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Mit einer Software von Trinckle aus Hennigsdorf lässt die Bahn Hinweise in Blindenschrift drucken, die an Handläufen in Bahnhöfen angebracht werden.

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Berlin bildet Cluster zum 3D-Druck: Leben aus dem Drucker

Mit Bioprinting können Organe hergestellt werden – in Berlin entsteht die Technologie dafür. Ein neuer Branchencluster 3D-Druck formiert sich.

Lutz Kloke und seine Kollegen haben eine Technik entwickelt, mit der lebendes Material gedruckt wird. Das erinnert an Frankenstein. Doch bis die Firma Cellbricks einen Organismus druckt, werden noch viele Science-Fiction-Romane geschrieben. „Wir wollen implantierbare Organe herstellen“, sagt Kloke im Gespräch mit dem Tagesspiegel, „vielleicht in drei oder vier Jahren“. Im kleinen Format funktioniert das bereits, indem aus Zellmaterial Miniorgane entstehen. Kloke spricht von „Schnipseln“ – die aber genauso funktionieren wie eine Leber oder ein Herz. Zellen und Polymere produziert sein Unternehmen ebenso wie 3D-Drucker.

„Alles im Körper ist dreidimensional“, sagt Kloke, der über dreidimensionales Gewebe an der TU Berlin promoviert und 2016 Cellbricks gegründet hat. Im Bereich Bioprinting ist die junge Firma nach eigenen Angaben Marktführer in Berlin. Die Stadt macht sich auf, im 3D-Druck oder „Additive Manufacturing“ ein bundesweit herausragendes Profil zu entwickeln.

Berlin bewirbt sich um 15 Millionen Euro

„Wir haben exzellente Forschung auf dem Gebiet, dazu innovative Firmen und Start-ups“, sagt Aleksander Gurlo, Leiter des Fachbereichs Keramische Werkstoffe an der TU. Gurlo ist der Kopf von Amber, das ist eine Abkürzung für Additive Manufactoring Cluster Berlin-Brandenburg. Der TU-Professor hat vor ein paar Wochen im Bundesforschungsministerium einen Antrag eingereicht auf eine Förderung im Volumen von 15 Millionen Euro für die kommenden drei Jahre. Eigentlich ein läppischer Betrag, zumal im Vergleich zu Corona-Hilfen. Doch in Berlin könnte das einer potenziellen Zukunftsbranche einen Schub geben. „Amber ist extrem wichtig für die Vernetzung von Unternehmen und Forschungseinrichtungen und erhöht die Schlagkraft der Region“, glaubt Lutz Kloke von Cellbrick.

Cluster4Future heißt der Wettbewerb

Die Geldverteiler im Bundesforschungsministerium (BMBF) haben sich den Begriff Clusters4Future für eine Anschubfinanzierung vielversprechender Technologien einfallen lassen. In einer ersten Wettbewerbsrunde wählte die Jury aus 137 Anträgen 16 „Zukunftscluster-Anwärter“. Amber war dabei. Diese 16 reichten Anfang November ein Konzept mit Projekten ein. „Als neues Flaggschiff der Hightech-Strategie 2025 der Bundesregierung leisten die Zukunftscluster einen besonderen Beitrag zum Wissens- und Technologietransfer“, heißt es beim BMBF. Im Kern geht es also um die Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft, den Transfer von Forschungsergebnissen aus den Universitäten und Instituten in die Realwirtschaft, damit „technologische sowie soziale Innovationen schneller im Alltag der Menschen ankommen“. Wie zum Beispiel implantierbare Organe von Cellbricks, die womöglich bald dazu beitragen, dass Menschen nicht mehr jahrelang auf Spenderorgane warten müssen.

Passgenaue Orthesen sind mit der Trinckle-Software möglich.
Passgenaue Orthesen sind mit der Trinckle-Software möglich.

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„In der Biotechnologie wird viel passieren“, glaubt Loke an einen Schub auch durch den Erfolg der deutschen Corona-Impfstoffentwickler Biontech und Curevac. Personalisierte Medizintechnik, von Organmodellen bis hin zu gedruckten Prothesen, ist eines der drei Anwendungsfelder der Berliner Amber-Initiative. Neben der eher mittelfristigen Perspektive des Drucks menschlicher Organe steht eine weitere Zielsetzung: Die Zahl der Tierversuche könnte sich durch Bioprinting verringern lassen.

Die Berliner Bewerbung, die unter anderem auch von der hier ansässigen Bundesanstalt für Materialforschung unterstützt wird, ist die einzige unter den 16 verbliebenen Bewerbern, die sich mit 3D-Druck befasst. Die Chancen stehen also gut, am Ende zu den acht Gewinner des Clusterprogramms zu gehören.

Rückenwind für ein neues Ökosystem

Gurlo hat 20 Forschungsprojekte in den Mittelpunkt der Berliner Bewerbung gestellt, die neben dem Bioprinting noch zwei andere Bereiche abdecken: neue Materialien und Verfahren sowie 3D-Druck mit „biobasierten Werkstoffen“, dabei geht es zum Beispiel um Fleischersatz aus dem Drucker oder um umweltfreundliche Stoffe als Plastikersatz. „Wir glauben an unser Konzept“, sagt Gurlo und freut sich auf die Förderbescheide des BMBF Anfang kommenden Jahres.

„Amber ist super“, sagt Florian Reichle von der Trinckle 3D GmbH in Hennigsdorf. „Mit der Förderung können wir ein Ökosystem aufbauen und eine neue Industrie entwickeln.“ Trinckle ist ein Softwarehaus, dessen Kunden vor allem in Süddeutschland sitzen; dort befindet sich die Industrie, vor allem die Autohersteller und deren Lieferanten sind in Bayern und Baden-Württemberg ansässig. „Die Hardware, das Maschinelle ist stark im Raum München vertreten“, sagt Reichle. Berlin wiederum profiliere sich gerade in der Verbindung der digitalen Welt mit industriellen 3D-Anwendungen. In der Wissenschaft und an den Universitäten befassten sich sehr viele mit dem Additive Manufactoring: „Das ist gut für uns, wenn wir Mitarbeiter suchen.“

Die Trinckle-Gründer Marlene Vogel, Florian Reichle und Gunnar Schulze.
Die Trinckle-Gründer Marlene Vogel, Florian Reichle und Gunnar Schulze.

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Reichle hat Trinckle vor sechs Jahren mit zwei Physikern gegründet. So wie Lokes Cellbrick eine Ausgründung der TU war, stammen die Trinckle-Protagonisten aus der FU. „Alle stürzten sich damals auf die 3D-Druckmaschinen“, blickt Reichle zurück. „Aber woher weiß die Maschine, was und wie sie drucken soll?“ Die Software zur Beantwortung dieser Frage stammt von Trinckle. „Wir machen Software, und die Software wird zu Materie.“ Fast alle deutschen Autohersteller, dazu Medizintechnikunternehmen oder auch die Bahn, gehören zu den Trinckle-Kunden. Und Orthopäden, die zum Beispiel das Bein von Patienten scannen, die eine Orthese zur Kniestabilisierung brauchen. Die Daten werden von der Trinckle-Software verarbeitet und an die „Druckerei“ geschickt. Der Patient bekommt so eine individuelle, perfekt sitzende Orthese. Im Auftrag der Bahn hat Trinckle eine Software zur Herstellung von Hinweisschildern für blinde Menschen entwickelt, die an Handläufen in Bahnhöfen angebracht werden. Die Bahn liefert den Text,die Software übernimmt die „Übersetzung“ für den Druck.

15 Personen arbeiten bei Trinckle, Tendenz steigend, denn seit etwa anderthalb Jahren „zieht das Geschäft an“, erzählt Reichle. Derzeit laufen die Vorbereitungen für eine Venture-Capital-Beschaffung, die 2021 weiteres Wachstum ermöglicht. „Damit wir gewappnet sind für den großen 3D-Durchbruch.“

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