch gesetzt.

18 Tage musste Deutschlands vorübergehend berühmtester Patient isoliert in Quarantäne in der München Klinik Schwabing verbringen, seit Mitte Februar ist der 33-Jährige, der anonym bleiben will, wieder zu Hause. Anfangs durfte er wegen Auflagen des Gesundheitsamtes nicht gleich wieder arbeiten.

Doch inzwischen wurde auch diese Maßnahme wieder aufgehoben. „Dem Kollegen geht es sehr gut, er ist vollständig gesundet“, sagt eine Sprecherin des Unternehmens Webasto auf Anfrage.

Der Mitarbeiter des international tätigen Autozulieferers, der in Stockdorf bei München seine Zentrale hat, war nach bisherigen Erkenntnissen vor drei Monaten der erste Deutsche, der sich mit dem Coronavirus angesteckt hatte. Seitdem hat die Pandemie die Welt dauerhaft verändert – und auch das Unternehmen, das damals als erstes betroffen war.

Halsschmerzen, Schüttelfrost und Gliederschmerzen

Es fing mit Halsschmerzen, Schüttelfrost und Gliederschmerzen an. Darunter litt der 33-Jährige, nachdem er am 20. und 21. Januar an Geschäftstreffen mit einer chinesischen Kollegin teilgenommen hatte. Deren Eltern leben in der Metropole Wuhan, die vom Coronavirus besonders betroffenen ist.

Neue Spielregeln. Seit Beginn der Pandemie setzt Webasto, hier ein Blick in die Firmenzentrale, verstärkt auf Arbeit im Homeoffice.
Neue Spielregeln. Seit Beginn der Pandemie setzt Webasto, hier ein Blick in die Firmenzentrale, verstärkt auf Arbeit im Homeoffice.

© Webasto Group

Die Mitarbeiterin war mit dem Erreger 2019-nCoV infiziert, wie sich später herausstellte. Die Frau selbst war allerdings während ihres Besuchs bei Webasto in Bayern noch weitgehend symptomfrei, erst auf dem Rückflug nach Schanghai, wo sie zuhause ist, wurde sie stärker krank.

Am 25. Januar bekam dann der erkrankte Kollege in Bayern 39,1 Grad Fieber und starken Husten. Zwei Tage später ging es ihm jedoch schon wieder besser, er kehrte zur Arbeit zurück. Kurz darauf kam die Nachricht, dass die chinesische Kollegin positiv auf das Virus getestet wurde.

Am 27. Januar wird auch „Patient 1“ in München positiv auf 2019-nCoV getestet, in den folgenden Tagen weitere Mitarbeiter. Kurz darauf wurde die Konzernzentrale für zwei Wochen komplett geschlossen, alle rund 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden ins Homeoffice geschickt.

Hintergründe zum Coronavirus:

Für das Unternehmen hat die Pandemie in den vergangenen Monaten einschneidende Folgen gehabt. Allerdings weniger wegen der vorübergehenden Schließung, die durch eine gute IT-Infrastruktur abgefangen worden sei, oder der Tatsache, dass „Patient 1“ einer der Mitarbeiter ist.

„Die Corona-Pandemie hat insgesamt gravierende Auswirkungen auf die Webasto-Gruppe“, sagt die Unternehmenssprecherin. „Als Zulieferer fast aller Automobilhersteller weltweit sind wir aktuell vor allem von den Werksschließungen unserer Kunden und damit verbundenen Nachfrageeinbrüchen betroffen.“

Das bedeute, dass man die Kapazitäten an den Standorten „in erheblichem Maße anpassen musste“, das gelte vor allem für Europa und die USA.

Webasto hat weltweit mehr als 50Standorte und produziert Schiebe- und Panoramadächer, Cabrioverdecke sowie Standheizungen. Das Unternehmen mit insgesamt rund 13500 Beschäftigten ist auch politisch gut vernetzt: Im Herbst 2019 wurde der zehnte Produktionsstandorts des Familienunternehmens in Wuhan von Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffnet.

Zwei Webasto-Werke liegen in der Provinz Hubei

China ist der wichtigste Einzelmarkt des Unternehmens, inzwischen hat es dort elf Werke, von denen zwei in der Provinz Hubei liegen, die am stärksten von dem Virus betroffen war. Ende Januar, als die Kontakt- und Ausgangssperren in China umgesetzt wurden, seien die chinesischen Werke von Webasto im Rahmen der chinesischen Neujahrsfeierlichkeiten allerdings geschlossen gewesen.

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„Der Start unserer Produktion in China hat sich danach in den Februar verschoben, da sowohl die chinesischen Behörden als auch unsere Kunden die Schließungsperiode verlängert hatten“, sagt die Unternehmenssprecherin. Inzwischen haben jedoch alle Webasto-Werke in China ihre Produktion wieder aufgenommen. „Wir sehen, dass der Markt sich dort erholt, allerdings noch nicht stabil ist.“

Generell stehe man weltweit „im täglichen Austausch mit unseren Kunden und Lieferanten, um gemeinsame Projekte sowie den Hochlauf der Produktion individuell abzustimmen.“

Auch am Verwaltungs- und Entwicklungsstandort von Webasto in Stockdorf hat die Pandemie seit ihrem Ausbruch in Deutschland vor drei Monaten zu spürbaren Veränderungen geführt. Hier sind Bereiche wie Entwicklung, Einkauf, Projektmanagement, Vertrieb, Controlling, Personalwesen, IT und Kommunikation angesiedelt.

Ihr Essen bekommen Mitarbeiter nur noch verpackt ausgegeben

Seit dem 1. April sind hier alle Mitarbeiter in Kurzarbeit, ebenso an anderen deutschen Verwaltungsstandorten des Unternehmens. Viele Mitarbeiter nehmen zudem eine erweiterte Homeoffice-Regelung in Anspruch, „um Beruf und Familie in diesen Zeiten besser vereinbaren zu können“.

Es gebe aber auch Aufgaben, die sich nicht von zuhause erledigen lassen, wie das Prüfen von Dachsystemen und der Prototypenbau. Aktuell arbeiteten etwa 50 Prozent des regulären Personals in der Zentrale. Besprechungen fänden zwar zum großen Teil über Telefon, Mail und Videokonferenzen statt, sagt die Sprecherin. „Uns ist aber nach wie vor der persönliche Austausch wichtig, wenn er unter Einhaltung des Gesundheitsschutzes möglich ist – also mit entsprechendem Abstand und dem Tragen von Mund-Nase-Masken.“

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Neben diesen Veränderungen habe das Unternehmen an allen seinen Standorten zudem seine Hygienestandards angehoben und die Reiseregelungen angepasst. So würden Desinfektionsmittel bereitgestellt und Mitarbeiter auf dessen Nutzung hingewiesen, ebenso gebe es Informationen zur Bedeutung von gründlichem Händewaschen, Lüften von geschlossenen Räumen und Einhalten des von Virologen empfohlenen Mindestabstands.

Man reduziere zudem die Ansteckungsgefahr über Markierungen am Boden, statt eines regulären Kantinenbetriebs werde Essen an Mitarbeiter nur noch verpackt ausgegeben. Seit dieser Woche tragen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an allen deutschen Standorten von Webasto produzierte Mund- Nase-Masken. Und ein Bildschirmschoner auf allen Unternehmens-Rechnern gebe Tipps zum Gesundheitsschutz.

„Patient 1“ arbeitet teilweise im Homeoffice

Seit Ende Januar kümmert sich zudem eine „Corona Task Force“ um alle Themen rund um den Infektionsschutz sowie die Auswirkungen auf Kundenprojekte, Produktion und Lieferketten. „Um unsere Mitarbeiter offen und engmaschig über die Entwicklungen informieren zu können, haben wir zudem unsere interne Kommunikation intensiviert“, sagt die Sprecherin.

So gebe es im Intranet einen speziellen Bereich, in dem alle wichtigen Hinweise von Webasto und weiterführende Links wie zum Beispiel zum Robert-Koch-Institut gesammelt sind. „Über wichtige Neuerungen halten wir die Kollegen mittels virtueller Inforunden, per Mail und über Aushänge an den Standorten auf dem Laufenden.“

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Und „Patient 1“? Der geht inzwischen wieder regulär seiner Arbeit nach, sagt die Sprecherin. „Wie viele andere Mitarbeiter arbeitet er derzeit teilweise von zuhause und teilweise im Büro.“ Von den anderen acht anfangs infizierten deutschen und zwei chinesischen Mitarbeitern seien einige ebenfalls recht schnell wieder an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt, andere waren noch ein paar Wochen zuhause. „Unter diesen besonderen Umständen haben wir uns bemüht, mit jedem einzelnen die für ihn passendste Lösung zu finden.“

17 neu infizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Die persönlichen Begegnungen deutscher und chinesischer Kolleginnen und Kollegen wurden nach den Erfahrungen der vergangenen Monate bei Webasto allerdings auf ein Minimum reduziert. „Grundsätzlich sind alle Mitarbeiter angehalten, Geschäftsreisen bis auf Weiteres soweit wie möglich zu vermeiden beziehungsweise durch Telefon- oder Videotermine zu ersetzen“, sagt die Firmensprecherin.

Alle Dienstreisen von und nach China seien vorerst bis Ende April gestoppt. Allerdings produziere man vor allem im Markt für den Markt, die Verantwortlichen von Webasto für das China-Geschäft seien daher allemal vor Ort. Dadurch hätten die Reiseeinschränkungen kaum Auswirkungen auf das Geschäft.

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Ganz lassen sich neue Ansteckungen mit den getroffenen Maßnahmen allerdings auch bei Webasto nicht vermeiden. Seit Mitte März hat das Unternehmen 17 neu infizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter registriert, neun davon in Deutschland. „Wir informieren bei Neuerkrankten weiterhin sofort unsere Kolleginnen und Kollegen weltweit und sind in Kontakt mit den betroffenen Mitarbeitern“, sagt die Sprecherin.

Die positiv getesteten Kollegen hätten sich nach den vorliegenden Informationen allerdings alle im privaten Umfeld angesteckt. Es gehe ihnen den Umständen entsprechend gut.

In letzter Zeit versucht man bei Webasto aber vor allem, sich auf positive Nachrichten zu konzentrieren. So wie diese vom Anfang der vergangenen Woche: Bei gleich drei Rankings von Autozeitschriften landete das Unternehmen mit seinen Standheizungen auf Platz 1.

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