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Jede:r Sechste glaubt, den Job seines Chefs oder seiner Chefin besser machen zu können als diese.

© IMAGO / MASKOT

Deutsche mögen Unternehmertum: Hoffen auf Selbstverwirklichung, Angst vor dem Ruin

Die Deutschen haben ein positives Bild von Unternehmerinnen und Unternehmern. Warum viele trotzdem vor dem Gründen zurückschrecken.

Die Deutschen haben ein überraschend positives Bild vom Unternehmertum und den Menschen, die es ausüben. „Mit so einem hohen Zuspruch habe ich nicht gerechnet“, sagt Karl Matthäus Schmidt, Chef der Quirin Privatbank, die 2700 Bundesbürger:innen zu ihrer Sicht aufs Gründen und Führen von Firmen befragen lassen hat. „Sind Unternehmerinnen Vorbild oder Feindbild?“, lautete die übergeordnete Frage. Schmidt beantwortet sie so: „Alte Klassenkampf-Klischees haben ausgedient.“

85 Prozent stimmen demnach der Aussage zu, dass Deutschland erfolgreiche Unternehmer:innen brauche. Jeweils rund drei Viertel der Befragten finden, dass diese hierzulande für Fortschritt beziehungsweise Wohlstand und Arbeitsplätze sorgen. Nur ein Drittel meint, dass sie auf Kosten ihrer Angestellten leben würden. Ein bisschen Klassenkampf bleibt dann aber doch: Fast die Hälfte der Befragten sagt, für Unternehmer:innen gehe Geld vor Moral.

„Sie sollen sich um ihre Mitarbeiter kümmern“

Was wünschen sich die Deutschen von denen, die Unternehmen führen? „Im Kern wird erwartet, dass sie sich um ihre Mitarbeiter kümmern“, sagt Konrad Weßner, dessen Marktforschungsinstitut Puls die Umfrage durchgeführt hat. Ganz oben rangieren bei den Ansprüchen eine faire Bezahlung (70 Prozent Zustimmung), sichere Arbeitsplätze (50 Prozent) und Gesundheit im Job (37 Prozent). Den Frauen in der Stichprobe seien diese Punkte noch wichtiger als den Männern, so Weßner. In der Pandemie besonders akut gewordene Themen wie Homeoffice und Digitalisierung landeten hingegen auf den hinteren Plätzen.

Dabei habe die Coronakrise das Unternehmertum möglicherweise sogar beflügelt, sagt Weßner. Die selbstständigere Arbeit im Homeoffice habe bei vielen „das Denken in unternehmerischen Gesamtzusammenhängen gefördert“, mutmaßt der Meinungsforscher.

Viele wollen besser sein als Vorgesetzte

Und so haben die Befragten nicht nur ein positives Bild von Unternehmer:innen, viele von ihnen wären auch selbst gern welche. Für jede:n Vierte:n kommt es demnach infrage, sich beruflich selbstständig zu machen. Je höher die Bildung und je jünger die Person, desto höher sei die Bereitschaft, sagt Schmidt. Bei den unter 30-Jährigen liegt sie sogar bei 53 Prozent. Auch Anhänger der FDP, aber auch der Grünen zeigten sich überdurchschnittlich geneigt zum persönlichen Unternehmertum.

Jede:r Sechste glaubt demnach sogar, den Job seines Chefs oder seiner Chefin besser machen zu können als diese. Und das soll nicht nur leeres Gemecker sein: Zwei Drittel derer, die das sagen, wären nach eigener Aussage bereit, die Aufgaben ihrer obersten Vorgesetzten auch wirklich zu übernehmen.

Geld und gutes Gefühl

Hauptmotiv fürs Unternehmertum sind für die Befragten sowohl die Hoffnung auf Selbstverwirklichung (53 Prozent) als auch auf mehr Geld (40 Prozent). Bei den Unter-30-Jährigen stechen daneben die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf (45 Prozent) hervor sowie die Möglichkeit zu „machen, worauf man Lust hat“ (56 Prozent).

Doch die Angst vor beruflicher und finanzieller Unsicherheit lässt viele zurückschrecken. Jeweils mehr als ein Drittel der Befragten fürchtet, sich als Selbstständige zu verschulden, mit ihrem Geschäftsmodell zu scheitern oder allgemein weniger abgesichert zu sein als im Angestelltenverhältnis, etwa weil es bei Krankheit keine Lohnfortzahlung gibt. Fast genauso viele klagen über zu viel Bürokratie und zu wenig staatliche Unterstützung bei der Existenzgründung. Jeweils mehr als zwei Drittel fordern, dass Start-ups besser staatlich gefördert und Gründungen vereinfacht werden. Genauso viele sprechen sich für ein Schulfach „Wirtschaft“ aus.

Zu wenige Vorbilder aus Deutschland

Von den Parteien im Bundestag erhoffen sie sich dabei wenig Hilfe. Den einstigen Volksparteien Union und SPD gestehen gerade einmal 16 beziehungsweise 12 Prozent zu, die sinnvollste Politik fürs Unternehmertum zu machen. Am besten kommt die FDP mit 28 Prozent weg. Bei den Grünen sind es hingegen nur fünf Prozent – genauso viel wie bei der AfD.

Hilfreicher wären mehr heimische Vorbilder, sagen die Umfrage. Als wichtigste Inspiration wurden laut ihnen vor allem US-Tech-Milliardäre genannt: Tesla-Chef Elon Musk, gefolgt von Amazon-Gründer Jeff Bezos und Ex-Microsoft-CEO Bill Gates, außerdem der verstorbene Apple-Mitgründer Steve Jobs. Aus Deutschland schafften es nur Wolfgang Grupp von Trigema und Dirk Rossmann in der Liste nach oben – wohl auch wegen ihrer Auftritte in Werbespots und als Buchautor, mutmaßt Schmidt. Ähnliches gelte für die Jurymitglieder der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ wie Judith Williams oder Carsten Maschmeyer, die ebenfalls genannt wurden.

„Es ist Zeit, dass die deutschen Gründer mehr Gesicht zeigen“, fordert Weßner. Doch Schmidt schränkt ein, die Älteren seien mit einem schlechteren Unternehmerbild aufgewachsen: „Sie haben gelernt: Wenn ich mich möglichst wenig zeige, mache ich mich auch nicht angreifbar.“ Nun wachse aber offenbar eine neue Generation heran, die das anders sehe.

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