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Aus Nairobi kommen viele Innovationen, die alltägliche Probleme in Afrika lösen.

© flickr.com /iHub

Start-Up-Szene in Kenia: Afrikas heißeste Ideenschmiede

Die kenianische Hauptstadt Nairobi hat sich zu einem Innovationszentrum in Afrika entwickelt. Hunderte Start-Ups wurden hier in den vergangenen Jahren gegründet - immer mehr sind international erfolgreich.

Ein paar Sekunden, mehr braucht es nicht – dann steht die Skype-Verbindung nach Nairobi: Auf dem Bildschirm taucht Josephine Mwangi auf. Die junge Kenianerin sitzt hoch oben auf dem Balkon eines Gebäudes an der viel befahrenen Ngong Road und lächelt in die Kamera. Im Hintergrund rauscht der Verkehr. Mwangi ist Marketing Managerin beim Inkubator Nailab, einer Art Brutkasten für Start-ups in Kenia. Mwangi will per Skype zeigen, wie man hier arbeitet. Mit ihrem Laptop läuft sie nach drinnen und deutet auf die jungen Menschen, die auf bunten Hockern an ihren PCs sitzen oder miteinander diskutieren. „Hier entstehen ständig neue Ideen“, sagt Mwangi.

"Wir haben die Entwicklung beschleunigt"

Tatsächlich ist das Bishop Magua Center, in dem sich Mwangi befindet, das Innovationszentrum Nairobis und ganz Kenias. Hier ist das Who is Who der kenianischen Technologie-Szene zu Hause. Allen voran das iHub, das 2010 als einer der ersten Coworking-Spaces für Start-Ups in Afrika gegründet wurde und mittlerweile 152 Unternehmen zu seinen Mitgliedern zählt. In den vergangenen fünf Jahren hat sich Kenia zu einem weltweit anerkannten Zentrum für Technologie und Innovation in Afrika entwickelt. Der Spitzname „Silicon Savannah“ kam dazu. „Das iHub ist nicht verantwortlich für diesen Erfolg - wir haben die Entwicklung in Kenia aber durchaus beschleunigt“, sagt iHub-Gründer Eric Hersman.

Die Innovationen, die in Kenia und anderen afrikanischen Technologie-Zentren wie Südafrika, Ghana oder der Elfenbeinküste entstehen, haben alle eines gemeinsam: „Sie sind an die Lebensumstände in Afrika angepasst auf die lokalen Probleme zugeschnitten“, sagt Helmut Schrader, Wirtschaftsexperte bei der Stiftung Partnerschaft mit Afrika. In Kenia käme dazu, dass die Start-Up-Szene enorm gut organisiert sei. Hier wurde der Grundstein für den technologischen Fortschritt im Jahr 2007 mit der Einführung des mobilen Bezahlsystems M-Pesa gelegt. Dieses erlaubt es, per SMS zu bezahlen oder Geld zu überweisen, da ein Großteil der Kenianer kein Bankkonto besitzt. Der Dienst wird von Kenias größtem Mobilfunkanbieter Safaricom zur Verfügung gestellt und hat in Kenia über 17 Millionen Nutzer. Mittlerweile ist Kenia zum Weltmarktführer bei mobilen Bankwesen aufgestiegen.

Zucht-Tipps per Kurznachricht

„M-Pesa wurde zum Katalysator für Folgeinnovationen. So konnte sich eine bis dahin in Afrika einzigartige Innovationskultur entwickeln“, sagt Julia Manske, die zur Entstehung der kenianischen Digital-Szene eine Studie für das Vodafone Institute für Gesellschaft und Kommunikation erstellt hat.

Nach M-Pesa versuchen zahlreiche Unternehmen an diesen Erfolg anzuknüpfen. Es entstanden Unternehmen wie M-Kopa, das Solarpanelen über ein Kreditmodell verkauft. Dabei zahlt der Kunde das Gerät über einen M-Pesa-Account ab. Durch den Dienst M-Farm, dessen Gründer auch aus dem iHub stammen, können Farmer per SMS Informationen über den aktuellen Handelspreis ihres Produktes einholen. iCow stellt ihnen per Kurznachricht Informationen über die richtige Haltung und Zucht von Kühen zur Verfügung. Und das Start-Up Eneza hat eine Lernapp entwickelt, das Kindern per SMS Quiz-Fragen entlang des Curriculums geschickt und sie so Stoff aus der Schule wiederholen lässt. Mittlerweile hat das System, dessen Nutzung in der Woche 0,1 Dollar kostet, über 350 000 Nutzer. „Ich bin selbst in einem Slum aufgewachsen und in meiner Klasse kümmerte sich ein Lehrer um 60 Schüler. Langsamere Schüler blieben da auf der Strecke. Eneza soll solche Probleme lösen“, sagt Mitgründer Chris Asego.

Ideenaustausch im Co-Working-Space iHub.
Ideenaustausch im Co-Working-Space iHub.

© iHub/ flickr.com

Lösungen für alltägliche Probleme

Dass viele von diesen Diensten SMS-basiert sind, kommt nicht von ungefähr. „Das Mobiltelefon ist in Afrika so omnipräsent und lebensweltprägend, dass es eine Schlüsselfunktion einnimmt“, sagt Manske. Während in Kenia Festnetztelefone die große Ausnahme sind, haben selbst 60 Prozent der Kenianer, die von weniger als 2,50 Dollar am Tag leben, Zugang zu einem Mobiltelefon. Dabei handelt es sich oft um einfache Modelle, sogenannte Feature Phones, die noch keinen Zugang zu mobilem Internet haben. „Die Innovationen, die in Kenia gemacht werden, nutzen keine neue Technologie. Sie verwenden bestehende Technologie und nutzen sie anders, um Lösungen für alltägliche Probleme zu entwickeln“, erklärt Hersman.

Er hat mit seinen Kollegen 2008 den Activist-Mapping-Dienst Ushahidi entwickelt. Mit dessen Hilfe konnten Nutzer per Email oder SMS Zeugenaussagen zu gewaltsamen Übergriffen während der Kenia-Krise auf einer Google-Maps-Karte dokumentieren. Ähnlich wie M-Pesa verbreitete sich der Dienst schnell in andere Länder. Jetzt arbeitet Hersman mit den Ushahidi-Kollegen an einem neuen Projekt: Der mobile Router BRCK funktioniert über eine eingesetzte SIM–Karte und hat genug Akku, um einen längeren Stromausfall zu überleben. In den ersten vier Wochen nach dem Markteintritt wurde er in 45 Länder verschifft.

Modelle aus dem Silicon Valley passen nicht

Doch trotz der schnellen Entwicklung der kenianischen Start-Up-Szene, hat diese mit Schwierigkeiten zu kämpfen. „In solchen jungen Ökosystemen sind die Bedingungen noch schwierig, weil wenige Investoren wirklich bereit sind, Geld zu geben“, sagt Manske. Zudem sei das Attribut „Silicon Savannah“ nicht immer hilfreich. Denn die Modelle aus dem Silicon Valley könne man nicht einfach auf Nairobi übertragen. Das zeige sich beispielsweise bei der Finanzierung. „Viele Start-Ups brauchen zunächst nur ein paar tausend Euro Grundfinanzierung, um auch ihren Lebensunterhalt zu sichern.“

Auch sei die Erwartungshaltung an die kenianische Start-Up-Szene hoch. „Alle warten auf das neue M-Pesa“, erklärt Mwangi im Skype-Gespräch. Damit das gelinge, brauche es neben Investoren mehr Mentorenprogramme und eine bessere Ausbildung an den Universitäten. „Und wir müssen an die kenianischen Produkte glauben“, sagt Mwangi zum Abschluss. Sie winkt kurz in die Kamera, wünscht alles Gute und klappt den Laptop zu. Die Verbindung nach Deutschland ist unterbrochen.  

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