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Eine Sparkassen-Analyse bewertet den Anstieg der Arbeitslosenzahlen in Berlin als „außergewöhnlich drastisch“.

© imago images/BildFunkMV

Exklusiv

Analyse der Berliner Sparkasse: Warum Corona für hohe Arbeitslosigkeit trotz Beschäftigungsplus sorgt

Die einen stellen ein, die anderen bauen ab: Die Unterschiede fallen in der Berliner Wirtschaft wesentlich deutlicher aus als im Rest der Republik.

Von Corinna Cerruti

Die Auswirkungen der Coronakrise haben die Berliner Wirtschaft im Ländervergleich besonders stark getroffen. Die Unterschiede zwischen den Dienstleistungsbranchen in Berlin fallen wesentlich deutlicher aus als in anderen Städten und Regionen. Das zeigt eine volkswirtschaftliche Analyse der Berliner Sparkasse.

Demnach war der pandemiebedingte Anstieg der Arbeitslosigkeit mit 1,9 Prozent in Berlin „außergewöhnlich drastisch“. Im ersten Halbjahr 2020 reduzierte sich die Zahl der Beschäftigten in Berlin um rund 39 000. Die Hälfte des Rückgangs machen die geringfügig Beschäftigten aus. Am stärksten wurden Stellen in der Tourismus- und Gastgewerbebranche abgebaut.

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Im Bereich Unternehmensführung und -organisation gab es Freisetzungen von Büro- und Sekretariatsberufen auf der einen Seite, und neue Jobs in Strategie und Unternehmensführung auf der anderen. Von den Verkehrsbereichen gibt es Verschiebungen zu Logistik und Zustellung – verursacht durch den Aufschwung im Versandhandel.

Konträr dazu verzeichnet die Hauptstadt im Jahr 2020 einen Beschäftigungsanstieg von 1,2 Prozent. Werden hier allerdings Selbstständige, Beamte und geringfügig Beschäftigte mit eingerechnet, relativiert sich das Bild: Dann fällt die Erwerbstätigkeit auf -0,4 Prozent, liegt damit jedoch noch immer weit unter dem Bundesdurchschnitt von -1,1 Prozent.

Außerdem erlebte Berlin einen verhältnismäßig geringen Einbruch der Wirtschaftsleistung von -3,3 Prozent. Der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) war in der Hauptstadt ähnlich wie in Brandenburg vergleichsweise gemäßigt.

Die Analyse unterscheidet hierbei zwischen „Krisenverlierern“ und „Krisengewinnern“, die nirgendwo stärker die Wirtschaft gebremst oder gestärkt haben als in Berlin.

Als Krisenverlierer sehen die Autoren der Sparkassen-Analyse Handel, Verkehr, Gastgewerbe, die von den Einschränkungen überwiegend hart betroffen waren. Bis Februar 2021 war der Beschäftigungseinbruch in diesen Branchen in Berlin mit -5,3 Prozent deutlich höher als in allen anderen Bundesländern. Den nächsthöheren Rückgang gab es in Bremen mit -3,4 Prozent.

Beschäftigungsplus bei den Gewinnerbranchen

Auf der anderen Seite konnten die Krisengewinner deutlich mehr Menschen in Berlin beschäftigen (+5,1 Prozent) als in allen anderen Bundesländern. Dazu zählen die Informations- und Kommunikationstechnik-Branche, Finanz- und Versicherungsdienstleister, die öffentliche Verwaltung und das Gesundheitswesen, also all diejenigen Branchen, die vergleichsweise unbeschadet durch die Pandemie kommen.

Beschäftigte der Gewinnerbranchen arbeiten seit Ausbruch der Pandemie überwiegend am Computer im Home-Office.
Beschäftigte der Gewinnerbranchen arbeiten seit Ausbruch der Pandemie überwiegend am Computer im Home-Office.

© Felix Kästle/dpa

Das nächsthöhere Wachstum erzielten die Krisengewinner in Schleswig-Holstein mit 3,2 Prozent. Vom Beschäftigungsaufbau profitieren der Studie zufolge jedoch nicht alle Betroffenen: Von den 30.000 pandemiebedingt Entlassenen hatte bis Ende 2020 nur rund die Hälfte einen neuen Job gefunden.

Die Studie sieht daher die Gefahr, dass sich Langzeitarbeitslosigkeit in Berlin erneut verfestigt. Dank der Krisengewinner und der stabilen Industrie soll der Studie zufolge die Berliner Wirtschaft im Jahr 2021 um voraussichtlich rund 3,5 Prozent wachsen.

Nur ein Teil der Berliner profitiert vom Beschäftigungsaufbau

Die Autoren führen diese Diskrepanz auf die größere wirtschaftliche Spaltung zwischen Krisengewinnern und -verlierern zurück. Somit profitiert nur ein Teil der Berlinerinnen und Berliner vom Beschäftigungsaufbau. Florian Seyfert, Volkswirt bei der Berliner Sparkasse, betont Berlins Rolle als starken Standort für Start-ups, Digitalwirtschaft sowie für Forschung und Wissenschaft.

Doch wegen der hohen Anforderungsprofile in diesen Branchen können noch lange nicht alle Arbeitssuchenden an der Entwicklung partizipieren. Es wird überwiegend meist gut entlohntes, hochqualifiziertes und spezialisiertes Personal gesucht. „Gerade weil Gastgewerbe und Tourismus noch lange nicht zu Vorkrisenniveaus zurückkehren werden, kommt es deshalb am Berliner Arbeitsmarkt auf die passenden Qualifizierungsmaßnahmen an.“

Die Berechnungen beruhen auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit und des Statistischen Bundesamts.

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