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China Katze, waving cat

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Alles auf China: Aktien mit Risiko, aber guter Prognose

Ende vergangenen Jahres wurden abgestürzten Aktien chinesischer Firmen gute Chancen vorausgesagt. Teilweise zu Recht. Ein Grund zuzugreifen?

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Seit einem Jahr notierte der Dax nicht mehr so hoch wie dieser Tage. Jubeln kann, wer in seinem Depot die Werte aller zurzeit im deutschen Leitindex notierten Firmen hat. Aber wer hat das schon? Eher verbreitet sind Anteile an ETFs, also Fonds mit den im Dax befindlichen Werten. Wer allerdings beispielsweise in den „iShares Core Dax“ Anfang vergangenen Jahres investiert hatte, leckt vermutlich noch seine Wunden: Minus 12,9 Prozent Rendite waren zu verschmerzen.

Wer nach rentableren Alternativen sucht, wird vielleicht die Stimmen erhören, die zum Kauf von Aktien von Firmen mit Sitz in China rieten. Das Wirtschaftsmagazin „Capital“ etwa wog Anfang Dezember Chancen und Risiken im Land der Mitte ab, nachdem im November die Aktien chinesischer Firmen sehr gut gelaufen waren.

Anlegen trotz des Absturzes?

Das Comeback chinesischer Aktien folgt auf so etwas wie einen Crash. Die Null-Covid-Politik Pekings hatte die Wirtschaft des Landes auf Talfahrt geschickt. US-Fonds wie der „Blackrock China Fund Class D2 Hedged“, der mindestens 70 Prozent seines Vermögens in Anteilen von Firmen mit Sitz in der Volksrepublik investiert, schrieb 2022 ein Minus von knapp 34 Prozent. Nach einem Minus von rund 15 Prozent im Jahr 2021. Sollten Anleger trotzdem ausgerechnet auf so einem Markt zugreifen?

Abwegig sind solche Empfehlungen nicht. An der Börse schaut man nicht zurück, sondern nach vorne. Wer Mitte vergangenen Jahres bei „Gesundheitsaktien“ einstieg, also Anteile von Firmen wie Biontech, Valneva oder Novavax kaufte, beklagt heute Verluste zwischen 30 und 90 Prozent. Der Höhenflug deren Kurse endete abrupt mit dem Abklingen von Corona und der geringeren Nachfrage nach Impfstoffen gegen die Pandemie.

Börsenbinse: rechtzeitig Aussteigen

Denn damit verdüsterten sich die Ertragsaussichten. Viele Anleger verkauften deshalb ihre Anteile. Deren Preis fiel. Die alte Börsenbinse bewahrheitete sich mal wieder: Wenn ein Wert in der Bildzeitung angepriesen wird, ist es höchste Zeit auszusteigen.

Schon früh – vor ungefähr drei Jahren – wettete mein Freund Christian, der von seinem Leid nicht in der Zeitung lesen will und daher in Wahrheit anders heißt, auf China. Als wir im Corona-Sommer 2022 im Biergarten übers Anlegen schwadronierten, war sein Depot im Wert um ein Drittel geschmolzen. Er hatte zwischenzeitlich noch ein paar Mal nachgekauft. „Aussitzen muss man das jetzt“, sagte er. Als ich ihn jüngst um einen aktuellen Stand bat, also um einen Erkenntnisgewinn für diesen Beitrag, sagte er: „Seit dem Kauf hat Greater China 25 Prozent verloren“.

20,6
Prozent verlor der Greater China Fonds innerhalb eines Jahres.

Greater China ist ein Fonds von Fidelity, eine aus den USA stammende Fondsgesellschaft mit einem Sitz in London. Über Erfolg und Misserfolg von Anlagen auch in diesen Fonds entscheidet der Zeitpunkt des Einstiegs. Wer vor genau einem Jahr eine höhere Summe auf den Fidelity-Fonds Greater China setzte, der hat Stand jetzt (11. Februar) 20,6 Prozent seines Geldes verloren. Wer vor drei Jahren einstieg, steckt mit 6,8 Prozent im Minus. Sogar im Fünfjahreszeitraum bleibt ein kleines Minus (1,1 Prozent).

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© Rita Boettcher

Ihren Höhepunkt erreichte die China-Euphorie der Anlegerschaft im Februar vor zwei Jahren. Entsprechend tief stürzte ab, wer danach noch in 2021 kaufte. Diejenigen mussten auf den nächsten Hype warten. Im Jahr 2021 lag der Fonds Greater China um rund 60 Prozent im Plus. Das wäre der richtige Zeitpunkt gewesen, Gewinne zur realisieren und zu verkaufen. Denn wie spekulativ die Wette auf chinesische Börsenwerte ist, das zeigt die „Volatilität“ dessen Kurses im Jahresrückblick, also die Spanne des Auf und Ab binnen zwölf Monaten: Fast 40 Prozent ging es hoch und dann wieder runter.

Ein Absturz ist bei Firmenwerten mit solidem Management sowie überzeugenden Produkten mit langfristiger Marktdurchdringung oft ein guter Zeitpunkt einzusteigen. Für China kommt hinzu: Die Perspektiven auf mehr Wachstum sind gut seit der Wende in der Corona-Politik. Das hat Anleger Ende vergangenen Jahres in den Markt gelockt. Und die Erwartungen erfüllten sich in einigen Fällen: Im November hatten diverse Finanz-Experten die Aktien des chinesischen Mischkonzerns mit angeschlossener Produktion von Handy-Akkus „BYD“ empfohlen. Damals dümpelte der Kurs um 21 Euro herum. Bis Mitte Februar stieg der Wert der BYD-Aktien auf über 28 Euro. Das entspricht ziemlich genau den prognostizierten 30 Prozent.

Die Rally war überfällig.

Mirko Wormoth, Finanzberater

Dieselbe Performance erzielte in diesem Zeitraum allerdings auch Fidelitys Greater China Fonds. Und Anleger bei diesem Fonds tragen nicht das Risiko, das eine Wette auf nur einige wenige Unternehmenswerte begleitet. Investiert ist der Greater China Fonds in große Konzerne aus verschiedenen Branchen mit Sitz in China: Zum Portfolio gehören Games- und Internet-Konzern Tencent („WeChat“), Chiphersteller Taiwan Semiconductor, Amazon-Rivale Alibaba, der Versicherungskonzern Aia, Website-Dienstleister Meituan, der Hong-Kong-Chinesische Immobilienentwickler China Ressource Land, und auch die Sport- und Mode-Händler Lin Ning sowie JD Group.

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„Die Rally war lange überfällig“, sagt Mirko Wormoth, Fondsberater bei China Digital Leaders in München. Eine ähnliche Bilanz zieht Huy Nguyen, Chef von Sen Capital in Zürich: „Im Januar war der Aktienmarkt in China wegen der überraschenden Wiedereröffnung tatsächlich sehr stark gestiegen.“ Felix Scheppe, Manager bei B&K Vermögen in Köln sagt: „Von der Erholung am globalen Aktienmarkt konnten auch die chinesischen Indizes in der Breite profitieren“. Und deren Bewertung sei im internationalen Vergleich eher niedrig. Das könne sich nun normalisieren, was für weiteres Kurspotenzial sprechen würde.

Allerdings haben die Aktien seit Anfang Februar einen Teil ihrer Gewinne wieder abgegeben, sagen die Finanzberater. Ist der jüngste Rückschlag der Beginn eines Abwärtstrends oder haben nur kurzfristig orientierte Anleger ihre Gewinne realisiert und suchen nun nach neuen Gelegenheiten? Mirko Wormoth von China Digital Leaders ist überzeugt: „Der Aufwärtstrend ist damit nicht beendet. Viele der Anlegerfavoriten liegen immer noch unter fünfzig Prozent ihrer historischen Höchstwerte“.

Drei Höchststände in sieben Jahren

Ein Blick auf die Charts des ETF Great China oder der in Finanzportalen genannten Favoriten belegen das. Der Black Rock China Fonds war Ende 2022 auf einen Tiefpunkt gesunken, den er zuvor um das Jahr 2016 herum schon einmal erreicht hatte. Es folgten jeweils steile Aufschwünge am chinesischen Aktienmarkt. Höchststände verzeichnete der Fonds um das Jahr 2015, Anfang 2018 sowie Anfang 2021 – jeweils kurz gefolgt von kräftigen Korrekturen.

Bewahrheitet sich also erneut die alte Börsenweisheit, Korrekturen sind der beste Zeitpunkt in den Markt einzusteigen?

Aufschwung dank ausländischen Kapitals

„Der Aufschwung ab November war im Wesentlichen dem Rückfluss von ausländischem Geld in den chinesischen Aktienmarkt zu verdanken“, sagt Horst Löchel. Der Professor an der Frankfurter School of Finance & Management, der den dort ansässigen Sino-German Center leitet, hat gerade eine Wirtschaftsdelegation aus China verabschiedet – nach zweijähriger Funkstille im Netzwerk endlich mal wieder Besuch und Austausch.

Dass der Gesprächsfaden wieder aufgenommen wird, sei ein gutes Zeichen. Die Verunsicherung sei groß gewesen während der Jahre der Null-Covid-Strategie und nach politischen Signalen, die auf eine stärkere Regulierung und Abschottung des Landes hinwiesen. „Das hatte die Märkte geschockt“, so Löchel.

Hoffen auf wirtschaftspolitischen Pragmatismus

Es bestehe Hoffnung, dass Chinas Führung nun zum wirtschaftspolitischen „Pragmatismus“ früherer Jahre zurückkehrt. Und das verspreche Wachstumsraten von um die fünf Prozent und Chancen auf steigende Börsenkurse.

Löchel hat acht Jahre in Shanghai gelebt und bei der „China Europe International Business School“ gelehrt. Und er hat an der Börse in Shanghai investiert, bevorzugt in große Staatsunternehmen wie Banken. „Als permanent resident durfte ich dort direkt Aktien kaufen“. Damit entfalle das Währungsrisiko, das Anleger hierzulande eingehen, wenn sie ihre chinesischen Wertpapiere in Euro kaufen. Heute setzt er vor allem auf diversifizierte China-Fonds.

Anleger können in den chinesischen Markt am besten über Fonds investieren. Durch die Streuung werden Einzelrisiken vermieden.

Uwe Wiesner

Rät er deutschen Anlegern zum Kauf chinesischer Aktien? „Nur bei einem langen Anlagehorizont, Minimum fünf Jahre, besser sind zehn.“ Falls die politische Führung des Landes innen- und außenpolitisch bei einem „halbwegs normalen“ Kurs bleibe, dann wird China eben absehbar die größte Volkswirtschaft der Welt werden. Bei einem stabilen Wachstum werde sich die Mittelklasse weiter vergrößern, diese wiederum den Konsum ankurbeln und den Markt für Hightech beleben. „Wenn es normal läuft“, betont Löchel.

Eben nur „wenn“ – die „Unberechenbarkeit“ politischer Entscheidungen sei groß. Immerhin profitierten die Anleger deshalb vom „china-spezifischen Risiko-Aufschlag“: Aktien auch hierzulande bekannter chinesischer Unternehmen seien gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis billiger als die meisten Dax-Werte.

Doch zu den Risiken, die eine Staatsführung von einer einzigen Partei sowie die geopolitischen Spannungen mit sich bringen, komme der Mangel an Transparenz hinzu auf einem dazu noch weniger ausgereiften Aktien-Markt als hierzulande. Während im Westen große institutionelle Investoren wie Versicherungen und Fonds die Börsen dominieren, spielen in China private Kleinanleger die größte Rolle. „Das führt zu einer höheren Volatilität der Märkte“, sagt Löchel.

Kurzum, der chinesische Aktienmarkt ist nichts für schwache Nerven. Wer es aushält, genießt die „Risikoprämie“ und darf auf zeitweilige Aufschwünge hoffen. Um die größten Risiken abzufedern, empfehlen viele Investmentberater Fonds. „Anleger können in den chinesischen Markt am besten über Fonds investieren. Durch die Streuung werden Einzelrisiken vermieden“, sagt Uwe Wiesner, Vermögensverwalter bei Hansen & Heinrich, Berlin.

Wiesner nennt einen Indexfonds, der den „CSI 300“ abbildet, das sind die 300 liquidesten Aktien. Diese Fonds wiesen geringe Kosten auf und würden von unterschiedlichen Häusern angeboten, zum Beispiel von der Deutschen Bank (WKN DBX0M2). 

Eine Alternative nennt Samuel Kärcher, Berater bei e/r/W Vermögensmanagement: „Es gibt einen günstigen breit gestreuten ETF von IShares, welcher neben den Large Caps auch Small und Mid-Caps berücksichtigt. „iShares Core MSCI EM IMI UCITS ETF“ (IE00BKM4GZ66). Und Mirko Wormuth, Fondsberater bei China Digital Leaders sagt: „Wer sich hauptsächlich für die vielversprechenden chinesischen Technologieführer interessiert, ist mit dem “China Digital Leaders” aus dem Haus Pyfore Capital gut aufgestellt’“.

Die Wette auf China gilt - aber die Risiken bleiben.

Viel Glück - sollen die in China populären winkenden Katzen bringen.

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