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Leere Tische. Vor 30 Jahren trank noch mehr als jeder zweite 18- bis 25-Jährige mindestens einmal in der Woche Alkohol. Im vergangenen Jahr trank nur noch jeder dritte junge Erwachsene regelmäßig.

© Andreas Gebert/ dpa

Bierkonsum in Deutschland: Ernüchterung in deutschen Brauereien

Die Deutschen trinken immer weniger Bier. Woran das liegt und warum es trotzdem immer mehr Brauereien in Berlin gibt.

In Berlin gibt es die Flasche Bier an jeder Ecke zu kaufen, und das auch noch viel günstiger als in anderen Hauptstädten Europas. Das Wegebier gehört zur Ausgehkultur, in manchen Bezirken fast zum Stadtbild, der „Späti“ hat es im vergangenen Jahr in den Duden geschafft. Da fällt die Nachricht schwer zu glauben, dass der Bierabsatz hierzulande im vergangenen Jahr so niedrig war wie noch nie seit der Wiedervereinigung.

Nach drei vergleichsweise stabilen Jahren sackte der Gesamtabsatz 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 2,5 Prozent auf 93,5 Millionen Hektoliter ab, wie das Statistische Bundesamt jetzt mitteilte. Anders als in den Vorjahren konnte dieses Mal auch der Export den geringeren Bierdurst im Inland nicht ausgleichen. Stattdessen gaben die Ausfuhren in Länder außerhalb der EU und nach Übersee mit einem Minus von 4,1 Prozent besonders stark nach. Vor allem in China soll der Markt gesättigt sein.

Laut einer Marktstudie des Getränke-Fachmagazins „Inside“ konnten von den Top-Ten der deutschen Biermarken im vergangenen Jahr nur Krombacher, Veltins und die exportstarke Paulaner-Brauerei etwas wachsen, während Marken wie Warsteiner und Hasseröder teils dramatische Rückgänge verzeichneten. Mit der Konsequenz, dass die Warsteiner Gruppe am Donnerstag ankündigte, bis zu 240 Jobs zu streichen. Bezogen auf die insgesamt 1500 Vollzeitstellen ist das etwa jeder sechste Arbeitsplatz. Die Einschnitte seien die Folge eines jahrelangen Abwärtstrends.

Tatsächlich sind die schlechten Absatzzahlen keine große Überraschung. Lag der Bier-Pro-Kopf-Verbrauch Anfang der 90er Jahre bei 143 Litern, ist er stetig auf 106 Liter gesunken. Bildlich gesprochen kommt der Konsum des Einzelnen nicht mehr dem Fassungsvermögen einer normal großen Badewanne gleich, sondern nur noch dem einer kleinen Badewanne.

Die Jugend lebt heute nüchterner

Gründe, die Experten nennen, sind Folgende: Die Bevölkerung in Deutschland wird im Schnitt immer älter, und im hohen Alter trinken die Menschen in der Regel weniger Alkohol. Doch auch die Jugend lebt nüchterner. Laut einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung trank vor 30 Jahren noch mehr als jeder zweite 18- bis 25-Jährige und fast jeder dritte 12- bis 17-Jährige mindestens einmal in der Woche. Im vergangenen Jahr trank nur noch jeder zehnte Jugendliche und fast jeder dritte junge Erwachsene so regelmäßig. Auch beim Alkohol zeigt sich der Trend zum gesünderen, bewussteren Leben.

Was den Brauereien noch zu schaffen macht, ist der starke Wettbewerb. Gibt es in anderen Ländern zwei, drei Unternehmen, sind es hier etliche, die sich den Markt teilen. Die Folge ist ein erbitterter Preiskampf, den der konzentrierte Lebensmittelhandel mit harten Verhandlungen antreibt. „Eine Biersorte gibt es doch immer zum Aktionspreis. Sprich einen Kasten für ’nen Zehner“, sagt Olaf Hendel von der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin (VLB), die ein wichtiger Ansprechpartner für Brauereien ist, wenn es um Getränkeanalysen, Beratung und Weiterbildung geht. Berlin sei für Brauereien trotzdem interessant. „Die Stadt ist groß, hat viele Kneipen, hier leben viele junge Leute und ein großer Teil der Touristen kommt zum Ausgehen und Feiern“, sagt Olaf Hendel.

Die Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei sei laut Sprecher Peter Christian Gliem mit dem „Verlauf des Jahres 2017 zufrieden“, es habe sich „wie erwartet anspruchsvoll präsentiert und die Branche in Atem gehalten“. Die Jahresproduktion habe für den Berliner Standort bei 1,5 Millionen Hektolitern gelegen. Fünf Kilometer von Berlins größter Brauerei in Alt-Hohenschönhausen entfernt, befindet sich eine ihrer Kleinsten, eine gemütliche Hausbrauerei in Berlin-Friedrichshain: Hops & Barley. Zur Zeit bietet Philipp Brokamp hier sieben verschiedene, handwerklich hergestellte Sorten an. „Das schmeckt man eben auch“, sagt er. „Wie bei einem frischen Brot oder frischer Milch.“ Was aber auch seinen Preis hat.

Craft-Beer werden immer beliebter

Tatsächlich, das bestätigen Branchenexperten, hat der harte Preiswettbewerb die geschmackliche Vielfalt der Biere mit den Jahren reduziert. Statt aromatischem Hopfen verwenden die Brauer heute oft günstige Hopfenextrakte, um ihre Produkte günstiger anbieten zu können und den Geschmack der Masse zu treffen.

So genannte Craft-Biere werden deswegen immer beliebter. „Die Standardbiere gibt es so in jeder Stadt in jeder Kneipe. Sie sind austauschbar geworden. Ein Craft-Beer ist im Gegensatz dazu mal etwas Anderes, etwas Besonderes“, erklärt Nina Anika Klotz, die „Hopfenhelden“ – Deutschlands erstes Onlinemagazin über das neue Segment – mitgegründet hat. Zu der Hauptstadt würden die Mikrobrauer gut passen. „In Berlin gibt es keine so starke Biertradition wie in München. Berlin ist da kosmopolitischer“, sagt sie.

Flensburger profiliert sich mittlerweile auch mit Craft-Beer. Zudem setzen die industriellen Brauereien auf den wachsenden Bereich der alkoholfreien Biere und auf Mixgetränke. So wurde im vergangenen Jahr beispielsweise in der Hauptstadt das Berliner Kindl Radler Naturtrüb und Berliner Kindl Weisse Rhabarber neu eingeführt. Und noch etwas soll den Bierdurst der Menschen in diesem Jahr wieder steigern: die Fußball-WM.

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