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Wollen Innovationen besser fördern: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und Bundesforschungsministerin Anja Karliczek.

© imago/Jens Schicke

Agentur für Sprunginnovationen: Nicht noch ein MP3-Trauma

Die Bundesregierung will mit einer Agentur innovative Ideen erfolgreich im Markt positionieren - doch viele Details sind noch nicht geklärt.

Die Sache mit dem MP3-Player will die Bundesregierung nicht noch einmal erleben: Die Technik des Abspielgeräts war 1982 von einer Gruppe um den deutschen Forscher Karlheinz Brandenburg am Fraunhofer-Institut in Erlangen entwickelt worden, auf den Markt gebracht wurde das Gerät dann aber von Unternehmen aus Asien, Apple macht mit iTunes bis heute Kasse.

Ideen, die den Markt revolutionär verändern

„Das soll nicht noch einmal passieren“, sagte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU), deshalb startet ihr Ministerium nun zusammen mit dem Bundeswirtschaftsministerium eine Agentur für Sprunginnovationen. Sprunginnovationen sind solche Geschäftsideen, die einen Markt revolutionär verändern. Um Beispiele zu nennen, holte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier richtig weit aus, er nannte den „Wechsel von der Kutsche zum Auto oder vom Segel- zum Dampfschiff“. Es geht aber auch aktueller: Der Fahrdienst Uber stellt gerade die Taxibranche auf den Kopf, das Streamingportal Netflix macht Fernsehen und Kino zu schaffen, Airbnb dem Hotelgewerbe. Nur drei von zahlreichen Beispielen aus den USA – und genau das ist das Problem, das mit der Agentur für Sprunginnovationen, auch disruptive Innovationen genannt, angegangen werden soll.

Deutschland hat ein Umsetzungsproblem

„Zahlreiche Erfindungen, die völliges Neuland eröffnen und ganze Märkte umkrempeln können, sind in Deutschland entstanden, scheitern jedoch häufig an der Umsetzung“, sagte Altmaier. Die neue Agentur ziele deshalb darauf ab, „aus diesen hochinnovativen Ideen aus Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auch erfolgreiche Produkte, Dienstleistungen und Arbeitsplätze in Deutschland entstehen zu lassen.“ Besonders im Fokus stehen sollen dabei Anwendungen aus dem Bereich Künstliche Intelligenz (KI), in der medizinischen Forschung oder bei neuen Formen der Mobilität.

Eine Milliarde Euro für zehn Jahre

Ausgestattet wird die Agentur mit rund einer Milliarde Euro über einen Zeitraum von zehn Jahren. Noch dieses Jahr soll eine entsprechende GmbH gegründet werden, der erste Wettbewerb zum Thema KI dann Anfang 2019 angegangen werden. Arbeiten werden in der Agentur sogenannte Innovationsmanagerinnen und -manager, die Forschungs- und Entwicklungsvorhaben mit einem entsprechend disruptiven Potenzial von der Idee hin zur Anwendung begleiten – für einen solchen Zyklus rechnet das BMWI mit etwa fünf bis sechs Jahren. Anfangs werden etwa drei bis vier Managerinnen und Manager eingestellt - zu welchem Gehalt, steht nach Angaben des BMWI noch nicht fest. Ebenso ist offen, wo die GmbH ihren Sitz haben wird.

Klare Abgrenzung zur Agentur für Cybersicherheit

Die Agentur für Sprunginnovationen soll klar abgegrenzt arbeiten zur Agentur für Innovation in der Cybersicherheit, die am Mittwoch ebenfalls vom Kabinett beschlossen wurde. Federführend sind hier das Bundesinnenministerium und das Bundesministerium für Verteidigung. Ziel dieser Agentur: Staat wie Bürgerinnen und Bürger besser gegen Cyberangriffe von innen und außen zu schützen. Die Cyberagentur soll in den nächsten fünf Jahren mit insgesamt 200 Millionen Euro ausgestattet werden, etwa 100 Mitarbeiter beschäftigen und Anfang 2019 loslegen.

Zusammengearbeitet werden soll jeweils mit Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen. Weil die Kooperationspartner passend zum Projekt ausgesucht würden, stünden auch diese noch nicht fest, heißt es aus dem BMWI.

Florian Nöll, Vorsitzender des Bundesverbands Deutsche Start-ups, sieht die Gründung der Agentur für Sprunginnovationen positiv, betont jedoch, dass sie sich an den tatsächlichen Markterfolgen messen lassen muss: „Erfolgskritisch wird sein, wie sehr diese Agentur mit der privaten Wirtschaft, unseren hochinnovativen Start-ups und Weltmarktführern, verzahnt ist.“

Grüne fordern mehr Zusammenarbeit mit europäischen Partnern

Für Dieter Janecek, Sprecher für Digitale Wirtschaft bei den Grünen, kann die Agentur nur einer "erster Schritt sein": "Dass wir in Deutschland gerade bei digitalen Innovationen Nachholbedarf haben, ist offenkundig", sagte er dem Tagesspiegel. Bereits Anfang des Jahres habe sich der Bundestag für eine gemeinsame Innovationsagentur mit Frankreich ausgesprochen. "Aus grüner Sicht gerne auch noch mit weiteren europäischen Partnerländern. Nur wenn wir europäisch denken, erreichen wir genügend Durchschlagskraft, gerade auch im Wettbewerb mit USA und China", betonte Janecek.

Linksfraktion setzt auf einen "Gemeinwohlcheck" der Projekte

Petra Sitte, innovationspolitische Sprecherin der Linksfraktion, wünscht sich einen "Gemeinwohlcheck" der geförderten Ideen, "weil nicht nur ökonomische Verwertbarkeit, sondern gesellschaftlicher Nutzen wie auch sozialer und ökologischer Mehrwert zählen."

Thomas Sattelberger, innovationspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, fordert für die Agentur einen Beirat, "in dem möglichst wenige Vertreter von Exekutive und Legislative" sitzen, sondern "kühne Wissenschaftler und kühne Unternehmer", die die Projekte fächerübergreifend vorantreiben.

- Dieser Text stammt aus der Redaktion des Tagesspiegel Background Digitalisierung: https://background.tagesspiegel.de/digitalisierung

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