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Inzwischen wirke sich die Flaute auch auf dem Arbeitsmarkt aus, so das Ifo-Institut.

© Daniel Reinhardt/dpa

Absage an Konjunkturprogramm: Altmaier erwartet keine ausgeprägte Rezession

Die Prognosen sind ungünstig, aber das Wirtschaftsministerium beruhigt. Es sei von einer anhaltenden Flaute auszugehen, nicht von einem stärkeren Abschwung.

Ein Forschungsinstitut nach dem anderen senkt angesichts der Konjunkturflaute seine Prognosen für das Wachstum der deutschen Wirtschaft. Zuletzt hatte am Donnerstag das Münchener Ifo-Institut seinen Ausblick sowohl für das laufende als auch das kommende Jahr gesenkt. Das Institut warnte vor einer Rezession in Deutschland.

Die Bundesregierung dagegen reagiert auf die schlechten Prognosen gelassen. Man erwarte eine anhaltende Konjunkturflaute, aber keine schwere Rezession. "Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer Schwächephase", heißt es in dem am Freitag veröffentlichten Monatsbericht des Wirtschaftsministeriums. "Ein stärkerer Abschwung oder gar eine ausgeprägte Rezession sind gegenwärtig nicht zu erwarten. Allerdings zeichnet sich nach den Indikatoren auch noch keine konjunkturelle Trendwende zum Besseren ab."

Das Bruttoinlandsprodukt war im zweiten Quartal wegen schwächelnder Exporte um 0,1 Prozent geschrumpft. Für das laufende Sommerquartal zeichnet sich ein erneutes Minus ab, womit Deutschland erstmals seit dem Jahreswechsel 2012/13 in eine Rezession rutschen würde.

"Die exportorientierte deutsche Industrie leidet weiter unter dem rückläufigen Welthandel und der stagnierenden globalen Industriekonjunktur", betonte das Haus von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). "Die Binnenkonjunktur bleibt davon nicht unberührt, sie erweist sich bisher aber als recht robust."

Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser hatte am Donnerstag gesagt: "Der deutschen Wirtschaft droht eine Rezession. Die Schwäche in der Industrie breitet sich wie ein Ölfleck nach und nach in andere Wirtschaftszweige aus, wie beispielsweise in die Logistik." Für 2019 wurde die Prognose für das BIP-Wachstum von 0,6 auf 0,5 Prozent gesenkt, für 2020 von 1,7 auf 1,2 Prozent. Im laufenden Sommerquartal soll die Wirtschaft erneut um 0,1 Prozent schrumpfen, womit sie erstmals seit dem Jahreswechsel 2012/13 in eine Rezession rutschen würde.

"Der Ausblick ist mit hohen Unwägbarkeiten verbunden"

Das gewerkschaftsnahe Institut IMK beziffert die Rezessionswahrscheinlichkeit inzwischen auf fast 60 Prozent. "Die bisherige Hoffnung, dass die gute Inlandsnachfrage Deutschland vor der Rezession retten kann, schwindet zunehmend", sagte der wissenschaftliche Direktor des IMK, Sebastian Dullien. Nun sei die Wirtschaftspolitik gefragt gegenzusteuern.

Die hohe Rezessionswahrscheinlichkeit basiert nach Analyse des IMK auf einer breiten Palette von Frühindikatoren - darunter rückläufige Produktion, sinkende Industrieaufträge, weniger offene Stellen und eine gedrückte Stimmung in der Wirtschaft.

Die Münchner Ifo-Forscher warnen, dass es auch noch schlimmer kommen könnte. "Der Ausblick ist mit hohen Unwägbarkeiten verbunden", sagte Wollmershäuser. "So unterstellen wir, dass ein harter Brexit oder eine Eskalation des US-Handelskrieges ausbleiben." Gestützt werde die Konjunktur von hohen Einkommenszuwächsen, die aus kräftigen Tariflohnsteigerungen und einer Ausweitung der staatlichen Transferleistungen stammen soll.

Beschäftigung in der Industrie sinkt seit dem Frühjahr

Die Konjunkturschwäche hinterlasse ihre Spuren mittlerweile auch auf dem Arbeitsmarkt. Während die Beschäftigung in der Industrie bereits seit dem Frühjahr sinke, sei der bislang kräftige Zuwachs bei den privaten Dienstleistern und im Baugewerbe im Sommer zum Erliegen gekommen. Für 2020 erwartet das Ifo-Institut einen Anstieg der Arbeitslosigkeit um rund 38.000 auf 2,313 Millionen. Die Zahl der Beschäftigten soll allerdings weiter langsam zunehmen, und zwar um rund 200.000 auf mehr als 45,4 Millionen.

Vor dem Ifo-Institut haben bereits das Berliner DIW, das Kieler IfW, das Essener RWI und das IWH aus Halle ihre Vorhersagen gesenkt. Zusammen erstellen sie im Herbst ihre Prognosen für die Bundesregierung, die dieser wieder als Grundlage für die eigenen Annahmen dienen.

Forderungen nach Konjunkturspritzen hatte das Bundeswirtschaftsministerium am Donnerstag eine Absage erteilt: "Wir brauchen eine kluge Wachstumspolitik, aber kein Konjunkturprogramm", sagte der Abteilungsleiter Wirtschaftspolitik, Philipp Steinberg, der Nachrichtenagentur Reuters. "Aber es wäre fahrlässig, wenn wir nicht verschiedene Szenarien für alle hypothetischen Konjunkturlagen durchspielen würden." Die Bundesregierung legt ihre Prognose im Oktober vor. Der Konjunkturchef bei Altmaier sieht für das kommende Jahr wieder bessere Signale. "Für das nächste Jahr ist die allgemeine Erwartung: Es wird wieder besser", sagte Steinberg. "Die Makroindikatoren wie Geldpolitik und solide Lohnentwicklung sind positiv, die Fiskalpolitik ist leicht expansiv." Eines der Risiken sei unverändert der Brexit. "Wir sind in unseren bisherigen Prognosen nicht von einem harten Brexit ausgegangen. Wenn wir das zugrunde legen müssen, bedeutet das ein zusätzliches Abwärtsrisiko", sagte Steinberg. (Reuters)

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