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Berliner Energiepartner? Kürzlich drückte Michael Müller den Knopf bei der Einweihung eines Blockheizkraftwerks beim Martin-Luther-Krankenhaus. Mit dabei war der Eon-Manager Thomas König (zweiter von links), sowie die Führung des Krankenhauses.

© picture alliance / dpa

Berliner Energiepolitik: Alle warten auf die Wahl

Der Konflikt bei der Gasag und die Vergabe des Stromnetzes werden erst vom nächsten Senat entschieden. Und damit auch die Frage, ob Eon den Berliner Platzhirschen Vattenfall verdrängen kann.

Berlin - Energiepolitiker sind viel beschäftigte Leute. In diesen Wochen befassen sie sich mit der Novelle des Erneuerbaren Energien-Gesetzes, dem Gesetz zur Entwicklung des Strommarktes, Veränderungen im Energiestatistikgesetz und der Anreizregulierung für Investitionen im Stromnetz sowie dem Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende. Um nur einige Vorhaben auf Bundesebene zu nennen. In Berlin dagegen, wo die Politiker gerne über Smart City reden, tut sich nicht viel. Vor der Landtagswahl am 18. September trauen sich weder der Finanzsenator noch der Regierende Bürgermeister an die großen Brocken: Klärung der Konzessionen für den Betrieb von Gas- und Stromnetz. Hinzu kommen die Fragen, wem künftig die Gasag gehört, welche Rolle Vattenfall und Eon spielen und wie weit die Rekommunalisierung geht, von der viele Genossen träumen.

Die Netze für Gas, Strom und Fernwärme sowie die Kraftwerke sollten demnach idealerweise komplett in Landesbesitz übergehen. Derzeit gehören sie der Gasag (Gas) und Vattenfall (Strom und Wärme), die beide auch als Betreiber fungieren und hübsche Renditen einfahren. Doch die entsprechenden Konzessionen sind ausgelaufen – beim Gas 2013, beim Strom 2014 – und müssen von der Finanzverwaltung neu erteilt werden. Vor knapp zwei Jahren ging die Vergabe des Gasnetzes an die landeseigene Berlin Energie schief; das Verfahren liegt bei Gericht. Beim Strom werden die Bieter – neben Vattenfall sind das wiederum Berlin Energie sowie die Genossenschaft BürgerEnergie Berlin – in den nächsten Monaten ein verbindliches Angebot abgeben. Doch eine Entscheidung vor der Wahl ist unwahrscheinlich, die Lage ist zu verworren.

Es gibt verschiedene Konstellationen und Fraktionen: Der schwedische Staatskonzern Vattenfall und die französische Engie, die jeweils 31,57 Prozent der Gasag besitzen, haben sich gegen Eon (36,85 Prozent) verbündet. Eon konzentriert sich inzwischen auf erneuerbare Energien und Energiedienstleistungen und bietet sich seit gut einem Jahr dem Senat als industrieller Partner an. In der Hauptstadt will sich der Konzern als Treiber der Energiewende positionieren und den Imagewandel forcieren. Gegen den Eindringling wehrt sich der Platzhirsch Vattenfall, unter anderem mit dem Engie-Bündnis bei der Gasag.

Einen Wirkungstreffer landete Eon vor vier Wochen, als Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) mitteilte, das Land habe Eon als „industriellen Partner im Bereich Gas ausgewählt“. Die Vereinbarung sehe neben einer Mehrheitsbeteiligung des Landes am Gasnetz auch eine neue Eigentümerstruktur bei der Gasag vor. Vattenfall war sauer und ließ Kollatz-Ahnen wissen, man denke überhaupt nicht daran, die Gasag-Anteile zu verkaufen. Und Engie auch nicht. Zur Lösung des Streits um die Gasnetzkonzession kommt Vattenfall dem Land mit einem Vorschlag entgegen: Das Berliner Netz wird in eine separate Gesellschaft überführt, an der das Land 51 Prozent und die Gasag 49 Prozent halten. Für die Gasag wäre das schlecht, weil sie die Mehrheit am Netz verlöre; nur wegen des Netzes ist die Gasag rund eine Milliarde Euro wert.

Kollatz-Ahnen reicht das Vattenfall-Angebot aber auch deshalb nicht, weil er auf Eon als „motivierten und kompetenten Partner“ für die „Beschleunigung der Energiewende in Berlin“ setzt. Große Teile der SPD-Fraktion sehen das kritisch; sie möchten die Energienetze komplett in Landesbesitz überführen und dazu Milliarden investieren. „Es müssen unbedingt 100 Prozent sein“, sagt der SPD-Abgeordnete Nikolaus Karsten. Und Eon komme als Partner nicht infrage, weil die kein Geld hätten, um in Berlin zu investieren. Im Gegenteil. „Der Geldfluss geht in eine andere Richtung“, sagt Karsten und meint, der Gewinn aus dem Betrieb der Energienetze solle doch bitte beim Land Berlin bleiben und nicht zu Eon fließen.

Bei einer Tagung über die Energieversorgung in Berlin hat Karsten kürzlich angekündigt, nach Stockholm reisen zu wollen, um dem Eigentümer von Vattenfall direkt mitzuteilen, dass der Konzern in den neuen Zeiten der Rekommunalisierung als Berliner Netzbesitzer und -betreiber nicht länger erwünscht ist. Gerüchteweise plant auch der Regierende Bürgermeister eine Reise in die schwedische Hauptstadt. Kurz nachdem sich Kollatz-Ahnen überraschend klar für Eon (und gegen Vattenfall) positioniert hatte, tauchte Michael Müller neulich beim Martin-Luther-Krankenhaus auf, um ein Blockheizkraftwerk in Betrieb zu nehmen. Das ist an sich nichts Besonderes – doch das Kraftwerk ist ein Eon-Kraftwerk. Und Thomas König, Geschäftsführer von Eon Deutschland, nutzte die Gelegenheit: „Das Land Berlin und Eon wollen die Hauptstadt gemeinsam zu einer ,Smart City’ weiterentwickeln.“

Vattenfall hält dagegen: „Wir werden unsere Partnerschaften mit deutschen Städten weiter ausbauen“, sagte kürzlich Konzernchef Magnus Hall und nannte explizit Berlin und Hamburg. Hall reklamiert eine „aktive Rolle“ in der Energiewende, nachdem Vattenfall das Lausitzer Braunkohlegeschäft verkauft hat. Allerdings klappte der Verkauf nur mithilfe einer milliardenschweren Mitgift. Milliarden kosten auch der Rückbau der Vattenfall-Akw Krümmel und Brunsbüttel und der Ausbau der Erneuerbaren. Vattenfall braucht Geld. Und macht vielleicht Kasse mit den Berliner Netzen, wenn nach der Landtagswahl ein rot-rot-grüner Senat die Rekommunalisierung forciert.

Diese wahrscheinlichste Senats-Konstellation verschlechtert jedenfalls die Position von Vattenfall. Aber sie verbessert auch nicht die Chancen von Eon. Kollatz- Ahnen trifft sich zwar in diesen Wochen immer noch mit allen möglichen Beteiligten, aber das ist eher ein Austausch von Positionen. Zielführende Verhandlungen gibt es erst, wenn der neue Senat steht.

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