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Wirtschaft: David gegen Goliath: Die Bewag bekommt Druck von außen

BERLIN .Wo bleibt die Bewag im Wettbewerb?

BERLIN .Wo bleibt die Bewag im Wettbewerb? Wo steht der Berliner Energieversorger in fünf Jahren? Über die langfristigen Aussichten des inzwischen hochprofitablen Unternehmens in der Hand von Veba, Viag und Southern Company gehen die Meinungen auseinander.Im schlimmsten Fall, so wird befürchtet, endet das Unternehmen langfristig als Vertriebsabteilung eines Großkonzerns wie Veba/PreussenElektra.Noch sind es nur Spekulationen.

Tatsächlich, darüber dürfen die guten Bilanzzahlen nicht hinwegtäuschen, steht die Bewag nach der Liberalisierung des Energiemarktes im April 1998 unter Druck.Eine Allianz von Energie Baden-Württemberg AG und Hamburger Elektricitäts-Werken schickt sich bereits an, in das vormals geschützte Gebietsmonopol vorzudringen: Der Strom für die debis-Zentrale am Potsdamer Platz und Mercedes-Benz in Marienfelde soll künftig von außerhalb geliefert werden.Die Baden-Württemberger rühmen sich, bei der Akquisition neuer Kunden ganz besonders erfolgreich zu sein: "Wir haben seit der Marktfreigabe vier mal mehr Kunden außerhalb unseres ehemaligen Gebietsmonopols gewonnen, als innerhalb verloren", sagte Konzernsprecher Klaus Wertel.

Auch innerhalb Berlins formiert sich die Konkurrenz.Ausgerechnet das Berliner Abgeordnetenhaus denkt darüber nach, dem alteingesessenen Stromversorger untreu zu werden und den Parlamentsstrom künftig von der Potsdamer Mevag zu beziehen.Zudem hat der Energiemakler Ampère AG inzwischen 100 Berliner Unternehmen zu einem Nachfrage-Pool zusammengestellt.Ampère-Chef Claus Rottenbacher will ab Mitte Januar im Auftrag seiner 100 Kunden mit der Bewag um niedrigere Strompreise feilschen.Das Bewag-Gebot soll mit Angeboten aller in- und ausländischen Anbieter verglichen werden.Daß die Bewag bislang noch alle Stromdurchleitungen durch die Anwendung von gesetzlichen Schutzklauseln verhindert, schreckt den Strommakler nicht: Ein Unternehmen, das sich zum Wettbewerb bekennt, müsse ihn auch im eigenen Territorium zulassen, ist sich Rottenbacher sicher: "Wer A sagt, muß auch B sagen."

Die Bewag selbst aber wirbt außerhalb Berlins kaum um neue Kunden.Aus gutem Grund: Das Unternehmen gehört zu den Kleinen der Branche.Fängt es an, in der Kundenkartei eines Atom-Multis wie PreussenElektra zu wildern, dürfte der Gegenschlag fürchterlich werden.Die relative schwache Ausgangsposition der Bewag hat mit der Geschichte Berlins zu tun: Das Unternehmen mußte Berlin in der Nachkriegszeit wie eine Insel versorgen - und das ging nur mit vielen dezentralen, kleinen Kraftwerken.Effiziente Groß- oder gar Atomkraftwerke verboten sich von selbst.Auch heute noch, verlautet aus Bewag-Kreisen, "können wir gegen voll abgeschriebene Atomkraftwerke aus Westdeutschland nicht konkurrenzfähig sein." Mit Händen und Füßen wehrt sich die Bewag daher gegen die Versuche der Hamburger HEW, "überschüssigen Atomstrom vom AKW Krümmel nach Berlin hineinzuleiten - und das zu Dumpingpreisen, die weit unter den Hamburger Tarifen liegen."

Welche Chancen bleiben? Die deutsche Strombranche positioniert sich neu und die Bewag ist zu klein, um den tektonischen Verschiebungen Widerstand entgegenzusetzen.Man bereitet sich auf den europäischen Markt vor: Und da gilt es, gegen riesige Staatskonzerne wie Electricité de France zu bestehen.Die großen westdeutschen Konzerne ordnen bereits ihre Einflußsphären neu: In Norddeutschland übernimmt die Veba-Tochter PreussenElektra neue Beteiligungen, wo immer sie das Bundeskartellamt läßt.Im Süden tut die Viag-Tochter Bayernwerk dasselbe.Beide Unternehmen sind zu gleichen Teilen an der Bewag beteiligt.Nicht auszuschließen ist, daß Viag und Veba im Zuge einer Bereinigung Aktien tauschen: Die Bayern überlassen PreussenElektra das Feld in Berlin und werden dafür in Süddeutschland entschädigt.

Dann müßten sich nur noch Veba/PreussenElektra und Southern Company über die Zukunft der Bewag einigen.Die Kontakte sind nicht nur im Aufsichtsrat des Unternehmens da: Tatsächlich plant die Veba längst, bei dem US-Stromversorger in Atlanta selbst einzusteigen.

Bislang waren die drei Anteilseigner der Bewag relativ gleichgewichtig im Aufsichtsrat vertreten: Dadurch blieb für die Geschäftsführung in Berlin ein hoher Grad von unternehmerischer Selbständigkeit.Steigt PreussenElektra aber stärker ein, könnte das anders werden.Die Hannoveraner haben nicht zuletzt wegen ihrer Atomkraft-Werke im Westen riesige Überkapazitäten.Die könnten sie in Berlin loswerden.Für einen Teil der kleineren Bewag-Kraftwerke gäbe es dann keine Verwendung mehr.Auch wenn die Kraft-Wärme-Kraftwerke der Bewag noch weiterproduzieren würden: Die Bewag würde im schlimmsten Fall zur Vertriebsabteilung von PreussenElektra.

Anders aber, wenn Southern Company nicht mitspielt.Immerhin waren die Amerikaner bei der Bewag eingestiegen, um eine Ausgangsbasis für die Expansion in Europa - und auch nach Osten zu haben.Nicht ausgeschlossen, daß Southern darauf besteht, die Bewag als eigenständiges Unternehmen zu erhalten, als Stromhändler auszubauen und massiv neue Marktanteile in den neuen Bundesländer zu erkämpfen.

Möglich aber auch, daß PreussenElektra ihren amerikanischen Partner von der Sinnlosigkeit diese Unterfangens überzeugt und ihre Argumente mit klingender Münze untermauert.Bislang freilich ist all das noch reine Spekulation.

DANIEL WETZEL

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