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Ein bewölkter Himmel ist über dem Bundesfinanzhof (BFH) zu sehen.

© Marc Müller/dpa

Steuerrecht: Bundesfinanzhof hält Nachzahlungszinsen auf Steuern für zu hoch

Sechs Prozent Zinsen pro Jahr auf nicht bezahlte Steuern: Das sei verfassungswidrig, urteilt der Bundesfinanzhof. Der Bund der Steuerzahler begrüßt den Entscheid.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hält die Nachzahlungszinsen von sechs Prozent im Jahr auf nicht gezahlte Steuern für verfassungswidrig hoch. Das höchste deutsche Steuergericht begründete die vorläufige Aussetzung der Zahlungen im aktuellen Streitfall ab 2015 am Montag mit "der realitätsfernen Bemessung des Zinssatzes". Der Bund der Steuerzahler begrüßte die Entscheidung des Gerichtshofs. (Az. IX B 21/18)

Der Beschluss gilt streng formal zwar nur für den aktuellen Einzelfall. Einem Gerichtssprecher zufolge könnten sich aber säumige Steuerzahler in vergleichbaren Fällen und Zeiträumen gegenüber ihren Finanzämtern durchaus mit Erfolgsaussicht auf die BFH-Entscheidung berufen.

Bei der Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen gilt ein Satz von 0,5 Prozent pro Monat, also sechs Prozent pro Jahr. Der hohe Zinssatz besteht bereits seit 1961. Dem BFH zufolge vereinnahmte der Staat allein bei steuerlichen Betriebsprüfungen 2016 und den Jahren davor laut BFH mehr als zwei Milliarden Euro pro Jahr an Nachzahlungszinsen.

Im Streitfall sollte der Kläger nach einer Betriebsprüfung knapp zwei Millionen Euro Steuern nachzahlen. Das Finanzamt verlangte deshalb für den Zeitraum vom 1. April 2015 bis 16. November 2017 Nachzahlungszinsen in Höhe von rund 240.000 Euro. Der BFH gab nun dem Antrag des Klägers statt, er muss vorerst keine Zinsen zahlen.

BFH: "realitätsferne Bemessungen des Zinssatzes"

Der BFH begründete seinen Beschluss mit der "realitätsfernen Bemessung des Zinssatzes" seit 2015. Die Zinshöhe verstoße wegen der anhaltenden Niedrigzinsphase gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Für die Höhe der Zinsen fehlt es der Entscheidung zufolge an einer Begründung. Der Sinn der Zinsen bestehe darin, den finanziellen Vorteil zum Teil abzuschöpfen, den der Steuerzahler habe, wenn er länger über die Gelder verfügen könne. Dieser Vorteil sei aber wegen des "strukturellen Niedrigzinsniveaus" nicht mehr gegeben.

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) zeigte sich erfreut. "Nicht selten zahlen die Steuerzahler nach einer Betriebsprüfung mehr Zinsen als Steuern - das kann nicht angehen", erklärte BdSt-Präsident Reiner Holznagel.

Beim Bundesverfassungsgericht sind derzeit bereits mehrere Klagen gegen die Höhe des Nachzahlungszinses anhängig, darunter ein vom BdSt geführtes Musterverfahren. Die Verfassungshüter haben bereits bei Fachverbänden und den Senaten des BFH Stellungnahmen zur Frage der Zinshöhe eingeholt. Insider werten dies als Zeichen, dass Karlsruhe sich des Problems annehmen wolle. Sie gehen deshalb davon aus, dass der BFH den Richterspruch aus Karlsruhe abwarten könnte, bevor er den aktuellen Fall endgültig entscheidet.

Dem BFH zufolge muss der Gesetzgeber prüfen, ob die Höhe des Nachzahlungszinses mit Blick auf das Niedrigzinsniveau herabgesetzt werden muss. Dies habe er zwar selbst auch erkannt, aber gleichwohl bis heute nichts getan. (AFP)

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