zum Hauptinhalt
Der US-Unterhändler Peter Navarro (Mitte) beim Weltpostgipfel in Genf.

© AFP

Update

Weltpostvertrag: Auf einem Nebenkriegsschauplatz des Handelsstreits setzt sich Trump durch

Die USA drohten aus dem Weltpostverein auszutreten, der globalen Briefverkehr ermöglicht. Nun gibt es eine Einigung. Der vorerst einzige Profiteur: Die USA.

Der Handelsstreit zwischen den USA und China schwelt weiter: Seit Jahren hat Donald Trump hier wohl mehr Schaden angerichtet, als dass er Erfolge verzeichnen kann. Auf einem Nebenkriegsschauplatz dieses Konflikts hat er nun aber einen Erfolg gefeiert. Der Weltpostvertrag, der den globalen Verkehr von Briefen und kleinen Päckchen bis zu zwei Kilogramm regelt, wird reformiert. Und zwar genau so, wie der US-Präsident sich das vorgestellt hat.

Wahrscheinlich hatten vor Trumps Einschreiten nur die Wenigsten überhaupt von der Existenz des Weltpostvertrages oder des dahinter stehenden sogenannten Weltpostvereins gewusst. Dabei ist er die Grundlage dafür, dass der Postversand weltweit überhaupt funktioniert. Denn dieser völkerrechtliche Vertrag regelt die Finanzierung von Briefen und Paketen über den gesamten Globus so, dass ein Brief auch in die entlegensten Regionen der Welt zugestellt werden kann.

Vereinfacht gesagt bezahlt dabei die Post des Senderlandes einen Teil der Zustellungskosten, die auf dem Weg und im Empfängerland entstehen. Wenn also beispielsweise ein Brief aus dem Kongo nach Deutschland geschickt wird, muss nicht die Deutsche Post, sondern deren Pendant im Kongo die Kosten tragen, die sogenannte Endvergütung.

Um allerdings auch entwicklungsschwachen Ländern eine verhältnismäßig günstige Postinfrastruktur zu ermöglichen, gliedert der Weltpostvertrag die Staaten in bestimmte Gruppen. Das bedeutet, dass einkommensschwachen Ländern ein großer Teil dieser Endvergütung erlassen wird. Auf diesem Wege würde der im vorherigen Satz abgeschickte Brief den Kongo doch kaum etwas kosten.

Die drittälteste internationale Organisation

Da bislang aber auch China in die Gruppe der entwicklungsschwachen Länder eingeteilt war, witterte Trump eine ungerechtfertigte Bevorteilung von Sendungen aus der Volksrepublik. Für ein chinesisches Unternehmen sei es billiger, ein Päckchen aus China nach New York zu senden als für ein kalifornisches, so die Kritik. Er war indes nicht der einzige, der sich daran störte. Auch seine Vorgängerregierung hatte bereits auf diesen Umstand hingewiesen. Erst in der vergangenen Woche hatte zudem Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in einer Bundesratsinitiative darauf aufmerksam gemacht. Doch Trump war der erste, der offensiv mit einem Austritt aus dem Weltpostvertrag gedroht hatte.

Mit diesem Schritt hätte der US-Präsident wohl das Ende eines der ältesten völkerrechtlichen Verträge überhaupt erreicht. Im Jahr 1874 hatte sich der Weltpostverein, ansässig in der Weltpoststraße 4 in Genf, auf Vorschlag des deutschen Generalpostdirektors Heinrich von Stephan gegründet. Sie gilt damit als die drittälteste internationale Organisation überhaupt (als älteste rühmt sich die Zentralkommission für Rheinschifffahrt, die auf den Wiener Kongress 1815 zurückgeht). Der dank der Drohung von Trump anberaumte Sonderkongress ist erst der dritte in der Geschichte des Vereins. Wären die USA ausgetreten, hätte das einen Wust an bilateralen Verhandlungen nach sich gezogen, die wohl kaum jemand wollte.

Die USA legen ihren Preis jetzt selbst fest

Das wusste wohl auch Trump, als er im Oktober vergangenen Jahres erstmals mit dem Austritt gedroht hatte. Somit konnte er darauf setzen, dass es zu einer Einigung in seinem Sinne kommen würde. Zumal die Endvergütung für China wegen seiner Wirtschaftskraft schon 2016 angehoben wurde und das Land ab 2021 ohnehin in den Kreis der am meisten zahlenden Staaten aufgestiegen wäre.

Die nun gefundene Lösung schafft den USA den gewünschten Sonderweg. Länder, in denen besonders viele Sendungen ankommen, können ihre Gebühren ab dem 1. Juli 2020 selbst festlegen, teilte der Generaldirektor des Weltpostvereins, Bishar Hussein, mit. Die Grenze, ab der das erlaubt ist, liegt bei 75.000 Tonnen. Auf Tagesspiegel-Nachfrage, welche Länder diese Grenze denn überschreiten, antwortete der Weltpostverein: „Unseres Wissens nach sind das im Moment nur die USA.“

Nach Donald Trumps Drohungen wurde der Weltpostvertrag reformiert.
Nach Donald Trumps Drohungen wurde der Weltpostvertrag reformiert.

© dpa

Entsprechend zufrieden zeigte sich der US-Unterhändler Peter Navarro. „Internationale Organisationen müssen die Rechte der USA respektieren“, sagte er. Nach dem Kompromiss sollen die Gebühren zunächst aber nicht mehr als 70 Prozent der heimischen Beförderungstarife betragen. Die Versandkosten kleinerer Päckchen in die USA dürften steigen, wenn auch die USA die Gebühren hochsetzen, sagte Hussein. Nach Angaben aus Branchenkreisen könnte das die Kosten für kleinere Päckchen aus Deutschland in die USA erhöhen. Mittelfristig sollen auch andere Staaten ihre Preis selbst festlegen können. Einzelheiten müssten auf bilateralem Weg geklärt werden. Die Entscheidung sei einstimmig unter den 192 Mitgliedsstaaten im Weltpostverein gefallen.

Postsendungen aus China nehmen zu

Pro Land ist bislang nur ein Unternehmen benannt, dass die Kooperationspflichten aus dem Weltpostvertrag übernimmt. In Deutschland ist das die Deutsche Post. Sie hat daher laut einer Studie des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) allein 2016 120 Millionen Euro verloren, weil sie für Sendungen aus entwicklungsschwächeren Ländern zahlen musste. Auch wenn die genauen Regelungen des Vertragen auch von Insidern als "Blackbox" bezeichnet werden, ist aus Branchenkreisen allerdings zu hören, dass das ehemalige Staatsunternehmen trotzdem vom Weltpostvertrag profitiert.

Der Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste (BdKEP) kritisierte deshalb im Mai dieses Jahres gemeinsam mit zwei anderen Verbänden das "de facto Monopol" der Deutschen Post. Es führe "zu einer rasch wachsenden Marktverzerrung". Die Deutsche Post profitiere als einzige von dem wachsenden Markt des E-Commerce. "Die Öffnung dieses Marktsegmentes ist für die in Deutschland lizensierten Brief-Postdienste besonders wichtig", heißt es weiter. "Es besteht die Bereitschaft, sich für eine solche Zulassung zu bewerben."

Und die Bundesregierung scheint den Weg frei zu machen. Mit einer im Juli veröffentlichten Verordnung soll Unternehmen der Zugang zu dem "universellen Postgebiet", ermöglicht werden, wie es dort heißt. "Die Grundlage ist beschlossen. Wie genau das Prozedere zur Bewerbung ablaufen soll, ist aktuell in der Bearbeitung", teilte der BdKEP dem Tagesspiegel mit. Der Weltpostvertrag lässt grundsätzlich mehr als nur ein Unternehmen pro Land zu, bislang macht aber kaum ein Staat davon Gebrauch.

Der Direktor des Weltpostvereins Bishar Hussein.
Der Direktor des Weltpostvereins Bishar Hussein.

© AFP

Trump wie Söder wollten mit ihrem Vorgehen Wettbewerbsvorteile für chinesische Onlinehändler beseitigen. Gerade kleine Elektronikprodukte, die unter zwei Kilogramm bleiben, wie Chips, USB-Sticks oder Kabel konnten dank des Weltpostvertrages bislang aus China so versendet werden, dass kaum Kosten in der Volksrepublik anfielen, dafür umso mehr in den Empfängerländern. Die Händler dort scheinen diese Gelegenheit zu nutzen.

„Während die deutschen Importe aus China in den letzten Jahren nur leicht anstiegen, nahmen Warenimporte per Briefpost aus China stark zu“, schreibt das WIK in seiner Studie und spricht weiter von „günstigen Paketpreise, von denen Händler und Kunden im europäischen Binnenmarkt nur träumen können.“

Damit soll nun bald Schluss sein. Zunächst in den USA, bald auch in Deutschland. Da Prognosen davon ausgehen, dass die Sendungen aus China weiter zunehmen, ist das ein wichtiger Schritt. Inwieweit all diese Kosten sich auf die Preise für Verbraucher auswirken, bleibt abzuwarten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false