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Überall Daten. Bei jeder Bewegung im Netz hinterlassen wir Spuren. Aber auch unsere Ausdrucksweise kann sich verändern.

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Big Data, Big Trouble: Alle gegen Google

Politiker entdecken den US-Konzern als Projektionsfläche für alles Schlechte. Was manchen Konkurrenten erfreut, besorgt Experten.

Respekt. Aber keine Angst. „Google scheitert bisher an den hohen Hürden, die der deutsche Markt birgt“, sagt Henrich Blase, Chef des Vergleichsportals Check24. Wenn die Rede darauf kommt, wie Google in immer mehr Geschäftsbereiche vordringt, wird seine Branche oft als Paradebeispiel genannt. Die US-Suchmaschine, die mit ihren ausgefeilten Algorithmen das gesamte Internet in Sekundenbruchteilen durchforstet, ist prädestiniert dafür, Angebote von Unternehmen zu sammeln und zu vergleichen: Produkte, Versicherungen, Energie, Reise. In England ist das Google Compare genannte Vergleichsportal schon gestartet.

Die Menge der Daten, die Möglichkeiten, die daraus erwachsen, die Marktmacht: Google ist in den vergangenen Monaten zum Synonym für das Böse im Internet geworden – in der Wirtschaft, bei Datenschützern und in der Politik. Der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden belegte, dass unter anderem Google dem US-Dienst NSA Zugang zu seinen Servern mit Millionen von Nutzerdaten gewährte. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes musste das US-Unternehmen kürzlich einen Link auf eine Seite löschen, die über eine Jahre zurückliegende Verfehlung eines Spaniers berichtet. Im Sommer entscheidet die EU-Kommission in Brüssel darüber, ob das Unternehmen seine Konkurrenten systematisch bei der Anzeige der Suchergebnisse benachteiligt. Jüngst brachte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gar eine Entflechtung des US-Konzerns ins Gespräch, um ihn zu bändigen. Google reagierte mit Unverständnis. Die Google-Suche sei entwickelt worden, um Bürgern am besten zu dienen, sagte Deutschland-Chef Philipp Justus. Der Konzern kooperiere mit Tausenden Unternehmen weltweit, auch in Deutschland.

Tim Höttges sieht sich im Nachteil

Teile der deutschen Wirtschaft nehmen die Attacken gegen den US-Konkurrenten hingegen dankbar auf. Tim Höttges, Chef der Deutschen Telekom, ätzte kürzlich im „Handelsblatt“, Google nutze Kundendaten „auf eine Art, wie wir Europäer es gar nicht dürfen, Stichwort Fernmeldegeheimnis, Datenschutz etc“. Die europäischen Telekommunikationsunternehmen würden für viel Geld die Netze ausbauen, die Profite durch deren Nutzung würden aber Konzerne wie Google einstreichen. Ähnlich argumentieren die Sparkassen, denen Bezahldienste von Internetkonzernen und Start-ups seit geraumer Zeit Konkurrenz und offenbar tatsächlich langsam zu schaffen machen. „Im vermeintlich kostenlosen Zahlungsverkehr dieser neuen Anbieter zahlen Kunden mit ihren Daten und liefern sich damit einer umfassenden Ausforschung aus“, sagte Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon in dieser Woche auf einer Konferenz in Berlin. Google sei in der Lage, Kundendaten aus unterschiedlichen Lebensbereichen zu vernetzen. Damit stelle das Unternehmen „eine Gefahr für den freien Wettbewerb und die Selbstbestimmung der Kunden“ dar. Beide, Höttges und Fahrenschon, forderten die Politik zum Handeln auf.

Mit einem haben die Manager jedenfalls recht. Big Data – massenhaft gesammelte Kundendaten – ist der Rohstoff, aus dem die Internetunternehmen neue Dienste und Produkte entwickeln. Der implizite Deal: Der Kunde bezahlt mit seinen Daten. Viktor Mayer-Schönberger nennt Zahlen. 400 Millionen Tweets setzen die Nutzer täglich über den Kurznachrichtendienst Twitter ab. 800 Millionen Nutzer verzeichnet Googles Videoplattform Youtube im Monat. Ein Petabyte Daten verarbeitet das Soziale Netzwerk Facebook – täglich. „Wissen Sie, wie viel ein Petabyte ist?“ Die Frage, die Mayer- Schönberger an seine Zuhörer richtet, ist eher eine rhetorische. (Die Antwort ist 1 000 000 000 000 000 Byte.)

Die Datenmenge wächst ständig

Der Oxford-Professor, Jurist und ehemalige Software-Unternehmer will auf seinem Vortrag Anfang Mai in Berlin vor allem eines deutlich machen: Big Data ist potenziell so mächtig, dass wir Regeln für den Umgang brauchen. Ein Prozent aller Daten auf der Welt seien noch analog, sagt er. Im Jahr 2000 habe der Anteil noch drei Viertel ausgemacht. Seither sind unvorstellbar viele Daten hinzugekommen, alle digital. Die Masse der Daten in Verbindung mit den angewandten Algorithmen versetze Internetkonzerne wie Google, Amazon und Facebook in die Lage, zu wissen, was wir mutmaßlich wollen.

Die Datenmenge wächst schnell an. Doch der Begriff Big Data ist vielen immer noch unbekannt.
Die Datenmenge wächst schnell an. Doch der Begriff Big Data ist vielen immer noch unbekannt.

© Fabian Bartel

Digital-Experte Ralf Kaumanns warnt davor, der schönen neuen Datenwelt ausschließlich mit Angst zu begegnen. „Visionen wie die, dass der Wocheneinkauf vor der Tür steht, ehe ich mir überlegt habe, was ich kaufen will, sind eben Visionen“, sagt er. „Wir können selbst entscheiden, ob sie jemals Realität werden.“ Big Data sei keine Bedrohung. Argumente wie die von Höttges und Fahrenschon hält er zudem für wohlfeil. „Netzbetreiber oder Online-Händler sammeln auch massenhaft Daten – und können sie genauso nutzen wie die Großen.“ Die Gefahr einer totalen Marktdominanz von Google, wie von Wirtschaftsminister Gabriel impliziert, kann er nicht erkennen. Weil auch Google nicht alles kann.

Nicht alle Google-Projekte sind erfolgreich

Google konzentriert sich derzeit auf drei Felder: Werbung – vor allem auf mobilen Geräten – ist nach Einschätzung von Analysten die größte Herausforderung. Auf diesem Feld sehen sie Facebook derzeit weit vor Google. 59 Prozent aller Werbeeinnahmen des sozialen Netzwerks kamen zuletzt von Smartphones und Tablets. Vor einem Jahr war der Anteil gerade einmal halb so hoch. Google hingegen kann auf mobilen Geräten im Schnitt nicht so hohe Werbeerlöse erzielen wie auf herkömmlichen Computern. Unter dem Strich verdiente Google im abgelaufenen Quartal 3,45 Milliarden Dollar, was einer Steigerung von drei Prozent entspricht. Zweitens versucht sich Google als Infrastrukturplattform für kleinere Händler zu positionieren. Drittes Handlungsfeld ist das Internet der Dinge, was der Kauf des Thermostateherstellers Nest oder die Entwicklungsarbeiten am selbstfahrenden Auto zeigen.

Ausflüge in andere Segmente gelingen dem Unternehmen aber eben nicht immer. Der Erfolg des bereits 2011 in den USA gestarteten und nun von den Sparkassen kritisierten Bezahldienstes Wallet blieb bislang überschaubar. Ein anderes Beispiel: Das soziale Netzwerk Google Plus hat sich, wie seine ebenfalls gescheiterten Vorgänger, nicht durchgesetzt.

Dass Google scheitern kann, hat auch Henrich Blase von Check 24 schon zur Kenntnis genommen. Nach lediglich drei Monaten musste Google im vergangenen Herbst sein Vergleichsportal Compare in Frankreich vom Netz nehmen. Der Konzern nannte strategische Gründe. Aus der Branche war aber auch zu hören, dass das Geschäft nicht wie gewünscht anlief. Offenbar hatten die Nutzer unter anderem Bedenken wegen des Datenschutzes.

Wenn Google es nun womöglich im kommenden Jahr in Deutschland versuchen sollte, kommt für Blase der Ruf nach staatlicher Regulierung nicht infrage. „Wir bereiten uns gut vor: Wir sind sehr breit aufgestellt, wir setzen auf immer mehr Service und Produktqualität. Das ist aufwendig und teuer, aber die Kunden honorieren das.”

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