zum Hauptinhalt
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat bislang keine nennenswerte Verbesserung bei der Bahn erreicht.

© dpa

2,8 Milliarden Euro fehlen: Rechnungshof gibt Bundesregierung Schuld an der Bahn-Misere

Bis Jahresende fehlen der Bahn 2,8 Milliarden Euro. Die Kontroll-Behörde sieht darin ein Risiko für den Staatshaushalt. Dabei habe man die Politik gewarnt.

Modernere Technik, überall funktionierendes W–LAN, Pünktlichkeit – Fahrgäste der Deutschen Bahn kennen einige Bereiche, in denen das Unternehmen Geld für Verbesserungen ausgeben könnte. Dass die Bahn ganz im Gegenteil allerdings dramatisch unterfinanziert wird, hat der Bundesrechnungshof (BRH) nun in einem Sonderbericht festgehalten. Dort geht man in der Analyse noch einen Schritt weiter: Die bereits hoch verschuldete Deutsche Bahn AG wird demnach für die Staatsfinanzen zunehmend zum Risiko.

Bis zum Jahresende werde eine Finanzlücke von 2,8 Milliarden Euro in den Planungen des größten Staatskonzerns klaffen. Das verschärfe den Handlungsbedarf für den Bund als Alleineigentümer der DB AG, betont der BRH.

Die Entwicklung des Konzerns sei „besorgniserregend“, bilanziert die oberste Prüfbehörde in ihrer 44-seitigen Untersuchung. Die Finanzlücke beim wichtigsten Bundesunternehmen werde „mittel- und langfristig noch erheblich anwachsen“. Wörtlich heißt es im Fazit auf Seite 40: „Die Erträge des DB-Konzerns erodieren weiter und damit auch die Fähigkeit, künftige Investitionen aus eigenen Mitteln zu finanzieren.“

Auch konkrete Beispiele werden genannt. So warnen die Prüfer ausdrücklich, dass beim größten Projekt Stuttgart21 das „Risiko weiterer Belastungen“ bestehe, wodurch der Finanzierungsanteil der DB noch mehr steigen könne. Wegen Kostenexplosionen bei dem Tunnelprojekt hat sich der Eigenanteil des Konzerns bereits auf rund fünf Milliarden Euro verdreifacht. Das ist das Zehnfache des vergangenen Jahresüberschusses der DB AG. Wie das Unternehmen diese Ausgaben verkraften soll, ist völlig offen.

Politik greift Kritik nicht auf

Auch der zusätzliche Investitionsbedarf für die neue DB- Strategie „Starke Schiene“, für die der Konzern derzeit eine große Werbekampagne fährt, sei bisher nicht beziffert und auch nicht in den Geschäftsplanungen enthalten, kritisiert der BRH weiter. DB-Chef Richard Lutz und Verkehrsminister Andreas Scheuer wollen damit Qualität und Pünktlichkeit der Bahn verbessern und die Fahrgastzahlen im Fernverkehr bis 2030 verdoppeln. Auch diese Finanzierung ist offen.

Nach Meinung des BRH macht Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) dabei keine gute Figur. Die Kritik an der Bundesregierung fällt bemerkenswert deutlich aus. Die Koalition habe bisherige Empfehlungen der Finanzkontrolleure „im Wesentlichen nicht aufgegriffen“. Aktives Handeln sei „allenfalls in geringem Umfang“ zu erkennen. Der BRH fordert eine umfassende Strukturreform beim größten Staatskonzern, zudem bahnpolitische Leitlinien der Regierung und eine verkehrsträgerübergreifende Strategie. Die DB AG müsse auf „das Gemeinwohlinteresse“ ausgerichtet werden.

Die Sanierung der ICE-Strecke von Hannover bis Göttingen schlägt mit 175 Millionen Euro zu Buche.
Die Sanierung der ICE-Strecke von Hannover bis Göttingen schlägt mit 175 Millionen Euro zu Buche.

© dpa

In Regierungskreisen und beim Staatskonzern hat der Sonderbericht hinter den Kulissen einige Aufregung ausgelöst. Sowohl die DB AG als auch das Verkehrs-, Finanz- und Wirtschaftsministerium, die im DB-Aufsichtsrat mit Staatssekretären vertreten sind, hatten wie üblich vorab Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Prüfergebnissen bekommen. Doch deren vorgebrachten Argumente änderten nichts an der Bewertung der Lage, betont der BRH.

Die Prüfbehörde dringt zum wiederholten Male auf eine Neuausrichtung des Staatskonzerns. Bereits zu Jahresbeginn hatte der BRH in einem Sonderbericht zum 25-jährigen Jubiläum der Bahnreform kritisiert, dass die Expansion der DB AG im Ausland nicht von der Verfassung gedeckt sei und maßgeblich zur enormen Verschuldung von inzwischen rund 25 Milliarden Euro beigetragen habe.

Schenker und Arriva sollen verkauft werden

Folglich sehen die Autoren des Berichts den Weg zu einer besseren Finanzlage auch im Verkauf entsprechender Unternehmensteile. So fordern sie den Verkauf der beiden großen im Ausland tätigen DB-Töchter Arriva (Busse und Bahnen) und Schenker (Logistik, Lkw-Speditionen), womit sich der Konzern von fast der Hälfte seines Umsatzes von 44 Milliarden Euro trennen müsste. Die DB AG solle sich auf das Kerngeschäft mit der Schiene in Deutschland konzentrieren. Bisher versucht die DB-Spitze nur, Arriva zu verkaufen.

Die Regierung müsse zudem zügig „ein tragfähiges Strukturmodell“ für die DB entwickeln und die Trennung von Netz und Betrieb prüfen, so der BRH. Der Bund habe nach dem Grundgesetz einen Gewährleistungsauftrag für den Schienenverkehr. Es müsse festgelegt werden, welche Geschäfte dafür nötig seien. Diese müssten auf das Bundes- und Gemeinwohlinteresse ausgerichtet und langfristig finanziert werden.

Die DB AG erklärte in einer ersten Stellungnahme, der BRH-Bericht liege ihr nicht vor. Der DB-Aufsichtsrat werde am kommenden Mittwoch die weitere Finanzierung beraten. Nach Informationen unserer Zeitung soll eine weitere Kreditaufnahme von zwei Milliarden Euro in Form einer „Hybridanleihe“ beschlossen werden. Verkehrsminister Scheuer sagte, die DB-Strukturen müssten effizienter und schlanker werden.

Die Opposition im Bundestag kritisiert die Regierung scharf. Scheuer habe nach dem Maut- nun auch das Finanz-Debakel der DB am Hals, erklärte die FDP. Der Bahnsprecher der Grünen, Matthias Gastel, warnt, Stuttgart 21 ziehe die DB AG immer weiter nach unten. Der Bund habe stets zum Weiterbau gedrängt, die Kanzlerin am Projekt die Zukunftsfähigkeit Deutschlands festgemacht. Deshalb müsse die Regierung endlich sagen, wie Stuttgart 21 finanziert werden soll.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false