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In der Industrie läuft die Ausbildung weitgehend weiter, in Handel, Handwerk und Gastgewerbe gibt es dagegen erhebliche Einschränkungen.

© picture alliance / Bernd von Jut

Berufsausbildung in Not: Prämien gegen die Leere

Betriebe sparen in der Coronakrise an Ausbildungsplätzen. Der Bund stellt daher 700 Millionen Euro für Lehrstellen zur Verfügung.

Mit Geld und guten Worten soll die Berufsausbildung durch die Pandemie gebracht werden. Die Bundesregierung verdoppelt die Prämie für Ausbildungsplätze, und Wirtschaft und Gewerkschaften werben in einem „Sommer der Berufsbildung“ für das hochgelobte, aber schwächelnde duale System. Nach einem Treffen der „Allianz für Ausbildung“ erläuterte die stellvertretende DGB-Vorsitze Elke Hannack am Mittwoch den Ernst der Lage. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge sei im vergangenen Jahr um elf Prozent auf 467 000 gefallen und damit erstmals seit 1990 unter 500 000 geblieben. Der Trend setzt sich fort. Derzeit laufe es in diesem Jahr auf ein Minus von zehn Prozent hinaus. 2020 und 2021 würden dann insgesamt rund 100 000 Verträge weniger abgeschlossen als 2019.

Was weg ist, kommt so schnell nicht wieder

Das ist auch deshalb bitter, weil ein Großteil der einmal weggefallenen Ausbildungsplätze nicht so schnell wiederkommt. Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer zufolge gab es in der Finanzkrise 2009 ein Minus um sieben Prozent. „Das haben wir in den Folgejahren nicht wieder aufgeholt“, sagte Wollseifer. „Und das sollte uns jetzt nicht noch einmal passieren.“ Aber es passiert bereits, wie auch an einer anderen Zahl ablesbar ist. Rund 1,3 Millionen junge Menschen (bis 29 Jahre alt) seien ohne Ausbildung, sagte DGB-Vize Hannack. Von den Hauptschulabsolventen bleibe ungefähr jeder dritte ohne Lehrstelle. Arbeitslosigkeit und Hartz IV sind damit absehbar.

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Große Lücke zwischen Schule und Beruf

Bereits bei der Schnittstelle zwischen Schule und Betrieb hakt es, wie das Statistische Bundesamt vor kurzem mitteilte. Danach nahmen im vergangenen Jahr 238 000 Jugendliche an entsprechenden Bildungsprogrammen teil, das waren knapp fünf Prozent weniger als im Vorjahr. Der Höchststand für diesen Übergangsbereich zwischen Schule und Beruf lag 2005 bei 418 000 Teilnehmern. Seitdem geht es bergab. Wenn jedoch erst einmal einige Jahre zwischen Schule und Berufsstart vergangen sind, dann ist die Chance auf eine ordentliche Ausbildung häufig vertan.

2020 noch mit einem "blauen Auge" davongekommen

Das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit (IAB) befürchtet, dass jeder zehnte ausbildungsfähige Betrieb in diesem Jahr weniger Ausbildungsplätze anbietet als 2020. Im ersten Pandemiejahr sei man noch mit „blauen Auge davongekommen“, hatte IAB-Direktor Bernd Fitzenberger kürzlich festgestellt. Die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze habe um acht bis zehn Prozent unter dem Vorjahresniveau gelegen – und auch die Zahl der Bewerber sei gesunken. Ein großes Problem ist die schwierige Erreichbarkeit der Schüler respektive das Zusammenfinden von Angebot und Nachfrage. Praktika sind in der Pandemie selten, Berufsberatungen in den Schulen kann es nicht geben, wenn die Schulen geschlossen sind, und Ausbildungsbörsen oder -messen fallen auch aus. Mit vielfältigen Initiativen im „Sommer der Berufsbildung“ sollen die Defizite des Frühjahrs aufgeholt werden, hoffen jedenfalls die Partner der Ausbildungsallianz.

Jeder dritte Betrieb im Ausnahmezustand

Die verlorene Zeit lässt sich nicht aufholen. In vielen Branchen – Gastgewerbe und Handel, Kultur und Veranstaltungswesen – findet Ausbildung während des Lockdowns kaum statt. Damit die Azubis trotzdem die Prüfungen bestehen, nimmt die Bundesregierung Geld in die Hand zur Finanzierung von Vorbereitungsmaßnahmen. „Fast jeder dritte Ausbildungsbetrieb befindet sich in einem Ausnahmezustand“, sagt DGB-Vize Hannack dazu.

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger zufolge stehen die Chancen auf einen Ausbildungsplatz „sehr, sehr gut“. Im vergangenen Jahr hätten 60 000 Plätze nicht besetzt werden können, gleichzeitig seien 30 000 Jugendliche ohne Lehrstelle geblieben. Dulger begrüßte die von der Regierung beschlossene Anhebung der Grenzen für den Bezug der Ausbildungsprämie: Bislang konnten nur Betriebe mit maximal 249 Beschäftigten Geld bekommen, künftig sind es 499 Beschäftigte.

"Wir sind handlungsfähig", sagt Altmaier

Für Ausbildungen, die ab dem 1. Juni beginnen, verdoppeln sich die Ausbildungsprämien auf 4000 Euro beim Erhalt beziehungsweise 6000 Euro bei der Ausweitung des bestehenden Ausbildungsniveaus. Wenn der Ausbildungsbetrieb pandemiebedingt insolvent wird, „sollen die Auszubildenden nicht auf der Straße stehen“, sagte Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU). Die Prämie für die Übernahme von Auszubildenden aus insolventen Betrieben wird deshalb auch auf 6000 Euro verdoppelt. „Wir sind in der Pandemie handlungsfähig geblieben“, kommentiere Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) die Prämienpolitik der Regierung, die rund 700 Millionen Euro kosten dürfte.

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