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Arbeitgeber Caritas. Bei Bewerbern ist in der Regel ein religiöser Hintergrund erwünscht.

© Max Stuttmann

Arbeitsrecht: Darf ich mich als Atheist bewerben?

Darf der Arbeitgeber von Bewerbern Religionszugehörigkeit verlangen? Das erklärt die Arbeitsrechtlerin Marta Böning.

Unsere Leserin fragt: Ich bin Physiotherapeutin und auf Jobsuche. In einem Krankenhaus bei mir um die Ecke sind derzeit attraktive Stellen frei. Es gibt nur einen Haken: Das Krankenhaus ist in kirchlicher Trägerschaft und in den Ausschreibungen wird eine Religionszugehörigkeit erwartet. Ich bin aber Atheistin. Kann ich mich dennoch bewerben?

Marta Böning vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) antwortet:

Die kirchlichen Einrichtungen als Arbeitgeber genießen in Deutschland ein besonderes, aus dem Grundgesetz abgeleitetes Selbstbestimmungsrecht. Deshalb dürfen sie Arbeitsbedingungen in gewissem Umfang nach eigenen Regeln gestalten. Von den Beschäftigten wird etwa erwartet, dass sie die Glaubensgrundsätze der jeweiligen Religion mittragen, im Job und gegebenenfalls im Privatleben – und diese Erwartung gilt nach der Rechtsprechung der obersten, weltlichen Gerichte in Deutschland unter Umständen als berechtigt.

So konnten konfessionelle Arbeitgeber bislang laut weltlichen Gerichten von Kita-Erziehern, ÄrztInnen oder Verwaltungsangestellten erwarten, dass sie ihr Privatleben in Übereinstimmung mit den kirchlichen Glaubens- und Moralvorstellungen führen. Ein Verstoß dagegen bewerten sie als Verstoß gegen die Loyalitätsanforderungen des Arbeitgebers. Kündigungen von SekretärInnen, ÄrztInnen oder ErzieherInnen wegen einer Scheidung, dem Austritt aus der Kirche oder Homosexualität wurden vom Bundesarbeitsgericht bislang für zulässig erklärt.

Die Rechtslage ändert sich

In letzter Zeit mehren sich aber Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), die diesen Sonderstatus begrenzen. Ein für ein kirchliches Krankenhaus tätiger Chefarzt, dem aufgrund seiner Scheidung und Wiederheirat gekündigt wurde, bekam Recht vor dem EuGH – seine Kündigung verstoße gegen seine europäischen Grundrechte und das Gleichbehandlungsgebot. Auch eine konfessionslose Bewerberin bekam kürzlich Recht aus Luxemburg: Ihre fehlende Religionszugehörigkeit ist nur dann als Ablehnungskriterium ausschlaggebend, wenn die Religionsausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Für die letzte Fallkonstellation hat das Bundesarbeitsgericht bereits seine Rechtsprechung entsprechend geändert.

Das Signal aus Europa ist klar: Kirchliche Arbeitgeber haben kein Recht, unterschiedslos bei allen Tätigkeiten die religiösen Grundsätze als Maßstab heranzuziehen. Diese Tendenz kann man auf Ihren Fall übertragen. Es ist den Versuch wert, sich zu bewerben.

– Haben Sie auch eine Frage? Dann schreiben Sie uns: E-Mail: Redaktion.Beruf@tagesspiegel.de

Marta Böning

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