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Im jahrelangen Streit um die Verzinsung von Prämiensparverträgen greift die Finanzaufsicht Bafin durch.

© Boris Roessler/dpa

Chance auf Zinsnachzahlung: Bafin greift durch - Banken müssen Prämiensparverträge prüfen

Die Finanzaufsicht Bafin verpflichtet Banken dazu, über unwirksame Zinsanpassungsklauseln zu informieren. Betroffene sollten sich jetzt an ihre Bank wenden.

Von Corinna Cerruti

Im jahrelangen Streit um die Verzinsung von Prämiensparverträgen greift die Finanzaufsicht Bafin durch. Kreditinstitute müssen Prämiensparkundinnen- und kunden über unwirksame Zinsanpassungsklauseln informieren und erklären, ob sie dadurch zu geringe Zinsen erhalten haben. Das geht aus einer am Montag veröffentlichten Allgemeinverfügung der Behörde hervor.

In diesen Fällen müssen die Geldhäuser ihren Kundinnen und Kunden unwiderruflich eine Zinsnachberechnung zusichern oder einen Änderungsvertrag mit einer wirksamen Zinsanpassungsklausel anbieten.

Betroffene Institut können Widerspruch einlegen

„Da eine einvernehmliche Lösung mit den Banken gescheitert ist, mussten wir auf diesen verbraucherschutzrelevanten Missstand mittels Allgemeinverfügung reagieren“, erklärte Bafin-Exekutivdirektor Thorsten Pötzsch. Damit betreibe die Bafin effektiven Verbraucherschutz für eine Vielzahl von Bankkundinnen und -kunden, die einen langfristigen Prämiensparvertrag mit unwirksamer Zinsanpassungsklausel abgeschlossen haben.

Betroffene Institute müssen die Vorgaben zwölf Wochen nach Bekanntgabe der Allgemeinverfügung umsetzen. Sie können allerdings Widerspruch bei der Bafin einlegen.

In dem Konflikt geht es um langfristige Prämiensparverträge, die Institute zwischen 1990 und 2010 anboten. Die Verträge enthalten Klauseln, die Geldhäusern das Recht einräumten, die zugesicherte Verzinsung einseitig zu ändern. Der Bundesgerichtshof erklärte die Klauseln 2004 für unwirksam und äußerte sich in späteren Entscheidungen 2010 und 2017 zu den Anforderungen an solche Klauseln. Details waren aber weiter umstritten.

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Verbraucherschützer werfen vor allem Sparkassen vor, die Zinsen eigenmächtig mit Hilfe von Zinsanpassungsklauseln gesenkt zu haben. Julian Merzbacher, Verbraucherschutzexperte bei der Bürgerbewegung Finanzwende hält es für „peinlich, insbesondere für die betroffenen Sparkassen”, dass selbst die „oft träge Finanzaufsicht Bafin” einschreiten müsse und die Institut zum Handeln auffordere.

„Angesichts der Lage ist es eine Frechheit, dass gemeinwohlorientierte Sparkassen bisher auf den Faktor Zeit und damit auf Verjährungen setzen.” Denn drei Jahre nach Kündigung eines Sparvertrags verjähren die Ansprüche.

Die Verbraucherzentrale Sachsen hatte deswegen Musterklagen gegen mehrere Sparkassen eingereicht, die ersten im Jahr 2019. Über 5000 gekündigte Prämiensparende haben sich bisher den Klagen angeschlossen. Auch hatte die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) zusammen mit weiteren Verbraucherzentralen in diesem Jahr Musterklagen eingereicht.

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Das Ziel sind richtungsweisende Urteile, die sich auch auf Bundesebene auswirken. In einigen Musterfeststellungsklagen gegen sächsische Sparkassen gibt es bereits positive Urteile für Sparende, andere gingen in Revision. Der Beginn der Verhandlung am Bundesgerichtshof (BGJ) wird in der zweiten Jahreshälfte erwartet.

Die Verbraucherzentralen hatten bereits im April dieses Jahres über 5000 langfristige Sparverträge überprüft und nachgerechnet. Dabei haben Verbraucherinnen und Verbraucher durchschnittlich rund 4000 Euro zu wenig Zinsen erhalten.

Verbraucherzentrale hat Musterbrief für Betroffene erstellt

Betroffene Kundinnen und Kunden sollten ihre Bank jetzt auffordern, die Zinsberechnung darzulegen und gegebenenfalls eine Neuabrechnung durchzuführen, empfiehlt die Verbraucherzentrale. Zu diesem Zweck wurde ein Musterbrief erstellt.

Beim Prämiensparen erhalten Kundinnen und Kunden zusätzlich zum Zins eine Prämie, die in der Regel mit der Vertragslaufzeit steigt. Wegen der seit Jahren niedrigen Zinsen sind diese Verträge für Banken und Sparkassen teuer. Viele versuchen daher, sie anzupassen oder zu kündigen.

Das Prinzip der Produkte ist meist ähnlich: Der Zins setzt sich aus einem variablen Grundzins und einer vereinbarten Prämie zusammen. „Diese Prämie steigt, je länger der Vertrag besteht, damit die Kunden möglichst lange dabei bleiben“, erklärt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Institute haben bereits auf bis zu 0,001 Prozent gesenkt

Ältere Verträge enthalten oft Zinsanpassungsklauseln, mit denen Banken die zugesicherte Verzinsung einseitig abändern können. Diese Klauseln sind laut BGH jedoch seit 2004 unwirksam. Die variablen Sparzinsen sollten der allgemeinen Zinsentwicklung angepasst werden.

„Bei vielen Verträgen haben die Institute die Zinsen bereits auf bis zu 0,01 beziehungsweise 0,001 Prozent gesenkt“, so Nauhauser. „Allerdings sind die Zinsanpassungsklauseln, auf die sich die Banken und Sparkassen dabei berufen, in fast allen Verträgen rechtswidrig.“

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Eigentlich muss die Zinsanpassung fair und nachprüfbar geschehen, erklärt die Stiftung Warentest. Ein Sparer muss bei einem Sparvertrag mit einem variablen Zins erkennen können, wovon sein Vertragszins abhängt. Also welchen Referenzzins die Bank zugrunde legt und wann und wie genau sie den Zins ändern wird. Genau das ist aus Sicht von Verbraucherschützern aber oft nicht der Fall.

Doch genau das ist für die Anbieter in Niedrigzins-Zeiten zu einer Belastung geworden. Oft wurden alte Verträge einfach gekündigt. Wurde die höchste Prämienstufe erreicht, geschieht das zu Recht, wie der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden hat. Umstritten blieb die Frage, wie die Zinsen angepasst werden müssen. Und in dieser Frage hat sich jetzt auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (Bafin) auf die Seite der Kundinnen und Kunden gestellt.

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Die am Montag veröffentlichte Verfügung war schon als Entwurf bekannt. Sie hatte im Vorfeld unter den Instituten für Kritik und unter Verbraucherschützern für Beifall gesorgt.

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) äußerte sich zunächst nicht. Der Verband hatte in der Vergangenheit betont, die Rechtsprechung des BGH von 2004 sei seitdem „angemessen in den betroffenen und späteren Prämiensparverträgen umgesetzt“ worden. Das Vorgehen der Bafin bezeichnete der DSGV als „rechtlich unangemessen.“

Auf Anfrage erklärte ein Sprecher der Berliner Sparkasse, dass diese mit ihren Kundinnen und Kunden nur zeitlich befristete Verträge abgeschlossen habe. Daher habe es bei der Berliner Sparkasse keine Kündigungen gegeben. „Seit 2005 hat die Berliner Sparkasse mit ihren Kundinnen und Kunden bei Vertragsabschlüssen für langfristiges Sparen eine wirksame Zinsanpassungsklausel vereinbart, die dem damaligen BGH-Urteil entspricht.“ (mit rtr/dpa)

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