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Auslaufmodell. Nur noch ein paar Jahre werden in Marienfelde Motoren gebaut.

© imago/Jürgen Heinrich

Berliner Mercedes-Werk: Digitale Modellfabrik

Nach dem Auslaufen der Motorenfertigung soll die Berliner Fabrik Softwareapplikationen für alle Produktionsstandorte entwickeln.

Die Elektromobilität macht es möglich. Aus der fast 120 Jahre alten Motorenfabrik von Mercedes in Marienfelde wird der Digital Campus Berlin. Nach wochenlangen Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Werksleitung haben die rund 2400 Beschäftigten nun etwas mehr Klarheit über die Zukunft ihrer Arbeitsplätze. Die Fertigung von Verbrennungsmotoren läuft ebenso aus wie die Motorsteuerung „Camtronic“. Mit Investitionen von rund 60 Millionen Euro soll eine „digitale Anlauffabrik mit einer Reihe modernster Pilotlinien und Testzellen“ im Südwesten Berlins entstehen. Wie viele Arbeitsplätze das mittelfristig bedeutet, wussten am Mittwoch weder der Konzern in Stuttgart noch die Berliner Arbeitnehmervertreter zu sagen. Vermutlich wird rund die Hälfte der Belegschaft betroffen sein. Betriebsbedingte Kündigungen solle vermieden werden.

Das älteste Daimler-Werk

Seit 1902 werden in dem Werk auf beiden Seiten der Daimlerstraße Motoren produziert. Es ist damit die älteste Fabrik im Daimler-Konzern mit weltweit fast 30 Standorten. Nachdem der Stuttgarter Konzern im vergangenen Sommer mitgeteilt hatte, nicht mehr in die Fertigung von Verbrennungsmotoren investieren zu wollen, bemühten sich Betriebsrat und IG Metall um eine Perspektive. Auf dem Gelände südlich der Daimlerstraße ist die Verbrennerproduktion angesiedelt. Mit dem Auslaufen der Fertigung könnte dieser Teil des Werks verkauft werden, doch angeblich konnten das die Arbeitnehmervertreter in den Verhandlungen verhindern. Nun wird überlegt, Teile des Areals zu vermieten. Auch zu dem Thema der Flächennutzung will der Berliner Werkleiter Clemens Dobrawa an diesem Donnerstag mit Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) sprechen.

Senatorin Pop will helfen

„Durch die Verbindung von automobiler Tradition und einer herausragenden Forschungslandschaft eröffnen sich für den Standort Berlin ganz neue Möglichkeiten“, ließ sich Dobrawa in einer Konzernmitteilung zitieren. Pop kommentierte die Pläne für Marienfelde positiv: „Berlin entwickelt sich immer mehr zu einem Standort für die neue Automobilindustrie, weg vom Verbrennungsmotor, hin zu Digitalisierung und Elektromobilität.“ Der Senat sei bereit, „um den Standort Marienfelde für die Zukunft aufzustellen und dabei Arbeitsplätze zu sichern und neue Arbeitsplätze zu schaffen“.

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Werkleiter Dobrawa, zuletzt Chef der Daimler-Batteriefertigung im sächsischen Kamenz, hat im vergangenen Jahr René Reif abgelöst, nachdem der von Mercedes zu Tesla nach Grünheide gewechselt war. Das ist auch eine Option für die Beschäftigten, die keine Perspektive mehr sehen in Marienfelde.

Berlin bleibt Produktionsstandort

Für Dobrawa und die Arbeitnehmervertreter ist die Transformation zu „einem Digital Factory Campus mit Fertigungskompetenz im Bereich von E-Komponenten ein klares Bekenntnis zum Standort“. Konkret will Daimler nach eigenen Angaben in Marienfelde „ wegweisende Softwareapplikationen“ für das globale Produktionsnetzwerk entwickeln und erproben. Dazu sei der Aufbau „einer digitalen Anlauffabrik mit einer Reihe modernster Pilotlinien und Testzellen geplant“. Bereits von diesem Jahr an sollen „elektrische Komponenten für künftige kompakte vollelektrische Mercedes-EQ Modelle“ in Marienfelde gebaut werden. Ferner ist die Produktion der Batteriesteuerung vorgesehen. Alles in allem werde Berlin „zu einem Kompetenzzentrum für Digitalisierung mit Produktionsvolumen im Bereich E-Mobilität“ umgebaut, teilte Mercedes-Benz in Stuttgart mit. Dieser Punkt ist für die Arbeitnehmervertreter entscheidend: Mercedes Marienfelde bleibt ein Produktionswerk.

Betriebsräte im Roten Rathaus

Es gibt nicht viele große Industriestandorte in der Stadt, und die dünne industrielle Basis wird gerade nicht nur in Marienfelde, sondern auch in Moabit geschwächt, wo Siemens Energy bis zu 700 Arbeitsplätze im Gasturbinenwerk streichen will. Die Verhandlungen darüber mit dem Betriebsrat beginnen in diesen Tagen. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte am Montag Vertreter der IG Metall sowie die Betriebsratsvorsitzenden von Mercedes und Siemens Energy im Roten Rathaus empfangen. „Das ist eine beinharte Situation, man muss um jeden Arbeitsplatz in der Produktion auch kämpfen“, sagte Müller im Anschluss an das Gespräch. Zu einem guten Wirtschaftsstandort gehöre Industriepolitik ebenso wie Arbeitsplätze in der Produktion. Er forderte namentlich Mercedes, Siemens und BMW auf, „diesen Standort mit uns zukunftsfähig zu machen“. BMW produziert Motorräder in Spandau.

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