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Bauministerin Geywitz (SPD), Wirtschaftsminister Habeck (Grüne) und Justizminister Buschmann (FDP) bei einer Sitzung des Bundeskabinetts.

© Kay Nietfeld/dpa-Pool/dpa

Update

Klimaabgabe auf Heizkosten wird neu verteilt: Bundesregierung will Millionen Mieter entlasten

Bisher tragen Mieter die CO2-Abgabe auf Heizkosten allein. Das soll sich ändern, hat die Ampel beschlossen. Mieter- und Verbraucherschützern reicht das nicht.

Der Krieg in der Ukraine schürt die Angst vor Lieferengpässen bei Gas und Öl und vor hohen Heizkosten. Viele Mieter müssen mit Nachzahlungen bei ihrer nächsten Heizkostenabrechnung rechnen. Doch zumindest in einem Punkt winkt jetzt eine Entlastung – bei der Klimaabgabe.

Bisher zahlen Mieter den CO2-Aufschlag allein, das soll sich ändern. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Bauministerin Klara Geywitz (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) haben sich auf ein Stufenmodell geeinigt, das viele Mieter entlasten wird.

Wie die Sprecher der drei Ministerien am Sonntag mitteilten, soll sich die Verteilung der CO2-Kosten künftig danach richten, wie klimafreundlich das Haus ist.

Nur in sehr gut gedämmten Wohngebäuden (KfW Effizienzhaus 55) sollen die Mieter die Klimaabgabe auch weiterhin allein tragen, bei Wohnungen mit einer schlechten Energiebilanz übernehmen die Vermieter 90 Prozent der CO2-Kosten.

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Das zehnstufige Modell soll im Januar 2023 in Kraft treten, falls Kabinett und Bundestag zustimmen. „Millionen Mieter werden damit gezielt entlastet“, sagte Geywitz.

Warum die bisherige Regelung unfair ist

Dass die Klimalasten gerechter verteilt werden sollen, hatten die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag vereinbart. Dass allein die Mieter zur Kasse gebeten werden, hatten Mieter- und Verbraucherschützer als ungerecht kritisiert.

Denn die Mieter können zwar ihr Heizverhalten kontrollieren, haben aber keinen Einfluss darauf, ob ein Wohnhaus energetisch saniert ist und so Energie spart.

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Einfach mal runterdrehen: Das spart Heizkosten, aber wenn die warme Luft durch undichte Fenster entweicht, können Mieter nicht viel tun.

© dpa/Fernando Gutierrez-Juarez

Die Einführung der CO2-Steuer im Jahr 2021 sollte Vermieter motivieren, ihre Gebäude zu dämmen und Mieter dazu bewegen, Energie zu sparen. Die komplette Überwälzung der Kosten auf die Mieter hat nach Meinung der Minister dieses Ziel aber unterwandert. Die neue Regelung schaffe nun Anreize, „Gebäude energetisch zu sanieren, wo die Potenziale besonders groß sind“, betonte Buschmann.

Habeck sprach von einer sozial gerechten Lösung: „Je schlechter ein Gebäude gedämmt ist, je älter zum Beispiel die Heizung oder die Fenster sind, umso höher sind die CO2-Kosten für Vermieter und umso größer die Entlastung für Mieter“.

Mieterschützer: Entlastung kommt zu spät

Der Deutsche Mieterbund begrüßt zwar grundsätzlich das Stufenmodell, fordert aber eine schnellere Entlastung der Mieter. "Wir können nicht verstehen, dass das Stufenmodell erst am 1. Januar nächsten Jahres in Kraft treten soll", sagte Mieterbundpräsident Lukas Siebenkotten dem Tagesspiegel.

Im Koalitionsvertrag sei klar vereinbart worden, dass ab Mitte des Jahres eine 50/50-Regelung herbeigeführt werden muss, wenn bis dahin kein Stufenmodell entwickelt wird. Da dieses nun aber fertig ist, müsste es auch ab Mitte des Jahres gelten, forderte Siebenkotten. "Schließlich zahlen die Mieter:innen den CO2 Preis bisher allein."

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Und das, so Siebenkotten, obwohl die Anreizwirkung zum Beispiel zum Einbau umweltfreundlicher Heizungen allein bei den Vermieter:innen erzielt werden kann, die darüber allein entscheiden. "Also ist der CO2-Preis im Bereich des vermieteten Wohnraums bisher ein völliger Rohrkrepierer. Das muss sofort und nicht erst nächstes Jahr geändert werden, zumal die Mieter:innen in diesem Jahr bereits mit deutlich höheren Heizkosten rechnen müssen", so Siebenkotten.

Wärmedämmung: Die neue Regelung soll Vermietern Beine machen.

© dpa/Arno Burgi

Zudem könne der Mieterbund nicht nachvollziehen, dass zwar in der energetisch besten Gebäudestufe der gesamte CO2-Preis von den Mieter:innen, aber in der schlechtesten Stufe nicht entsprechend 100 Prozent von den Vermieter:innen, sondern immer noch zehn Prozent von den Mieter:innen getragen werden sollen".

Auch Verbraucherschützer fordern Nachbesserungen

Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) fordert Nachbesserungen von der Ampel. „Erstens sollte die Kostenaufteilung schnell erfolgen, nicht erst 2023“, sagte Thomas Engelke, Leiter des Teams Energie und Bauen beim VZBV dem Tagesspiegel. „ Zweitens ist das von der Koalition vorgeschlagene Stufenmodell, ab wann die Kosten aufgeteilt werden sollen, unfair und auch aus Klimaschutzsicht schlecht.“ 

So sei die Definition des EH 55 mit zwölf Kilogramm CO2-Ausstoß pro Quadratmeter zu wenig ambitioniert. Vier bis fünf 5 kg CO2 pro Quadratmeter wären angemessener. „Das würde Vermieter:innen auch einen Anreiz geben, ihre Gebäude besser zu sanieren und zu dämmen und damit Energie zu sparen“, sagte Engelke. In der energetischen Gebäudesanierung stecke viel Potenzial zur Energieeinsparung. „Die Bundesregierung sollte alles dafür tun, diese Potenziale zu schöpfen, auch mit Blick auf die Verringerung der fossilen Energieimporte.“

 Derzeit liegt die CO2-Steuer bei 30 Euro pro Tonne

Die CO2-Steuer beträgt derzeit 30 Euro pro Tonne CO2, die beim Verbrennen von Heiz- und Kraftstoffen ausgestoßen wird. Bis zum Jahr 2025 soll die Steuer auf 55 Euro steigen.

Der Mieterbund geht davon aus, dass ein Musterhaushalt in einer unsanierten Wohnung durch die CO2-Abgabe Mehrkosten von jährlich bis zu 130 Euro bei Gas und 190 Euro bei Heizöl hat. Bis 2025 steigen sie demnach sogar auf 238 Euro bei Gas und 350 Euro bei Heizöl.

Nach früheren Berechnungen des Vergleichsportals Verivox könnten Mieter in einer 100-Quadratmeter-Wohnung bei Umsetzung des Stufenmodells um bis zu 122 Euro im Jahr entlastet werden - je nach Energiebilanz des Hauses. Für die meisten Mieter lägen die Entlastungen zwischen 12 und 72 Euro im Jahr.

Die Neuaufteilung der Kosten betrifft nicht nur Wohngebäude, sondern auch Gewerbeimmobilien. Angesichts der vielen unterschiedlichen Fallkonstellationen strebt die rot-grün-gelbe Koalition hier aber zunächst eine pauschale Aufteilung von 50:50 an. Perspektivisch soll aber auch hier das Zehn-Stufen-Modell eingeführt werden.

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