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Ziemlich leer: Wegen Corona sind viele Sitzplätze in Fernzügen unbesetzt.

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Sonderregelung für Dienstreisen in Corona-Zeiten: Bund zahlt Mitarbeitern zwei Bahn-Plätze

Bundesbeschäftigte dürfen auf Steuerzahlerkosten zwei Plätze in Zügen und Flugzeugen buchen, auch wenn sie allein reisen. Dabei sind die Züge derzeit leer.

Reisen mit der Bahn ist auch in Corona-Zeiten sicher, das versichern die Bahn und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) seit Monaten. Umso überraschender ist es, dass der Bund seinen Mitarbeitern nun einen zweiten leeren Sitzplatz im Zug spendiert, wenn Bundesbeschäftigte auf Dienstreisen gehen.

Für Bahnfahrten könne „ein zusätzlicher Nachbarsitzplatz gebucht (nicht nur reserviert werden), um so im Sinne des Infektionsschutzes einen größeren Abstand zu den Mitreisenden zu gewährleisten“, heißt es in einem neuen Rundschreiben des Bundesinnenministeriums, das dem Tagesspiegel vorliegt. Zuerst hatte die „Süddeutsche Zeitung“ darüber berichtet.

Auch im Flugzeug wird ein zweiter Platz bezahlt

Dienstreisen seien zwar grundsätzlich zu vermeiden, steht in dem Schreiben, bei zwingend erforderlichen Reisen dürfen Mitarbeiter von Ministerien und Bundesbehörden jetzt aber auf Steuerzahlerkosten einen zweiten Platz im Zug buchen. Wer den Flieger nimmt, darf einen Mittelsitzplatz bis zu den Kosten des eigentlichen Flugtickets zusätzlich kaufen. Auch die Nutzung eines Mietwagens wird erleichtert.

Die Regelungen gelten zunächst bis zum 31. März nächsten Jahres. Sie „entsprechen dem Ziel der Bundesregierung, die Kontakte in größtmöglichem Umfang zu reduzieren und die allgemein geltenden Abstandsregeln von 1,50 Meter – soweit möglich – umzusetzen“, erklärte ein Sprecher des Innenministeriums auf Anfrage. „Dies soll mit der Buchung eines zusätzlichen Sitzplatzes erreicht werden“.

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Grüne kritisieren zweierlei Maßstäbe

Bei den Grünen stößt das Verhalten des Bundes auf Unverständnis. Die Bundesregierung müsse öffentlich darlegen, auf welcher Risikoabschätzung die Entscheidung beruht und wenn nötig die Abstandsregeln im öffentlichen Verkehr anpassen, fordert der tourismuspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Markus Tressel. „Es wäre schwer vermittelbar, wenn hier für Bundesbedienstete andere Maßstäbe gelten als für den Rest der Bevölkerung“, sagte Tressel dem Tagesspiegel. „Genügender Infektionsschutz in Verkehrsmitteln darf kein Privileg für diejenigen sein, die es sich leisten können“, kritisiert der Grünen-Politiker.

Die Bahn ist kein Corona-Hotspot, meint Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).
Die Bahn ist kein Corona-Hotspot, meint Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).

© dpa

Die Züge sind kaum ausgelastet

„Reisen mit bestmöglichem Abstand im Fernverkehr ist sichergestellt“, betont eine Sprecherin der Deutschen Bahn. Auch ohne einen zweiten Sitzplatz zu kaufen. Denn wegen der Corona-Pandemie sind die Fernverkehrszüge derzeit ohnedies nur zu 20 bis 25 Prozent ausgelastet. „Das heißt: vier von fünf Sitzplätzen sind nicht belegt“, teilte die Bahn auf Tagesspiegel-Anfrage mit.

Für die Buchung von Sitzplatzreservierungen seien zudem Fensterplätze voreingestellt, so dass der Gangplatz frei bleibt. Das Zugpersonal achte darüber hinaus auch auf eine gleichmäßige Verteilung der Fahrgäste im Zug. Eine Reservierungspflicht, wie es sie in anderen Ländern gibt, will das Staatsunternehmen aber nicht einführen.

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Die Senatsverwaltung prüft, ob die neuen Regeln auch für Berlin gelten

Die Reisekostenregelung des Bundes gilt grundsätzlich auch für die Beschäftigten des Landes Berlin. Allerdings prüft die Senatsverwaltung für Finanzen noch, ob sie die neuen Vorschriften für Berlin umsetzen will. Schon in einem anderen Punkt weicht das Land von den Bundesregeln ab: Landesbeschäftigten werden auf Dienstreisen nur die Kosten der niedrigsten Beförderungsklasse des wirtschaftlichsten Verkehrsmittels erstattet, betonte die Sprecherin der Finanzverwaltung, Eva Henkel. Generell gelte in Berlin derzeit aber ohnedies: „Dienstreisen sind unter den gegenwärtigen coronabedingten Umständen weitestgehend zu vermeiden“, sagte Henkel dem Tagesspiegel.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer macht nicht mit

Während Berlin noch prüft, ist das Bundesverkehrsministerium offensichtlich bereits entschlossen, Doppelbuchungen seiner Mitarbeiter nicht zu unterstützen. Entsprechende Anfragen von Beschäftigen seien bisher abgewiesen worden, „da Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln kein erhöhtes Infektionsrisiko darstellen“, teilte das Ministerium am Dienstag mit. So recht durchdacht scheint die neue Regelung aber ohnedies nicht zu sein. Nach den Beförderungsbestimmungen der Bahn verfällt ein Sitzplatz, wenn er nicht innerhalb von 15 Minuten in Besitz genommen wird. mit dpa

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