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Auch noch im Jahr sieht Bernd Osterloh überwiegend Autos mit Benzin- und Dieselmotor fahren. Der Betriebsratschef von Volkswagen ist einer der mächtigsten Männer in Wolfsburg.

© picture alliance / dpa

Die Zukunft von VW: „An der Führungskultur müssen wir bei Volkswagen noch arbeiten“

Bernd Osterloh ist Betriebsratschef bei Volkswagen. Im Interview spricht er über die Perspektiven des Diesel, den „Hype“ um Elektromobilität und autonomes Fahren.

Herr Osterloh, waren Sie schon in einem autonom fahrenden Auto unterwegs?

Es gibt zwar noch keins zu kaufen. Aber natürlich bin ich schon in einem unserer Autos auf einer Teststrecke autonom gefahren. Ich saß auf dem Beifahrersitz und das Fahrzeug ist den Kurs komplett allein abgefahren.

Der New Volkswagen ist voll vernetzt, erkennt sein Umfeld und wird elektrisch angetrieben. Wann kann ich den kaufen?

2019. Mit einer Reichweite von 500 bis 600 Kilometer und zu einem bezahlbaren Preis.

VW-Markenchef Diess beschreibt das Auto so: Außen so groß wie ein Golf, innen groß wie ein Passat. Wie ist das möglich?

Das E-Auto braucht keinen großen Motorraum mehr. Die Batterie wird in den Fahrzeugboden integriert, das bringt eine Menge Platz.

Braucht VW eine eigene Batteriefertigung?

Ja, dafür habe ich schon 2010 geworben. Damals bin ich beim Vorstand nicht auf offene Ohren gestoßen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir eine Batteriefabrik haben sollten. Zum einem, um nicht von Zulieferern abhängig zu sein. Zum anderen aber auch, weil wir das Know-how für die Batterietechnologie an den Standort Deutschland holen sollten.

Betrifft das auch Batteriezellen?

Das Thema wird vermutlich zusammen mit der Politik entschieden werden. Denn ohne staatliche Begleitung ist heute eine Zellfertigung betriebswirtschaftlich in Deutschland kaum darstellbar. Wir brauchen eine EU-weite Einschätzung, dass die Batterie und damit auch die Zelle eine Schlüsseltechnologie ist. Sonst werden wir in Europa von Asien und den USA abgehängt.

Also benötigt VW eine Batteriefertigung, aber nicht unbedingt eine Zellfertigung?

Eine Batteriefertigung brauchen wir auf jeden Fall, wenn der Anteil an Elektrofahrzeugen bis 2025 signifikant steigt. Der Wertschöpfungsanteil der Batterie am Gesamtfahrzeug wird bei 40 Prozent liegen. Bei der Zellfertigung werden wir schauen müssen, ob wir kaufen oder selbst fertigen. Grundsätzlich haben wir beim Thema Elektromobilität allerdings derzeit einen ziemlichen Hype. Wenn sich der bewahrheiten soll, dann braucht es mehr als Kaufanreize.

Sie meinen die Kaufprämie von Regierung und Industrie, die kaum in Anspruch genommen wird.

Es gilt beim E-Auto drei Themen zu lösen: Infrastruktur, Reichweite und Preis. Wenn nicht alle Punkte passen, wird der ökologisch bewusste Kunde vielleicht eher zum Erdgasauto greifen. Im Übrigen gibt es in Punkto Batterie noch Herausforderungen: Batterien können nur so umweltfreundlich sein wie die Energie, die zur Herstellung und zum Laden genutzt wird. Die zweite zentrale Frage sind die Rohstoffe.

Was meinen Sie?

Wenn wir von weltweit 100 Millionen Autos, die im Jahr gebaut werden, 25 Millionen mit Batterien ausrüsten, dann werden die Seltenen Erden noch viel seltener. Und wenn wir uns dieser Frage nicht rechtzeitig annehmen, auch viel teurer. Und bei aller Euphorie sollten wir eines nicht vergessen: Auch 2030 werden rund zwei Drittel aller Autos von einem Verbrennungsmotor angetrieben.

In manchen Ländern, zuletzt Norwegen, wird diskutiert, ab 2030 keine Neuwagen mit Verbrennungsmotor mehr zuzulassen.

In Norwegen ist das Netz an Ladesäulen heute schon sehr dicht. Und es werden konsequent hohe Kaufanreize auf einem ziemlich kleinen Markt gesetzt. Ich habe ja auch überhaupt nichts gegen den Erfolg der Elektroautos. Im Gegenteil: ich bin davon überzeugt, dass Volkswagen an der Spitze stehen muss. Wir werden der Premium-Volumenhersteller bleiben. Auch bei E-Mobilität. Aber die Infrastruktur muss stimmen – und der Kunde muss mitmachen.

Werden 2030 noch neue Diesel zugelassen?

Der Betriebsrat hat schon früh den Einstieg in die E-Mobilität gefordert. Aber wir dürfen darüber die klassischen Antriebe nicht vergessen. Es wäre falsch, nicht mehr in bessere Verbrennungsmotoren zu investieren. Damit Emissionen und Verbrauch weiter sinken.

In bestehende Technologien muss investiert werden, aber in neue Fahrzeug- und Mobilitätskonzepte auch. Gleichzeitig kostet der Dieselskandal Milliarden.

Deshalb machen wir ja einen Zukunftspakt: Was lohnt sich langfristig, was sichert Arbeitsplätze, was ist entbehrlich bei Elektrofahrzeugen, welche Technologien machen keinen Sinn mehr, wo kommt eine Batteriefabrik hin, wo werden Elektroautos gebaut und was bringen neue Mobilitätskonzepte, welche Qualifikationen brauchen wir in der Zukunft.

VW-Markenchef Diess sagt, „wir verdienen zu wenig, um die Zukunft zu gestalten“. Woran liegt das?

Zunächst ist doch die Frage, wo wir zu wenig verdienen: In Deutschland, Russland, Süd- und Nordamerika oder Indien? Die Marke VW ist eben auch in den Krisenmärkten sehr präsent, anders als andere Konzernmarken. In den USA und Brasilien haben wir Fehler gemacht, im Asean-Raum sind wir gar nicht. Geld verdienen wir in Deutschland und Europa.

Wie erklären Sie die mickrige Rendite der Marke VW?

Was VW in Deutschland betrifft: Vor zwei Jahren hat die Belegschaft Vorschläge gemacht, die viele hundert Millionen Euro bringen werden. Wir haben mehr als 14 000 Bauteilvarianten identifiziert, auf die wir verzichten können. Ganz wichtig ist: das werden keine Dinge sein, die der Kunde vermisst oder die die Qualität der Fahrzeuge beeinflussen. Beim Golf haben wir zum Beispiel die Zahl der Lenkradvarianten von 89 auf 56 reduziert. Auch das hilft Geld zu sparen.

Muss die Belegschaft einen Beitrag zur Bewältigung des Dieselschadens leisten?

Warum das denn? Es wurde ein immenser Schaden angerichtet, der uns jetzt Investitionen erschwert. Und für den Schaden soll die Belegschaft zahlen?

Hat VW kein Kostenproblem an den deutschen Standorten?

Wir zahlen nach Tarifen, die für alle unsere Wettbewerber auch gelten.

Viele Jahre ging es hoch mit Absatz und Beschäftigung, das ist jetzt anders. Sind trotzdem keine Arbeitsplätze gefährdet?

Der Vorstand kommt in den Aufsichtsrat und stellt seine Absatzplanung vor. Entsprechend fällt die Personalplanung aus. Für das operative Geschäft sind zunächst weder Aufsichtsrat noch Betriebsrat zuständig.

Sie sitzen aber am Tisch, wenn es um den Zukunftspakt geht.

Erst mal muss das Unternehmen Vorschläge liefern. Und damit die Stammbeschäftigung sichern.

Und wird geliefert?

Wir kommen gut weiter: In der Produktion, in der Komponente, in der Entwicklung und im Vertrieb – überall muss etwas passieren, um Komplexität und Kosten zu verringern und Prozesse transparent und effizient zu machen. Wir müssen nicht alle Teile mehrfach entwickeln.

Sind 340 Modelle im Konzern zu viel?

Nicht, wenn wir damit Geld verdienen. Wir haben immer gesagt: Jedes Auto muss eine Rendite bringen. Seit Martin Winterkorn 2007 kam, ging es nur aufwärts, bis letzten September. Ohne Rückstellungen für das Dieselthema hätten wir 2015 das beste Ergebnis aller Zeiten ausgewiesen, weil wir so viele herausragende Modelle haben. In Wachstumszeiten führt man natürlich ganz andere Diskussionen als jetzt, wo wir Milliardenbelastungen verkraften müssen.

Winterkorn stand neuen Mobilitätskonzepten wie Carsharing ablehnend gegenüber. Wird durch sein Ausscheiden und die Krise insgesamt die Tür in die Zukunft geöffnet?

Der Abgas-Skandal wirkt sicherlich in einigen Bereichen als Katalysator und hat die Tür geöffnet, durch die der Betriebsrat seit Jahren gehen will. Es ist aber keinesfalls so, dass Volkswagen die Zukunftsherausforderungen nicht auch schon vorher erkannt hatte. Deshalb gab es ja schon seit 2014 ein Effizienz-Programm, das uns die Investitionen in E-Mobilität, Digitalisierung und autonomes Fahren ermöglichen sollte.

Kam es zur Dieselmanipulation wegen der speziellen Unternehmenskultur?

Ich glaube nicht, dass das mit der Unternehmenskultur zu tun hat. Aber an der Führungskultur müssen wir bei Volkswagen noch arbeiten. Ich meine damit den vorauseilenden Gehorsam. Es war aber in jedem Fall völlig verantwortungsloses Handeln. Ich koche innerlich noch immer, wenn ich daran denke, was das für Folgen für Volkswagen hatte und hat. Wir müssen nun die Ergebnisse der internen und externen Ermittlungen abwarten, dann sind wir schlauer.

Wie lange dauert es, bis die Folgen des Betrugs bewältigt sind?

Wir tun alles, um insbesondere unsere Kunden zufriedenzustellen. Rund die Hälfte der betroffenen Autos sind in Europa von den Behörden zur Umrüstung freigegeben. Und 99 Prozent der Fahrzeughalter sind zufrieden mit der Umrüstung. Über das eine Prozent wird dann gerne diskutiert. Mit fehlt dabei die Fairness gegenüber dem Unternehmen und den Beschäftigten.

Das Unternehmen hat seine Kunden betrogen und Vertrauen verloren.

Die Belegschaft war und ist genauso geschockt vom Abgas-Skandal wie unsere Kunden, Behörden und die Öffentlichkeit. Das, was geschehen ist, ist absolut inakzeptabel. Aber zum Unternehmen gehören mehr als 600 000 Menschen, und mindestens 599 900 davon haben nichts damit zu tun. Manchmal habe ich den Eindruck, dass einer der größten deutschen Arbeitgeber an die Wand gedrückt werden soll. Ich wünsche mir Fairness gegenüber der Belegschaft.

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